Leitlinien:
Psoriasis vulgaris

19.02.2024
Foto: Lipowski Milan/Shutterstock.com

Medizinische Leitlinien sind systematisch entwickelte, wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Entscheidungshilfen. Sie sollen Ärzten Empfehlungen geben, wie eine Erkrankung festgestellt und behandelt  werden sollte. Auch Kosmetikerinnen können eine Menge von ihnen  für ihre Arbeit ableiten. In Teil 1 unserer neuen Leitlinien-Serie stellt Ihnen die angehende Ärztin, Kosmetikerin und Beauty Managerin Sarah White  die wichtigsten Fakten aus der Leitlinie Psoriasis vulgaris vor. 

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1. Definition (Beschreibung, Aussehen) 


Die Psoriasis vulgaris, auch gewöhnliche Schuppenflechte oder Plaque-Psoriasis genannt, ist eine häufig vorkommende chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die in Schüben verläuft und nicht an-
steckend ist. Typisch sind Schuppenherde aus rötlichen scharf begrenzten Plaques, die oft verbunden sind mit einem starken Juckreiz. Zeitgleich treten häufig Nagelveränderungen auf. Für die Psoriasis vulgaris gibt es eine genetische Prädisposition, die Erkrankung bricht meist aufgrund äußerlicher oder innerlicher Triggerfaktoren aus.
 

2. Epidemiologie (Prävalenz, Geschlecht, Alter)

Rund zwei Prozent der deutschen Bevölkerung sind betroffen, Männer und Frauen zu etwa gleichen Anteilen. Es gibt kein typisches Alter für den Ausbruch der Erkrankung, sie kann in jedem Alter erstmalig auftreten. Unterschieden werden dennoch zwei Typen: Beim Frühtyp I bricht die Erkrankung meist vor dem 30. Lebensjahr auf, beim Spättyp II im fünften Lebensjahrzehnt.


3. Ätiologie (Disposition, Trigger)
 

Die Ursache der Erkrankung ist multifaktoriell. Für Psoriasis vulgaris liegt eine genetische Prädisposition vor, Vererbung spielt also eine Rolle. Besonders Frühtyp I zeigt eine familiäre Häufung. Das betroffene Gen liegt auf Chromosom 6 und zählt zu den humanen Leukozytenantigenen.
Es können zahlreiche Triggerfaktoren zum Ausbruch eines Schubs führen: Darunter zum Beispiel mechanische oder physikalische Hautreizungen (Verletzungen, Sonnenbrand, Druck, Reibung), Infektionen, bestimmte Arzneimittel (ACE-Hemmer, Betablocker, Antibiotika), Alkohol und Rauchen, Hormonschwankungen, emotionaler Stress oder ein kälteres Klima.


4. Symptome und  Verlaufsformen
 

Frühtyp I, der 70 Prozent aller Psoriasis-vulgaris-Erkrankungen ausmacht, zeigt typischerweise einen schwereren Verlauf als der seltenere Spättyp II. 
Ein schubförmiger Verlauf ist bei Psoriasis vulgaris typisch. Bei einem solchen Schub kann es an jeder Körperstelle, besonders aber an Streckseiten von Ellenbogen und Knie, der Kopfhaut sowie Handflächen und Fußsohlen zur Bildung von rötlichen Herden kommen. Diese sind mit weißlich-silbernen Schuppen überzogen. Durch Juckreiz neigen Betroffene zum Aufkratzen der Plaques, wodurch punktförmige Einblutungen entstehen können. Der Schweregrad kann sich individuell sehr unterschiedlich zeigen. 
50 Prozent aller Betroffenen zeigen Veränderungen an Nägeln mit Entzündungen im Nagelbett. Typisch können Ölflecken, Tüpfel oder Splitterblutungen sein. In schweren Verläufen kann es auch zu Krümelnägeln kommen, wobei der Nagel krümelig zerfallen kann. 
Daneben ist zu beachten, dass bei etwa fünf bis zehn Prozent aller Erkrankten eine Psoriasis-Arthritis vorliegt. Hier kommt es zusätzlich zu entzündlichen Gelenkerkrankungen. Daneben kommt es bei der Psoriasis pustulosa, die etwa fünf Prozent aller Erkrankten betrifft, zusätzlich zur Bildung von eitrigen weißlichen Pusteln mit Leukozytenansammlungen (insbesondere neutrophile Granulozyten).


5. Differenzialdiagnose
 

Grundsätzlich sollten alle Erkrankungen und Hauterscheinungen, die mit einer abgrenzbaren Rötung der Hautoberfläche unter Schuppenbildung einhergehen, ärztlich von der Psoriasis vulgaris abgegrenzt werden. 
Dazu zählen zum Beispiel: atopische Ekzeme (Neurodermitis), Lichen ruber (Knötchenflechte), Al-
terserythrodermie, Mycosis fungoides und Sézary-Syndrom (kutane T-Zell-Lymphome), Skabies (Befall von Krätzmilben), allergische Kontaktekzeme und Pilzinfektionen wie Tinea corporis. 


6. Ärztliche Therapie


Da die Psoriasis vulgaris eine chronische, psychisch oft stark belastende Erkrankung ist, zielt eine Therapie auf eine Reduktion von Symptomen und eine Verbesserung der Lebensqualität ab. Besonders Hyperkeratosen und Entzündungsreaktionen sollen reduziert werden.
Grundpfeiler jeder Therapie sind daher keratolytisch wirksame Sub-stanzen, darunter Urea (Harnstoff) und Salicylsäure. Bei leichteren Verläufen werden diese vor allem topisch, also lokal auf die Haut, aufgetragen. Auch Vitamin D oder lokale Glucocorticoide kommen zum Einsatz. 
Die regelmäßige Hautpflege, auch in schubfreien Phasen, ist für Erkrankte besonders wichtig. Die Behandlung kann zusätzlich mit einer UV-Phototherapie (zum Beispiel der selektiven Ultraviolett-Phototherapie) kombiniert werden.
Bei mittelschweren oder schweren Verläufen werden topische, äußerliche Maßnahmen mit systemischen Therapien kombiniert. 
Hier können Retinoide, Methotrexat (ein Folsäure-Antagonist und Immunsuppressivum) und diverse Antikörper-Therapien zum Einsatz kommen.
 

7. Empfehlungen für die Kosmetikerin
 

Die tägliche Hautpflege ist zentraler Bestandteil der Erkrankung, auch in schubfreien Phasen, und absolut notwendig. Hier kann die Kosmetikerin, am besten in Zusammenarbeit mit Dermatologen, sinnvoll unterstützen.
Geeignet sind milde Hautpflegeprodukte. Waschaktive Substanzen sollten sparsam eingesetzt werden, da sie die Hautbarriere beeinträchtigen. Insbesondere hautidentische Inhaltsstoffe wie Ceramide, Phopholipide, NMF und essenzielle Fettsäuren (Linol- und Linolensäure) werden gut vertragen und unterstützen die Haut in ihrer Barrierefunktion. Potenziell reizende Stoffe sollten vermieden werden. Betroffene profitieren außerdem häufig von reichhaltigen Formulierungen mit hohen Lipidanteilen. 
Stigmatisierungen der Erkrankung müssen unbedingt vermieden werden. Die Erkrankung geht mit vielen Stigmata einher, die Betroffene im Alltag einschränken und sogar oft zu sozialer Ausgrenzung und Abwertung führen. Schwere Verläufe gehen sogar oft mit mehr-
wöchigen stationären Krankenhaus- und Reha-Aufenthalten einher. Psoriasis vulgaris ist nicht ansteckend, auch wenn das oft angenommen wird.
Die Kosmetikerin kann insgesamt einen wertvollen Beitrag für Betroffene leisten durch Aufklärung über die Notwendigkeit täglicher Hautpflege und bei der Basispflege mit geeigneten Hautpflegeprodukten.


Quellen:
https://register.awmf.org/assets/guidelines/013-001l_S3_Therapie-Psoriasis-vulgaris_2021-07-verlaengert.pdf
Plewig et al.: Braun-Falco‘s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. 7. Auflage, Springer-Verlag 2018, ISBN: 978-3-662-49544-5.
https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/204417/9789241565189-ger.pdf?sequence=11 (Stand: 18.01.2024)
www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-2006-925304.pdf
www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1808-4069.pdf
www.psoriasis-bund.de/wissen/psoriasis/

 

Nächster Teil

Ausgabe 02/24: atopische  Dermatitis

Foto: Sarah White

Sarah White
Die Autorin ist angehende Ärztin, Kosmetikerin, Beauty Managerin (IHK), Autorin für Fachzeitschriften und Speakerin auf internationalen Kongressen sowie Gründerin der Marke „Iluqua“. www.iluqua.com

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