Interview: Schwer verdaulich?

06.10.2023
Fotos: Viktoriia Shylling/Shutterstock.com; DGBT

Immer wieder werden Vergiftungsfälle nach „Magen-Botox“ in Europa ­bekannt. Wir haben bei Dr. med. Said Hilton, Präsident der Deutschen ­Gesellschaft für Ästhetische Botulinum- und Fillertherapie e. V., nach 
der Behandlung und ihrer Sicherheit gefragt.

MEDICAL BY BEAUTY FORUM: Wie sicher ist eine Botulinum-Behandlung in Deutschland?

Dr. med. Said Hilton: Beim sogenannten „Magen-Botox“ wird das ­Medikament Botulinumtoxin Typ A in wesentlich größeren Dosen eingesetzt als bei ästhetischen Gesichtsbehandlungen. Dennoch sollte es bei korrekter Anwendung sicher sein. In Deutschland ist der Botulismus-Verdacht für Ärzte gemäß § 6.1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig und es muss in Folge auch der Labornachweis von Clostridium botulinum oder Botulinum-Toxin (§ 7.1 IfSG) gemeldet werden. Seit Zulassung von Botulinumpräparaten für die ästhetische Gesichtsbehandlung ist kein einziger Fall bekannt. Es gilt daher als sicher.

Wie funktioniert „Magen-Botox“?

Laut Fachliteratur werden bei dem endoskopisch durchgeführten Eingriff 300 Einheiten eines Botulinumpräparats über 16 Injektionsstellen im gesamten Magenschlauch injiziert, um eine vorübergehende Schwächung der Magenmuskulatur zu erreichen. Infolgedessen wird der Verdauungsvorgang im Magen verlangsamt, was zu einem länger anhaltenden Sättigungsgefühl führt.

Was ist über die Botulismusfälle bekannt und wie sieht die Datenlage zur Sicherheit des Verfahrens aus?

Wie genau es zu den Botulismusfällen bei den deutschen Patienten in der Türkei kommen konnte, ist bis dato noch unbekannt, da nichts über die Dosierung und dortige Injektionstechnik bekannt ist.

Es gab Studien, die die Effektivität dieses Verfahrens nicht bestätigt haben, daher wird es in Deutschland so gut wie gar nicht angewendet. Es gab bereits 2013 eine Studie der Mayo Klinik in Rochester, in Botox-Injektionen in den Magen weitgehend als Placebo beschrieben werden. Zudem kam es bei einige Probanden zu Nebenwirkungen wie verstärktem Reflux und Verdauungsproblemen.

Es liegt der Verdacht nahe, dass es in der Türkei zu Überdosierungen kam, um eine erfolgreiche Behandlung zu erreichen. Dies gilt es aber noch zu untersuchen.

Was ist zu tun, wenn eine Botulinumvergiftung vorliegt?


Botulismusfälle treten in Deutschland extrem selten auf und rühren überwiegend von einer Lebensmittelvergiftung her. Daher ist ein Gegenmittel zwar verfügbar, aber nur über sogenannte Notfalldepots, die über ein Botulismus-Antitoxin verfügen. Das Antitoxin kann nur im Blut befindliches Botulinumtoxin unschädlich machen, nicht aber Gift, das schon an Gewebestrukturen gebunden ist, daher ist ein schnelles Handeln erforderlich.

Und wie sieht es bei ästhetischen Botulinum-Behandlungen in Deutschland aus?

In Deutschland gibt es seit der Erstzulassung eines Botulinumpräparats für die ästhetische Gesichtsbehandlung vor über 20 Jahren keinen einzigen dokumentierten Fall von Botulismus. Laut der DGBT gibt es keinen Grund für Unsicherheiten bei ästhetischen Behandlungen mit Botulinumpräparaten im Gesicht.

Als Beispiel kann die Behandlung der Glabella angeführt werden, bei der lediglich 20 Einheiten Botulinum zum Einsatz kommen – eine deutlich geringere Dosierung als bei einer Injektion von Botulinum in die Magenwand.

&nb

Botulismus-Symptome

Folgende Symptome können auf eine Vergiftung nach der Injektion von Botulinumpräparaten oder aber auch auf eine Vergiftung mit Lebensmitteln laut Robert Koch-Institut hindeuten:

  • Seh- und Sprachstörungen – wie Augenflimmern, Akkommodationsstörung und Lichtscheu. Die Pupillen sind meist erweitert und nicht lichtreagibel.
  • Schwäche in Armen und Beinen – Lähmung der Feinmotorik der Hand
  • Schluck- und Atembeschwerden

Bei Symptomen nach einer Botulinum-Injektion zur Gewichtsreduktion sollte sofort ärztlicher Kontakt bestehen.

Foto: Dr. med. Said Hilton

Das könnte Sie auch interessieren

Mehr aus der Rubrik Chirurgische Eingriffe