Nachgefragt: Ist der Hype um die neuen „Abnehmspritzen“ ­gerechtfertigt?

19.02.2024
Foto: Prostock-studio/Shutterstock.com

In den letzten beiden Jahren überboten sich die Pharmahersteller mit der Vorstellung neuer Präparate, die zwar in erster Linie als Medikamente für den Einsatz bei Diabetikern entwickelt wurden, aber weltweit Schlagzeilen machen als vermeintlich einfache Lösung, um lästige Pfunde einfach zu verlieren.

Bei den allesamt rezeptpflichtigen Medikamenten handelt es sich um sogenannte Rezeptoragonisten, die das Ziel haben, bestimmte Stoffwechselprozesse im Körper anzustoßen, um die Insulin- beziehungsweise Glukagonfreisetzung (=Insulingegenspieler) zu beeinflussen und zudem zentral im Gehirn das Hungergefühl zu hemmen. Während „Ozempic“ oder „Wegovy“ (Wirkstoff: Semaglutid) als Analogon auf ein einziges Hormon (GLP-1) und „Mounjaro“ (Wirkstoff: Tirzepatid) als Analogon auf zwei Hormone (GLP-1 und GIP) wirken, ist die neueste Entwicklung des Pharmaherstellers Eli Lilly (Wirkstoff: Retatrutid) noch effektiver und wirkt auf drei verschiedene Hormone (GLP-1, GIP und Glukagon). 
Diese Dreifachwirkung trägt dazu bei, besonders effektiv das Sättigungsgefühl zu verringern und den Grundumsatz zu erhöhen, wodurch die Verbrennung von Kalorien gefördert wird. 
Aktuelle Studien sprechen bei diesen Produkten, je nach Wirkstoff und Dosierung, von bis zu 24 Prozent Gewichtsreduktion. Klingt beinahe zu gut, um wahr zu sein. Und ja, wenig überraschend gibt es auch ein paar Nachteile, die die Begeisterung trüben könnten. 
Neben vergleichsweise harmlosen und tolerierbaren Nebenwirkungen wie Herzrasen, Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Schwindel und Beschwerden im Magendarm-Bereich (Übelkeit, Verstopfung, Durchfall) gibt es auch ernsthafte Gründe, die den Einsatz der Abnehmspritze für die schnelle, einfache Diät ohne Mühe berechtigterweise infrage stellen. Zum einen basieren die beeindruckenden Studienergebnisse auf einem Konzept aus Ernährungsumstellung, abgestimmtem Sportprogramm und der Abnehmspritze; zum anderen deuten erste Berichte daraufhin, dass nach dem Absetzen der Medikamente ein Großteil des verlorenen Körpergewichts über einen Zeitraum von 12 bis 24 Monaten wieder zurückkehrt. 
Insgesamt betrachtet, bilden diese neuen Medikamente sicher einen großen Schritt nach vorne in der Behandlung von schwereinstellbaren und stark adipösen Diabetikern. Inwieweit sie sich auch als einfache Abnehmlösung etablieren können, bleibt abzuwarten. Aktuell, ohne Vorliegen von Verlaufsdaten über mehrere Jahre, ist sicher noch Vorsicht geboten beim Einsatz als Abnehmspritze für die schnelle Diät. Denn es wäre nicht das erste Mal, dass anfänglich gefeierte Therapien nach einigen Jahren von der Realität eingeholt werden.

Foto: Frank Rösken

Der Experte


Dr. med. Frank Rösken 
Der Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie ist Inhaber der Praxis „Die Ästheten – Medical Spa“ im Herzen von München. https://www.aestheten.de 

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