Methoden zur Behandlung von Venenerkrankungen

20.05.2020
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Methoden zur Behandlung von Venenerkrankungen

Krampfadern können erhebliche kosmetische Probleme aus-lösen. Dann stören sie nicht nur optisch, sondern können auch Schmerzen verursachen. Welche modernen Verfahren dem Phlebologen zur Verfügung stehen, erfahren Sie hier.

Varizen | Ekzem | Geschwür  Fotos: Autor

Venenleiden sind als echte Volkskrankheit zu bezeichnen. In der Bonner Venenstudie, einer großen, vom Gesundheitsministerium und der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (DGP) finanzierten und von Wissenschaftlern der Universitätsklinik Bonn durchgeführten Untersuchung wurde festgestellt, dass 90 Prozent der erwachsenen Durchschnittsbevölkerung Veränderungen an ihrem Venensystem auf­weisen. 17 Prozent der erwachsenen Deutschen haben eine symptomatische Venenkrankheit, die ärztlich behandelt werden muss. Jeder sechste Mann und jede fünfte Frau sind betroffen. Etwa ein Viertel der Deutschen zwischen 18 und 79 Jahren haben Krampfadern.
Weitere Symptome, die einem Venenleiden zuzuordnen sein können, sind Schweregefühl, Schwellneigung bis hin zur Ausbildung von Ödemen und Juckreiz. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien sind Hautveränderungen wie Hyperpigmentierung, Ekzeme und im schlimmsten Falle Geschwüre zu beobachten (siehe Fotos rechts oben). Venenerkrankungen können das tiefe Venensystem oder die oberflächlichen Venen betreffen. Während die tiefen Venen vor allem von einem thrombotischen Verschluss und dessen Folgezustand, dem postthrombotischen Syndrom, betroffen sein können, besteht die relevante Störung der oberflächlichen Venen vor allem in einer Funktionseinschränkung der Venenklappen. Aufgrund der Wirkung der Schwerkraft entwickelt sich ein Rückstrom des Venenblutes.
Die daraus resultierende Stauung führt zur Ausbildung erweiterter und mäandrisch verlängerter Seitenäste – der Krampfadern. Dieser Rückstau verursacht darüber hinaus die Schwellung und die Schmerzsymp­tomatik und führt langfristig über eine verschlechterte Blutversorgung zur Ausbildung von Hautveränderungen. Die Erkrankung wird als primäre Varikose bezeichnet. Neben einer Veranlagung spielen Faktoren wie Übergewicht und berufliche Belastung bei der Entstehung eine Rolle. Neben den körperlichen Beschwerden leiden Betroffene insbesondere bei der Varikose auch unter der ästhetischen Verschlechterung des Hautbildes aufgrund der Krampfadern und der Hautveränderungen.


Diagnostik

Die maßgeblichen Kriterien bei der Therapieentscheidung im Zusammenhang mit einem Venenleiden stellen der klinische Befund und die Beschwerden dar. Um eine spezifische Diagnosestellung zu gewährleisten, ist eine zusätzliche bildgebende Diagnostik erforderlich. Die Standardmethode ist die Doppler-, Farbdoppler- und Duplexsonographie, die flächendeckend kostengünstig verfügbar ist. Sie bietet eine exzellente morphologische Analyse und liefert funktionelle Aussagen. Sie hat die über Jahrzehnte übliche radiologische Darstellung mittels Phlebographie abgelöst. Funktionsdiagnostische Methoden wie die Lichtreflexrheographie können die Diagnostik ergänzen.

Therapie der Varikose

Mittel der ersten Wahl zur Behandlung venenbedingter Ödeme und zur Linderung von Schweregefühl und Schmerzen stellt die Kompressionstherapie mit Medizinischen Kompressionsstrümpfen (MKS) dar, welche als Hilfsmittel verordnungsfähig sind und aufwändig individuell angemessen werden. MKS sind in vier Kompressionsklassen und mit verschiedenen Längen erhältlich (Unter- beziehungsweise Oberschenkellänge oder als Strumpfhose). Für die Behandlung des Venenleidens ist in den meisten Fällen ein leichter Strumpf der Kompressionsklasse I ausreichend, der in der Regel auf sehr gute Akzeptanz stößt. Im Falle bereits bestehender Hautveränderungen wie Ekzemen und Geschwüren sowie nach einer Thrombose ist der Kompres­sionsklasse II der Vorzug zu geben.

Neben der Umsetzung der strengen medizinischen Qualitätsanforderungen haben sich die Hersteller in den letzten Jahren insbesondere im Bereich der Venenbehandlung verstärkt auf die hohen ästhetischen und modischen Ansprüche der Patienten eingestellt. Es stehen erstklassige, hautverträgliche Materialien zur Verfügung und moderne MKS sind in einer Vielzahl von Farben und mit verschiedenen Mustern erhältlich. Verschiedene Kompressionshersteller kooperieren mit renommierten Modehäusern.Wird ein Venenleiden durch Krampfadern verursacht, ist deren Entfernung in Betracht zu ziehen. Eine Intervention oder Operation ist angezeigt, wenn die Varizen Schmerzen verursachen oder mit Entzündungen (oberflächliche Beinvenenthrombose, frühere Bezeichnung „Thrombo-phlebitis“) einhergehen und Hautveränderungen verursachen.Neben der offenen Operation, die die Entfernung der erkrankten Stammvene mittels Stripping und die anschließende operative Entfernung der Seitenäste beinhaltet, haben sich in den vergangenen 20 Jahren Katheter-Verfahren etabliert, die darauf basieren, dass die Stammvene nicht entfernt, sondern verschlossen wird.

Sie bildet sich dann im weiteren Verlauf selbstständig zurück. Diese endovenösen Behandlungsmethoden erfreuen sich einer wachsenden Beliebtheit unter Patienten, da die Eingriffe schonend vonstatten gehen. Es werden keine Narben hinterlassen, da Schnitte nicht erforderlich sind, sondern lediglich eine Stichinzision unter Ultraschallkontrolle zur Einbringung des Behandlungssystems erforderlich ist. Die Eingriffe führen nicht zu einer Einschränkung der Mobilität und der Alltagsfähigkeit. Eine Arbeitsunfähigheit besteht in der Regel nur für einen bis wenige Tage.Drei Behandlungsstrategien stehen zur Verfügung:

| die thermische Ablation mittels Laser beziehungsweise Radiowellen,
| die ultraschallgesteuerte Sklerotherapie mit Verödungsschaum sowie
| die Verklebung mit Gewebekleber.

Miniglossar| Varikose: Krampfaderleiden
| Varizen: Krampfadern
| Stripping: operatives Verfahren, bei dem der Arzt die betroffene Vene hinter der krankhaften Stelle durchtrennt und herauszieht

Laser und Radiofrequenz

Laser- und Radiofrequenzablation sind entsprechend den aktuellen deutschen Leitlinien zur Behandlung der Varikose der klassischen Varizenchirurgie (Stripping und Phlebektomie) im Empfehlungsgrad gleichgestellt. In anderen Ländern wie Großbritannien oder den USA werden die Verfahren bereits seit einigen Jahren als Firstline-Therapie vor der offenen Behandlung empfohlen. Unter Ultraschallsicht wird ein Schleusensystem oder eine kaliberstarke Verweilkanüle in die erkrankte Stammvene (Vena saphena magna oder Vena saphena parva) eingebracht, welche die Platzierung der Laserfaser oder des Radiowellenkatheters ermöglicht (siehe Foto Seite 28). Mittels Laserlicht beziehungsweise Radiowellen wird während der Behandlung Wärme erzeugt, die eine Schrumpfung der Kollagenfasern in der Venenwand bewirkt. Eine Allgemeinnarkose ist nicht erforderlich. Die Prozeduren werden mit der sogenannten Tumeszenzanästhesie durchgeführt. Das Betäubungsverfahren, das für die Liposuktion entwickelt wurde, 
beruht auf der ebenfalls ultraschallgesteuerten großvolumigen Einspritzung des Betäubungsmittels, das sich aus physiologischer Kochsalz-Lösung, dem Lokal-
anästhetikum Lidocain und weiteren Substanzen zusammensetzt, in der un­mit­telbaren Umgebung der Stammkrampfader. Neben der Schmerzunterdrückung ermöglicht die Lösung auch die Trennung der zu behandelnden Vene von den Umgebungsstrukturen und deren Schutz vor thermischen Schäden.Nach dem allmählichen Rückzug des Katheters ist der Verschluss der Stammvene festzustellen. Dieser ist das Resultat aus der Schrumpfung der Wand und einer intraluminalen Thrombosierung. Die Seitenäste werden bei den Verfahren medikamentös verödet oder können durch Miniphlebektomie über winzige Einstiche entfernt werden.

Krampfaderverödung

Die Krampfaderverödung ist ähnlich wie die klassische Varizenoperation ein seit vielen Jahrzehnten praktiziertes Verfahren. Das einzige in Deutschland für diese Behandlung zugelassene Präparat ist Polidocanol. Neben der konventionellen Verödung sichtbarer Seitenastkrampfadern ist auch die Behandlung der Stammvenen möglich, sofern diese noch nicht zu stark
erweitert sind. Dazu ist es erforderlich, das Verödungsmedikament zu einem Schaum aufzuarbeiten und unter sonographischer Führung einzuspritzen. Das auf diese Weise behandelte Gefäß verschließt sich und bildet sich ebenfalls im weiteren Verlauf zurück. Wenngleich die Langzeitverschlussraten gegenüber klassischer Operation und endovenös-thermischen Verfahren zurückfallen, wird dieser Nachteil durch Wiederholbarkeit kompensiert, da das Verfahren sehr nebenwirkungsarm, zeitsparend und sanft durchführbar sowie sehr kostengünstig ist.

Verklebung der Varizen

Das jüngste Verfahren zur Behandlung der Stammvarikose stellt die Verklebung mit Akrylatklebstoff dar. Der seit vielen Jahren in der Medizin verwendete Gewebekleber wird hierbei über einen Applikationskatheter in das Gefäß eingebracht, was ebenfalls unter Ultraschallkontrolle zu erfolgen hat. Da weder Wärmewirkung noch Tumeszenzanästhesie bei diesem Verfahren benötigt werden, wird es als besonders sanft geschätzt. Aktuelle Studienergebnisse belegen einen mit den thermischen Verfahren vergleichbaren Behandlungserfolg nach bis zu fünf Jahren. Da Akrylatverklebung erst seit einigen Jahren verfügbar ist, stehen weitere Langzeitergebnisse noch aus.

Auf einen Blick| Vor jeder Krampfaderbehandlung ist eine akribische Diagnostik des Venensystems erforderlich.

| Moderne endovenöse Verfahren ermöglichen eine sanfte, wenig invasive Behandlung, die aufgrund fehlender Narben hervorragende kosmetische Ergebnisse liefert. Die Langzeitergebnisse der Katheterverfahren sind der klassischen Varizenchirurgie ebenbürtig.

| Eine mögliche Nebenwirkung sowohl der endovenösen Stammvenenbehandlung als auch der Verödungstherapie von Seitenastvarizen und Besenreisern ist eine lokale Hyperpigmentierung, die sich in der Regel nach einigen Wochen zurückbildet.

| Vor der Planung eines Krampfadereingriffes empfiehlt sich die Prüfung der Erstattungsmodalitäten.

Kosmetische Aspekte

Auch in der klassischen Varizenchirurgie hat sich mehr und mehr die Nutzung der Ultraschalldiagnostik während der Operation durchgesetzt. Zur Durchführung der endovenösen Verfahren ist die ultraschallkontrollierte Vorgehensweise unabdingbare Voraussetzung und die Ultraschallfähigkeiten des Operateurs sind entscheidend für den Behandlungserfolg. Im Gegensatz zu Stripping und Phlebektomie sind weder ein Leistenschnitt noch Schnitte zur Entfernung der Seitenäste erforderlich. Daraus resultiert, dass nach der Behandlung keinerlei Narben zurückbleiben. Nach der thermischen oder nicht-thermischen endovenösen Behandlung der Stammvenen liefert die Schaumsklerotherapie der Seitenäste exzellente kosmetische Ergebnisse. Auch kleinste Venen sind der Sklerotherapie zugänglich.Ein häufiges kosmetisches Problem stellen Besenreiser dar, welche als kleinste Krampfäderchen infolge einer Varikose zu beobachten sind.

Aufgrund dieses Zusammenhangs setzt auch die Besenreiserbehandlung eine phlebologische Diagnostik voraus. Ihr Auftreten ist aber auch stark mit einer Veranlagung verbunden und ist daher nicht selten auch ohne eine zusätzliche Insuffizienz des Venensystems zu beobachten. Die Verödung der Besenreiser hat nach der Behandlung der größeren Varizenkaliber zu erfolgen und wird als Mikrosklerotherapie bezeichnet. Unter Zuhilfe-nahme optischer Hilfsmittel wird das Verödungsmedikament in niedrigster Konzentration mit Mikronadeln in kleinste Äderchen injiziert. Alternativ kann anstelle der Mikrosklerotherapie auch eine transdermale Lasertherapie mit geeigneten Wellenlängen durchgeführt werden.Als vorübergehende Nebenwirkung nach der endovenösen Behandlung der Stammvenen und der Sklerotherapie kann eine Hyperpigmentierung zu beobachten sein. Diese blasst mit der Resorption der behandelten Venen allmählich ab, kann in Einzelfällen aber auch Wochen bis Monate nach der Behandlung noch zu beobachten sein.

Da dieser Effekt unter Lichteinwirkung verstärkt zu beobachten ist, wird die Verödungsbehandlung in den meisten Zentren vorrangig im Herbst und im Winter durchgeführt. Auch können nach der Behandlung besonders kaliberstarker oberflächlicher Äste tastbare Knötchen auftreten. Diese bilden sich ebenfalls zurück. Um diesen Prozess zu beschleunigen, kann eine
Stichinzision durch den behandelnden Arzt vorgenommen werden. Nach einer jeden Krampfaderbehandlung wird für einige Wochen das Tra-
gen eines angepassten Kompressionsstrumpfes zur Vorbeugung der genannten Nebenwirkungen und Reduktion des Thromboserisikos empfohlen.

Die Aufklärung über realistisch zu erwartende Ergebnisse nach der Mikrosklerotherapie der retikulären Varizen und Besenreiser ist von essenzieller Bedeutung, da das Ergebnis nicht nur von der Behandlungstechnik, sondern auch von Hauttyp und -alter und der Dauer des Bestehens der Krampfadern abhängt (siehe Fotos oben).

Kosten und Kostendeckung

Die klassische Varizenchirurgie und die Kompressionsstrumpfversorgung sind in Deutschland eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Im Rahmen von Verträgen zur besonderen fachärztlichen Versorgung (sogenannte „IV-Verträge“ gemäß §73c, §140ff. SGB V) übernehmen die meisten gesetzlichen Krankenkassen seit einigen Jahren aber auch die endovenös-thermische Behandlung mittels Laser- und Radiofrequenzablation.Die ultraschallgesteuerte Schaumsklerotherapie wird im Rahmen der Einzelfallentscheidung aktuell nur von wenigen gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. In Fällen der fehlenden Kostendeckung erfolgt die Vergütung der ärztlichen Leistung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Bei der Akrylatverklebung und der Mikrosklerotherapie der Netzkrampfadern und Besenreiser handelt es sich grundsätzlich um Privat- beziehungsweise IGeL-Leistungen.

Dr. med. Tobias Hirsch

Dr. med. Tobias Hirsch

Facharzt für Innere Medizin und
Angiologie, Venen Kompetenz-Zentrum, Halle (Saale)
www.gefaessmedizin-hirsch.de

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