Das Mikrobiom: - Das orale ­Mikrobiom

03.02.2020
Illustration: Lightspring/Shutterstock.com

Das humane orale Mikrobiom ist seit vielen Jahrzehnten Gegenstand von Untersuchungen.

Allerdings lassen sich nur ein Teil der Bakterien mit klassischen Kulturmedien vervielfältigen und bestimmen. Durch den Fortschritt in der 16S rRNA Sequenzierung und der Metagenome Shotgun Analytik ist hier ein großer Beitrag zur Aufklärung geleistet worden.1

Diversität ist gesund

Im Mundraum gibt es – wie im Darm – eine hohe Diversität von Bakterien und das ist auch gut so. Denn Vielfalt korreliert mit Gesundheit.2 Über 700 verschiedene bakterielle Spezies sind im oralen Mikrobiom vorhanden. Darunter gibt es immer ein paar auffällige und potenziell pathologische Bakterien. Diese sind für sich alleine genommen lediglich Kommensalen, das sind Organismen, die sich von der Nahrung eines (artfremden) Wirtsorganismus ernähren, ohne ihm dabei zu schaden. Sie können aber, wenn sich die äußeren Bedingungen verändern, plötzlich pathogen werden. Dabei beruht das pathogene Potential nicht ausschließlich auf Vermehrung der Anzahl der Individuen, sondern häufig auf viel subtileren Mechanismen. Reichern sich einige Individuen an, wie beispielsweise Porphyromonas gingivalis, beeinflussen sie mittels Sekretion von bestimmten Markern die Zusammensetzung des Biofilms. So ermöglichen sie anderen, stärker pathogenen Bakterien die Ansiedlung und führen dann gemeinsam zu massiven Entzündungen.3,4

Zähne und Schleimhäute

Anders als in anderen Biotopen sind im Mundraum viele sehr unterschiedliche Habitate vorhanden. Der wesentliche Unterschied besteht zwischen Zähnen und Schleimhäuten. Zähne bilden eine konstante, sich nicht verändernde Oberfläche, während Schleimhäute sich regelmäßig erneuern und „abschuppen“. Dabei bildet der Speichel einen integralen Bestandteil des Mundraumes.5 Durch den Speichelfluss werden alle Oberflächen im Mundraum umspült. Es bildet sich zudem eine dünne Schicht, der sogenannte Pellikül, der die Oberflächen belegt. Im Speichel finden sich wichtige Komponenten zur Gesunderhaltung des Mundraumes. Zunächst anorganische Puffersubstanzen, die den pH-Wert zwischen 6 und 7,5 halten, dann Mucine, Peptide und immunkompetente Substanzen. Der Speichel enthält weiter Enzyme, hilft beim Kauen der Nahrung und beim Schlucken. Durchschnittlich 0,6 Liter Speichel werden täglich produziert.

Adhesine aus dem Speichel gelten als initiale Kolonisatoren der verschiedenen Oberflächen. Je nach Umweltbedingungen und dem Vorhandensein unterschiedlicher Bakterien bleibt der Biofilm unauffällig oder wandelt sich zu einem dysbiotischen Film bis hin zu einem möglicherweise kanzerogenen Plaque.4 Begünstigt wird ein pathogener Plaque durch die Ernährung (Zucker und Säure) und schlechte Mundhygiene. Die Relevanz der Umweltbedingungen für die Anreicherung pathogener Spezies haben Naginyte et al. eindrucksvoll belegt.6

Erkrankungen im Mundraum

Die Zusammensetzung des oralen Mikrobioms ist nicht nur wichtig zur Gesunderhaltung von Zähnen und Zahnfleisch, sondern insgesamt für den Körper.7,8 Als wichtigste Erkrankungen des oralen Mikrobioms gelten sicherlich Karies und Parodontose.9,10

Die systemischen Auswirkungen von Erkrankungen im Mundraum sind dramatisch.9 Sie korrelieren positiv mit Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen und Fehlgeburten. Weiterhin sind Lungen- und Nierenerkrankungen sowie Schlaganfall und Krebs häufig assoziiert mit Parodontose.11 Auch ein Zusammenhang mit rheumatoider Arthritis und anderen Autoimmunerkrankungen wird diskutiert.12 Dafür spricht, dass sich das Krankheitsbild im Mundraum häufig bessert, wenn die systemische Erkrankung therapiert wird.

Gesunderhaltung des Mundes

Das orale Mikrobiom wird durch viele Faktoren beeinflusst. Dabei ist die genetische Prädisposition offenbar mitverantwortlich für das Entzündungsgeschehen. Belastbare Daten allerdings, die eine genetische Disposition für bestimmte Erkrankungen nahelegen, gibt es nicht, lediglich die Ethnizität lässt sich relativ sicher über die Zusammensetzung des oralen Mikrobioms bestimmen.14 Allerdings sind die Eigenschaften der Umgebung relevant für die Dysbiose des oralen Mikrobioms. Diese werden durch Ernährungsgewohnheiten, Lifestyle und Mundhygiene signifikant beeinflusst. Zuckerhaltige Lebensmittel und Rauchen sind als wichtige Einflussfaktoren schon lange bekannt. Aber auch Medikamente, die den Speichelfluss reduzieren, begünstigen Munderkrankungen. Dann kann es zu Superinfektionen mit Hefen kommen15 oder zu Aphten und Rhagaden.16 Umso wichtiger also sind Maßnahmen, die das orale Mikrobiom stärken und Entzündungen vermeiden. Offenbar nicht hilfreich sind Mundspülungen, die zunehmend in die Kritik geraten.17 Dagegen werden Vitamin C, D und Calcium empfohlen.9 Allem voran aber gilt regelmäßiges Zähneputzen immer noch als beste Prophylaxe, da es mechanisch den entstandenen Biofilm entfernt.3,9

Mandelentzündungen gelten dabei nicht als dysbiotischer Zustand des oralen Mikrobioms, da sie eine wichtige immunologische Aufgabe erfüllen und Antigene eliminieren, die mit der Nahrung und Luft in den Rachen gelangen.18

 1 Dewhirst FE, Chen T, Izard J, Paster BJ, Tanner ACR, Yu WH, Lakshmanan A, Wade WG: The Human Oral Microbiome, Journal of Bacteriology, 192 (19) 5002-5017 (2010); doi: 10.1128/JB.00542–10.


2 Marsh PD: Are dental diseases examples of ecological catastophes?, Microbiology 149 (2) 279–294 (2003).


3 Kilian M, Chapple ILC, Hannig, M, Marsh PD, Meuric V, Pedersen AML, Tonetti MS, Wade WG, Zaura E: The oral microbiome – an update for oral healthcare professionals, British Dental Journal, 221 (10) 657-666 (2016) ISSN 0007–0610.


4 Lamont R.J, Koo H, Hajishengallis, G: The oral microbiota: dynamic communities and host interactions. Nat Rev Microbiol 16, 745–759 (2018) doi:10.1038/ s41579-018-0089-x.


5 Lynge Pedersen AM, Belstrom D: The role of natural saliva defences in maintaining a healthy oral microbiota, Journal of Dentistry 80 Suppl.1, S3–S12 (2018). https://doi.org/10.1016/j.jdent.2018.08.010


 6 Naginyte M, Do T, Meade J, Devine DA, Marsh PD. Enrichment of periodontal pathogens from the biofilms of healthy adults. Sci Rep 9, 5491 (2019) doi:10.1038/ s41598-019-41882-y.


7 Lu M, Xuan S, Wang Z: Oral microbiota: A new view on body health, Food Science and Human Wellness 8 (1) 8–15 (2018). https://doi.org/10.1016/j. fshw.2018.12.001


8 Gao L, Xu T, Huang G, Jiang S, Gu Y, Chen F: Oral microbiomes: more and more importance in oral cavity and whole body, Protein Cell 9 (5) 488–500 (2018).


9 Chapple ILC, Bouchard P, Cagett, MG, Campus G, Carra MC, Cocco F, Nibali L, Hujoe, P, Laine ML, Lingström P, Manton DJ, Montero E, Pitts N, Rangé H, Schlueter N, Teughels W, Twetman S, Van Loveren C, Van der Weijden F, Vieira AR, Schulte AG: Interaction of lifestyle, behaviour or systemic diseases with dental caries and periodontal diseases: consensus report of group 2 of the joint EFP/ ORCA workshop on the boundaries between caries and periodontal diseases. J Clin Periodontol 44 (Suppl. 18): S39–S51 (2017). doi: 10.1111/jcpe.12685.


10 Wade WG: The oral microbiome in health and disease, Phamacological Research, 69 137–143 (2013). https://doi.org/10.1016/j.phrs.2012.11.006


11 Nazir MA. Prevalence of periodontal disease, its association with systemic diseases and prevention. Int J Health Sci (Qassim), 11 (2), 72–80 (2017).


12 Espina M, Gabarrini G, Harmsen HJM, Westra J, van Winkelhoff AJ, van Dijl JM: Talk to your gut: the oral-gut microbiome axis and its immunomodulatory role in the etiology of rheumatoid arthritis, FEMS Microbiology Reviews 43 (1) 1–18 (2019). https://doi.org/10.1093/femsre/fuy035


13 Kriebel K, Hieke, C, Müller-Hilke B, Nakata M, Kreikemeyer B: Oral Biofilms from Symbiotic to Pathogenic Interactions and Associated Disease – Connection of Periodontitis and Rheumatic Arthritis by Peptidylarginine Deiminase, Front. Microbiol. 9, (2018). https://doi.org/10.3389/fmicb.2018.00053


14 Mason MR, Nagaraja HN, Camerlengo T, Joshi V, Kumar PS: (2014) Correction: Deep Sequencing Identifies Ethnicity-Specific Bacterial Signatures in the Oral Microbiome. PLOS ONE 9 (6): e99933. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0099933


15 www.t-online.de/gesundheit/krankheiten-symptome/ id_71613874/mundkrankheiten-sieben-fiese-leiden-anzunge-mundschleimhaut-und-zahnfleisch.html


16 www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-152018/ erkrankungen-der-mundschleimhaut-von-aphthen- bisxerostomie


17 www.gesundheitsstadt-berlin.de/mundspuelungenkoennen-diabetes-beguenstigen-12471/


18 www.lecturio.de/magazin/ erkrankungen-mundhoehle-und-oropharynx/

Foto: Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu
Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu

Chemikerin mit langjähriger

Erfahrung in der kosmetischen Produktentwicklung, bloggt auf www.dejayu.de

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