Leitlinien: Tinea Capitis

21.01.2025
Foto: Zay Nyi Nyi/Shutterstock.com

Medizinische Leitlinien sind systematisch entwickelte, wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Entscheidungshilfen. Sie sollen Ärzten Empfehlungen geben, wie eine Erkrankung festgestellt und behandelt werden sollte. Auch Kosmetikerinnen können eine Menge von ihnen für ihre Arbeit ableiten. In Teil 6 unserer neuen Leitlinien-Serie stellt Ihnen die angehende Ärztin, Kosmetikerin und Beauty Managerin Sarah White die wichtigsten Fakten aus der Leitlinie Tinea capitis vor.

1. Definition (Beschreibung, Aussehen)

Die Tinea capitis zählt zu den Pilzerkrankungen (Mykosen), welche durch Dermatophyten (Fadenpilze) ausgelöst werden und die behaarte Kopfhaut, teils auch Wimpern, Bart und Augenbrauen befallen. Allgemein können Dermatophyten Haut, Haare und Nägel betreffen. 
Als typische Erreger gelten beispielsweise Trichophyton-, Epi-dermophyton- und Micro-
sporum-Infektionen. Die Tinea capitis wird in eine oberflächliche (Tinea capitis superficialis) und eine tiefe Form (Tinea capitis profunda) unterteilt. Sie tritt besonders häufig bei Kindern auf, kann starken Juckreiz, Haarausfall und ausgeprägte Entzündungen auslösen und ist hochkontagiös.

2. Epidemiologie (Prävalenz, Geschlecht, Alter)

Genaue Inzidenzen sind nicht bekannt, weltweit liegt die Prävalenz zwischen 2,5–25 Prozent. Es gibt starke regionale Unterschiede, die Tinea capitis scheint häufiger auf dem afrikanischen Kontinent vorzukommen. 
Kinder zwischen dem dritten und siebten Lebensjahr sind besonders häufig betroffen, genauso wie Jugendliche. Als seltener betroffen gelten Neugeborene, Säuglinge sowie Erwachsene, wobei bei Letzteren eine höhere Dunkelziffer vorzuliegen scheint.
In den letzten Jahren kam es zu einem Anstieg der Infektionen in Deutschland. Mögliche Auslöser dafür könnten mit Erregern befallene Haustiere wie beispielsweise Nagetiere, Katzen und Hunde sein. Die infizierten Tiere können dabei völlig gesund erscheinen.

3. Ätiologie (Disposition, Trigger)

Bei der Tinea capitis handelt es sich meist um zoophile oder anthropophile Erreger. Während zoophile Erreger primär von Tier auf Mensch übertragen werden, erfolgt die Übertragung bei anthropophilen Erregern von Mensch zu Mensch. Auch indirekte Übertragungen über Gegenstände wie Bürsten oder Handtücher sind möglich. Erreger der Tinea capitis sind hochinfektiös.

4. Symptome und  Verlaufsformen

Die Tinea capitis kann in zwei Verlaufsformen, je nach Tiefe des Befalls, unterteilt werden:

1. Tinea capitis superficialis
Sie kommt häufiger vor und befällt vor allem die Hornschicht. Es zeigen sich schuppende, gerötete und leicht entzündete Herde auf der Hautoberfläche, verbunden mit einem starken Juckreiz. Es kann zur nicht vernarbenden Alopezie mit Haarausfall kommen.

2. Tinea capitis profunda
Neben der Hornschicht kann es auch zur Infektion im Bereich der Haarfollikel kommen. Dermatophyten dringen bei Befall der Terminalhaare von der Hornschicht bis in  die Haarfollikel ein, wo sie das Haar in der Wachstumsphase (Anagenphase) befallen. 
Durch das Haarwachstum kommt es zur Ausbreitung der Infektion. Dementsprechend zeigen sich tiefe,  sehr starke Entzündungen. Diese heilen meist narbig ab und führen  so zu einer dauerhaft kahlen, haarlosen Hautoberfläche (Narbenalopezie).
Neben Juckreiz, starker Entzündung und sichtbaren Herden kann vor allem der Haarausfall psychisch belastend sein. Infizierte Areale zeigen sich durch kurz abgebrochene Haare oder gänzlich kahle Stellen. 
Je nach Ausprägungsform kann das Haarwachstum erst nach erfolgreicher Behandlung wieder stattfinden. Eine frühzeitige adäquate ärztliche Therapie ist daher dringend notwendig. 

5. Differenzialdiagnose

Besonders eine Follikulitis und bakterielle Abszesse sind von der Tinea capitis abzugrenzen. Wird die Tinea capitis nicht zeitnah erkannt, kann es zu dauerhaften Vernarbungen und kahlen Stellen kommen. Daneben stellen Lichen planus, Psoriasis, Kopfhautekzeme, Trichotillomanie und Alopecia areata einige wichtige Differenzialdiagnosen dar.

6. Ärztliche Therapie
Die Tinea capitis kann schwer von anderen Erkrankungen der behaarten Haut abzugrenzen sein. Optisch kann sie sich in vielen verschiedenen Formen zeigen, eine klare Zuordnung ist kaum möglich. Das macht die Diagnose anspruchsvoll.
Vor jeder Therapie muss die Diagnose klar gesichert sein. Dafür ist es notwendig, den genauen Erreger zu klassifizieren. Dies erfolgt häufig klinisch durch eine Hautbiopsie, Pilzkulturen und molekulare Methoden wie eine PCR. Für eine erste Untersuchung kann sich eine Wood-Lampe als nützlich erweisen, da bestimmte Erreger unter diesem Licht eine giftgrüne Fluoreszenz aufweisen. 
Nach spezifischer Erregerbestimmung wird die Therapie eingeleitet. Therapeutisch werden unterschiedliche topische und häufiger auch systemische Antimykotika eingesetzt, darunter Griseofulvin, Ciclopiroxolamin, Itraconazol, Terbinafin oder Fluconazol.
Empfehlungen für die Kosmetikerin
Tinea capitis ist hochinfektiös und kann auch über Gegenstände wie Handtücher übertragen werden. Nicht nur deshalb sollten Hygienemaßnahmen im Kosmetikinstitut generell sehr ernst genommen und streng befolgt werden. 
Textile Gegenstände wie Handtücher, Kissen, Decken oder Bezüge von Liegen sollten so heiß wie möglich und nach jedem Kundenkontakt gewaschen werden. 
Wo notwendig, lässt sich zusätzlich mit Einmaltextilien arbeiten. Bürsten, Kämme oder Kopfbedeckungen sollten generell nicht für mehrere Kunden genutzt werden, hier bieten sich Einmalprodukte an. 
Oberflächen und Böden sollten mit geeignetem Desinfektionsmittel gereinigt, Tools für die Behandlung von Haut und Haar sterilisiert werden. Auch bietet es sich an, ein Handdesinfektionsmittel für Kunden bereitzustellen. 
Kunden mit verdächtigen Hautarealen sollten nicht behandelt werden und stattdessen an einen entsprechenden Facharzt verwiesen werden. 

Quellen:
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-033
https://www.springermedizin.de/alopezie/itraconazol/tinea-capitis-bei-kindern-ein-buntes-krankheitsbild/ 20399324
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/ 27509418/
https://www.altmeyers.org/de/dermato­logie/tinea-capitis-superficialis-3955
 

Foto: Sarah White

Sarah White
Die Autorin ist angehende Ärztin, Kosmetikerin, Beauty Managerin (IHK), Autorin für Fachzeitschriften und Speakerin auf internationalen Kongressen sowie Gründerin der Marke „Iluqua“. www.iluqua.com 

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