Leitlinien:
Kontaktekzem

10.06.2024
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Medizinische Leitlinien sind systematisch entwickelte, wissenschaftlich  begründete und praxisorientierte Entscheidungshilfen. Sie sollen Ärzten Empfehlungen geben, wie eine Erkrankung festgestellt und behandelt  werden sollte. Auch Kosmetikerinnen können eine Menge von ihnen  für ihre Arbeit ableiten. In Teil 3 unserer Leitlinien-Serie stellt Ihnen die  angehende Ärztin, Kosmetikerin und Beauty Managerin Sarah White  die wichtigsten Fakten aus der Leitlinie Kontaktekzem vor. 

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1. Definition (Beschreibung, Aussehen)


Das Kontaktekzem, auch Kontaktdermatitis genannt, ist eine lokale Entzündung von Epidermis und angrenzender Dermis und tritt sehr häufig auf. 
Auslöser sind entweder hautirritierende Substanzen oder Stoffe, denen gegenüber eine Unverträglichkeit vorliegt. Typisch für das Kontaktekzem sind Bläschen und nässende Rötungen, oft mit Verkrustung, Schuppung und Rhagaden. Besonders häufig sind die Hände betroffen, besondere im beruflichen Kontext. So ist die Kontaktdermatitis auch ein berufliches Risiko für die Kosmetikerin.
 

2. Epidemiologie (Prävalenz, Geschlecht, Alter)


Das Kontaktekzem gilt als Volkskrankheit und betrifft alle Altersgruppen gleichermaßen. So leidet etwa jeder Fünfte an einer Kontaktsensibilisierung. Die Lebenszeitprävalenz des allergischen Kon­taktekzems liegt bei etwa 15 Prozent und die Einjahresprävalenz bei rund sieben Prozent, wobei Frauen in etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. 


3. Ätiologie (Disposition, Trigger)


Für das Kontaktekzem liegen individuelle Kombinationen aus genetischen Prädispositionen und Expositionen gegenüber hautirritierenden Stoffen oder Allergenen vor. Zu den Triggern können zum Beispiel Duftstoffe, Konservierungsstoffe, Pflanzenstoffe, Farbstoffe, Lacke, Weichmacher oder Stoffe wie Nickel oder Kobalt zählen, die sich unter anderem in Kosmetika, Textilien und Arzneistoffen befinden können.
Es wird unterschieden zwischen einem irritativen Kontaktekzem und dem allergischen Kontaktekzem. Sie können sowohl akut als auch chronisch vorliegen.
Das irritative Kontaktekzem kann nach andauernder Schädigung der Hautbarriere bei zeitgleicher Exposition gegenüber irritativen Substanzen auftreten. Hierzu zählt auch das phototoxische Kontaktekzem, welches durch eine kombinierte Einwirkung phototoxischer Sub-stanzen und UV-Strahlung ausgelöst wird. Allgemeine Risikofaktoren für das irritative Kontaktekzem sind Wunden, Entzündungen, Trockenheit und häufiger Wasserkontakt. Diese Form des Kontaktekzems kann auch nach Erstkontakt auftreten. Nach einer vorangegangenen Sensibilisierung kann es zu einem allergischen Kontaktekzem kommen. Hier ist also ein vorheriger Kontakt notwendig. Es handelt sich dann, im Gegensatz zum irritativen Kontaktekzem, um eine lymphozytär vermittelte Typ-IV-Allergie mit Aktivierung des unspezifischen und spezifischen Immunsystems. 
 

4. Symptome und Verlaufsformen


Typisch für das Kontaktekzem sind nässende Erytheme, oft unter Ödem- und Bläschenbildung, die in einem weiteren Verlauf in Verkrustung und Schuppung übergehen können. 
Liegt das Kontaktekzem chronisch vor, kann es außerdem zu Hyperkeratosen, Lichenifikation unter Verdickung der Haut und schmerzhaften Rhagaden kommen. Das Ekzem kann potenziell an allen Körperstellen der Exposition auftreten. Bevorzugt ist das Kontaktekzem als berufsbedingte Erkrankung an den Händen zu finden. Klinisch zeigt sich das irritative Kontaktekzem oft mit scharfer Begrenzung, während das allergische Kontaktekzem unscharf begrenzt erscheint und Ekzemherde auch in nicht exponierten Arealen auftreten können.
Übrigens: Das irritative Kontaktekzem kommt weitaus häufiger als das allergische Kontaktekzem vor: Rund 80 Prozent aller Kontaktekzeme sind irritativer Natur. Auch eine Kombination aus irritativem und allergenem Kontaktekzem ist möglich.
 

5. Differenzialdiagnose


Wichtige vom Kontaktekzem abzugrenzende Erkrankungen sind insbesondere andere ekzematöse Leiden wie das atopische, seborrhoische oder nummuläre Ekzem, aber auch Erkrankungen wie My­kosen, Psoriasis vulgaris, Lichen planus oder das kutane T-Zell-
Lymphom. Das allergische Kontaktekzem kann außerdem von einer Pseudoallergie abgegrenzt werden, das zum Beispiel nach Medikamenteneinnahme auftreten kann.
 

6. Ärztliche Therapie
 

Als Diagnostik zur Ermittlung möglicher Allergene und Sensibilisierungen eignet sich ein Epikutantest. Bei diesem werden zu testende Kontaktallergene mittels Pflaster auf den Rücken aufgebracht und nach mehreren Tagen auf Hautreaktionen überprüft. Ist ein Allergen ermittelt, ist die wichtigste Maßnahme die strikte Meidung des Stoffes. Akute Ekzeme können temporär mittels topischer Glukokortikoide wie Hydrokortison behandelt werden. 
In jedem Fall ist eine topische Basistherapie mit pflegenden Kom-ponenten ein wichtiger Baustein in der Therapie, denn durch Unterstützung der Hautbarriere wird die Haut besser vor irritativen Stoffen geschützt.
Eine individuell angepasste systemische Therapie des Kontakt-ekzems kommt in Betracht, wenn eine topische Therapie nicht wirksam oder nicht durchführbar ist. Dazu können zum Beispiel Retinoide mit ihrer entzündungshemmenden Wirkung eingesetzt werden oder Immunsuppressiva. 
 

7. Empfehlungen für
die Kosmetikerin
 

Kunden mit Neigung zu Barrierestörungen, Ekzemen, Unverträglichkeiten oder einer generell hypersensitiven Haut sollten nur mit milden Produkten behandelt werden. Zu vermeiden sind starke Tenside und alkalische Seifen und Waschmittel. Stattdessen unterstützen rückfettende Produkte die Haut nach der Reinigung. Als Basispflege kommen milde Cremes mit Inhaltsstoffen wie Ceramide, Phospholipide, Fett- und Aminosäuren infrage, idealerweise frei von reizenden Stoffen wie zum Beispiel Duftstoffen, Alkoholen oder Farbstoffen.
Auch für die Kosmetikerin selbst besteht berufsbedingt ein erhöhtes Risiko: Häufige Ursachen für Kontaktekzeme sind ein häufiger oder anhaltender Wasserkontakt oder okklusive Bedingungen, chemische Reizstoffe wie Tenside, Konservierungsstoffe oder sehr hohe beziehungsweise niedrige pH-Werte sowie mechanische Irritation durch Reibung. Allem ist die Kosmetikerin berufsbedingt in einem hohen Maß ausgesetzt. 
Zur Verringerung des Risikos sollte die Haut intensiv mit Lipiden und Feuchtigkeit versorgt werden, da insbesondere Trockenheit Barrierestörungen begünstigt. Hautschutzpräparate wie Handcremes  sollten idealerweise vor und mehrfach während der Arbeit auf die trockene, saubere Haut aufgetragen werden. Diese bilden einen feinen Film auf der Haut, der physikalisch vor irritativen Stoffen schützen kann.


Quellen:
https://register.awmf.org/assets/guidelines/013-055l_S1_Kontaktekzem_2021-11.pdf
Netters Dermatologie, Frank H. Netter, 2. Auflage
www.haut-und-allergiehilfe.de/blog/allergien/151-kontaktekzem
www.haut-und-job.de/berufsbedingte-hautkrankheiten/berufsbedingte-hautprobleme-durch-hautreizende-stoffe-oder-allergene 

 

Nächster Teil: 

Ausgabe 04/24: Onychomykosen


Bereits erschienen: 


Diese Leitlinien sind bisher erschienen:
Psoriasis vulgaris  
Atopische Dermatitis

Foto: Sarah White

Sarah White

Die Autorin ist angehende Ärztin, Kosmetikerin, Beauty Managerin (IHK), Autorin für Fachzeitschriften und Speakerin auf internationalen Kongressen sowie Gründerin der Marke „Iluqua“. www.iluqua.com 

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