Diskussion um Vitamin-D-Dosis

09.01.2020
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Vitamin D, das so genannte Sonnenhormon, ist eine Substanz, die unter bestimmten Bedingungen vom Körper selbst hergestellt werden kann. Populationsbasierte Daten deuten darauf hin, dass viele Menschen in unseren Breiten mit diesem Stoff allerdings unterversorgt sind. Rechtfertigen aber niedrige Blutspiegel eine Aufsättigung mit Hochdosispräparaten?

Wie jedes Jahr wieder beginnt in den Wintermonaten die Diskussion um eine adäquate Supplementierung, denn seit Oktober ist der Winkel der Sonneneinstrahlung bei uns so klein, dass praktisch kein Vitamin D in der Haut mehr gebildet werden kann. Das wird voraussichtlich auch bis Ende März so bleiben.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) wird bei fehlender endogener Synthese eine Zufuhr von 20 µg pro Tag empfohlen. Unter optimalen Bedingungen im Sommerhalbjahr ist das kein Problem, wenn die Sonne >35 Grad am Himmel steht, und innerhalb weniger Minuten bis zu 10.000 Internationale Einheiten (IE; 1 µg=40 IE) D3 gebildet werden können.1

Für die Bildung ist dafür lediglich eine UVB-Strahlung von 290–315 nm notwendig. Diese Strahlung ist aber auch hauptsächlich für die Entwicklung bestimmter Hautkrebsarten verantwortlich, vor denen wir uns durch Verwendung von Sonnenschutzmitteln mit möglichst hohen Lichtschutzfaktoren (LSF) zu schützen versuchen. Damit verhindern wir aber auch effektiv die Produktion von Vitamin D in der Haut, denn ab einem Lichtschutzfaktor von 15 nimmt die UVB-Dosis auf der Haut bereits um circa 93 Prozent ab.2 Zwei bis drei kurze Sonnenbäder ohne Sonnenschutzcreme pro Woche können also die Vitamin-D-Produktion unterstützen.

Vitamin D aus der Ernährung

Wie sieht es aber aus, wenn die Sonne nicht mit der nötigen Intensität von
18 mJ/cm2 scheint, die als Schwellenwert für die kutane Produktion von Vitamin D gilt?3 Können wir unseren Bedarf durch die Ernährung decken?

Da unsere Lebensmittel im Schnitt nur zwischen 1 und 5 µg pro Tag liefern, kommen wir um eine Supplementierung nicht umhin. Eine optimale Versorgung mit Vitamin D würde zu einem Serumspiegel des 25-Hydroxyvitamin-D (25-(OH)-Vitamin-D) von mehr als 50 nmol/l führen. Diesen erreichen aber mindestens 60 Prozent der erwachsenen deutschen Bevölkerung nicht. Gerade bei Übergewicht oder Typ-2-Diabetes, wovon mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung betroffen ist, zeigen Studien häufig erniedrigte Werte.

Neueste Daten weisen darauf hin, dass sich beim Ausgleich eines Vitamin-D-Mangels die glykämischen Parameter wie Nüchternglukose, HbA1c oder die Insulinspiegel im Blut häufig bessern. Zu niedrige Vitamin-D-Werte rechtzeitig auszugleichen kann also helfen, Vorstufen des Diabetes (sogenannter Prädiabetes) so weit zu lindern, dass eine Zuckererkrankung nicht oder erst viel später eintritt.

Da nun die Ernährung nur einen geringen Teil zu unserer Vitamin-D-Versorgung beiträgt, stellt sich die Frage, wie schnell ein Mangel ausgeglichen werden sollte und welche Präparate dafür in Frage kommen.

Präparate: empfohlene Dosis

Wenn wir es also nicht schaffen, durch häufigen Verzehr von Hering, Lachs oder Lebertran den Vitamin-D-Bedarf zu decken, was für die meisten von uns zutreffen dürfte, gibt es eine Reihe von Nahrungsergänzungsmitteln oder Lebensmittel, die mit Vitamin D angereichert sind, welche dafür in Frage kommen.

Dabei kommt es wie immer auf die Dosis an. Eine übliche Supplementierung versorgt den Körper in einer Dosis mit 800–1.000 IE (20–25 µg) pro Tag als ölige Suspension (zweiphasiges System aus einem feinverteilten, nicht-löslichen □ in einer □) oder Tablette. Damit befindet man sich in einem sicheren Bereich, da verschiedene Institute (unter anderem die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA) die tägliche Gesamtzufuhr aus Lebensmitteln und Nahrungsergänzung auf 100 µg festgelegt haben.

Erhöhte Dosis = mehr Effekt?

Ist es demnach aber nicht sinnvoll, mehr Vitamin D zu sich zu nehmen, da für dieses Vitamin eine Reihe weiterer positiver Effekte beschrieben wurden? Neben der Knochengesundheit soll auch das Immunsystem gestärkt werden und depressive Episoden besser in den Griff zu bekommen sein. Gerade diese mannigfaltigen Wirkungen machen es sehr schwierig, alle möglichen Komplikationen einer höheren Dosierung abschätzen zu können.

Vitamin D ist eben ein potenter Wirkstoff mit vielen Effekten, die über lange Zeit auf den Körper einwirken. Als fettlösliches Vitamin kann es im Körper gespeichert werden und so kann es zu einer schleichenden Überdosierung kommen.

Außerdem wird ab 2.000 IE empfohlen, Vitamin K2 mit zu verabreichen, da Calcium nicht nur aufgenommen (Vitamin-D-Wirkung), sondern auch in den Knochen eingebaut werden muss (Vitamin-K2-Wirkung).

Außerdem soll vor allem zur Osteoporose-Prävention zusätzlich 1.000 µg Calcium eingenommen werden. Zur Verhinderung eines Diabetes ist Calcium aber möglicherweise nicht notwendig.

Aber nicht jeder kennt seine Vitamin-D-Blutspiegel, die zudem häufig selbst bezahlt werden müssen. Liegt dann aber ein manifester Mangel (25(OH)D-Spiegel < 12 ng/ml) und eine diabetische Stoffwechsellage vor, zeigt sich aus einer aktuellen Studie4, dass mehr als 88 µg (> 3.200 IE) notwendig sein können, um einen positiven Effekt nachzuweisen.

Präparate mit erhöhter Dosis

Neben den frei käuflichen Vitamin-D-Produkten mit eher niedriger Dosierung gibt es zur Behandlung auch Präparate mit 100,000 IE/Dosis, die aber auf jeden Fall nur in die Hand eines Arztes gehören und nur unter strenger Spiegelkontrolle verabreicht werden dürfen. Darunter kann es nämlich bei falscher Anwendung sehr schnell zu Übelkeit oder gefährlichen Herzrhythmusstörungen kommen. Es existieren zudem Einzelfallberichte, die durch regelmäßige hohe Dosen zum Nierenversagen geführt haben. Bei Menschen mit einer entsprechenden Neigung kann es aber auch schon bei wesentlich geringeren Dosen zu Nierenverkalkungen und Nierensteinen kommen, was eine selbstständige Anwendung nicht komplikationslos macht.

Fazit

Vitamin D ist ein Vitamin mit potenter hormoneller Wirkung. Gerade in den kommenden Monaten mit geringer Sonnenintensität werden wir wieder mit der Diskussion um eine allgemeine Vitamin-D-Supplementierung konfrontiert sein. Ohne Kenntnis der aktuellen Blutspiegel sind nach derzeitiger Datenlage 800–1,000 IE pro Tag sicher anwendbar und im Rahmen der gängigen Ernährungsempfehlung. Höhere Dosen scheinen ebenfalls sicher, sollten aber nur als Kombinationspräparate mit Vitamin K2 und/oder Calcium und nicht in Unkenntnis der vorherrschenden 25(OH)D-Spiegel eingenommen werden. Auch bei Vorliegen bestimmter Krankheitsbilder wie beispielsweise Osteoporose sind im Rahmen der Therapie teilweise deutlich höhere Dosen notwendig, die in jedem Falle unter ärztlicher Kontrolle stehen sollten.

Literatur:

1 Siebenand S: Das Hormon der Streithähne. Pharmazeutische Zeitung 2012;6.

2 https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe222007/sonnenschutzmittel-bessere-deklaration-schuetzt-verbraucher/

3 L. Y. Matsuoka, J. Wortsman, J. G. Haddad, B. W. Hollis: In vivo threshold for cutaneous synthesis of vitamin D3. In: The Journal of Laboratory and Clinical Medicine. Band 114, Nr. 3, 1989, S. 301–305, PMID 2549141.

4 Mirhosseini N, Vatanparast H, Mazidi M et al.: Vitamin D supplementation, glycemic control, and insulin resistance in prediabetics: a meta-analysis. J Endocrin Soc. 2018; 2: 687–709. doi:10.1210/js.2017-00472.

Prof. Dr. med. Thomas Skurk - Professor für Ernährungsmedizin, Leitung des enable-Studienzentrums am EKFZ für Ernährungsmedizin und Core Facility Humanstudien am ZIEL Institute for Food and Health TUM München

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