Onkologie und Kosmetik

26.09.2018
Foto: Denys Kurbatov/Shutterstock.com

Die Verfahren und die Therapien der Onkologie sind so vielfältig wie die daraus resultierenden Hautbilder. Statische Anleitungen und Empfehlungen zu Treatments und Anwendungen sind daher kaum realistisch – der Hautzustand sollte jedes Mal aufs Neue geprüft und individuelle Produkt- und Wirkstoffempfehlungen entwickelt werden. Die Kosmetikerin hat im Rahmen der Hautpflegemaßnahmen einen besonderen Stellenwert. Für die Kundin ist die Behandlungszeit im Institut „Ich-Zeit“. Ein Moment, um sich etwas Gutes zu tun, Zeit, um abzuschalten und zu entspannen und um wohltuende Berührungen zuzulassen. Die besondere Herausforderung bei der Behandlung ergibt sich aus der Vielzahl der onkologischen Therapiemöglichkeiten, die sich als unterschiedliche Auswirkungen auf der Haut sowohl akut als auch als Spätfolge zeigen können.

Hautbedürfnisse

Die bewährten onkologischen Therapien – die Chemo-, die Strahlen- und die Immuntherapie sowie operative Eingriffe – führen als Nebenwirkung zu jeweils sehr differenzierten Hautveränderungen und Hautbedürfnissen. Während die Strahlentherapie eine lokale Schädigung der Haut bedingt, verändert sich im Rahmen der systemisch wirkenden Chemotherapie häufig das gesamte Hautbild von Kopf bis Fuß.

Die in der Chemotherapie eingesetzten Zytostatika wirken im Körper als eine Art „Zellstopper“, behindern die Zellteilung und führen zum programmierten Zelltod (Apoptose). Der nicht selektive Ansatz der Therapeutika hat zur Folge, dass auch die Zellteilungs- und Hauterneuerungsprozesse in der Epidermis und Dermis gedrosselt werden. Auch die Talgdrüsenfunktion wird stark beeinträchtigt. Die Folge ist ein sebostatisches, sehr lipidarmes Hautbild, das sich durch Rauigkeit auszeichnet. Durch die Schwächung des Immunsystems erhöht sich außerdem das Infektionsrisiko der Haut, wodurch Herpesinfektionen und Mykosen (Pilzerkrankungen) an Haut und Nägeln viel schneller entstehen.

Eine besondere Herausforderung ergibt sich aus dem sogenannten Hand- und Fußsyndrom, welches ebenfalls eine Nebenwirkung der Zytostatiktherapie ist. Speziell die Hände und Füße weisen schmerzhafte Erytheme (Rötungen), Schwellungen und Rhagaden (Risse) an den Handinnenflächen und Fußsohlen auf. Die betroffenen Areale können schuppen, Taubheitsgefühle und Sensibilitätsstörungen können die Hautveränderungen begleiten.

Die Strahlentherapie erfolgt häufig perkutan (durch die Haut), sodass die Haut als Durchgangsorgan genutzt wird oder auch auf Streustrahlung aus dem Körperinneren reagiert. Die Strahlung löst in der Zelle eine biochemische Reaktion aus. Es entstehen aggressive Sauerstoffmoleküle, die die Erbsubstanz in den Zellen angreifen. Die Zelle wird so vom Körper als geschädigt erkannt und aufgelöst. Als Folge dieser Therapie ergeben sich eine verzögerte Neubildung basaler Epidermiszellen, DNA-Schäden sowie eine lokale Schädigung der Hautbarriere. Die Haut ist gerötet, irritiert, Wärmegefühl und Juckreiz gehören zu den sensorischen Veränderungen. Die Haut ist außerdem sehr UV-empfindlich und neigt schnell zu Hyperpigmentierungen.

Keine Experimente

Eine gut verträgliche Basispflege, die während der Therapiezeit angewendet wird, ist die Voraussetzung zur Gesunderhaltung der Haut. Häufig sind die bisher von den Kunden verwendeten Produkte nicht mehr ausreichend, sodass eine Pflegeumstellung notwendig ist. Experimente bei der Produktauswahl können dann schnell dazu führen, dass die Haut überfordert ist und sich der Kunde inmitten ständig wechselnder Produktempfehlungen nicht mehr zurechtfindet. Halten Sie das Pflegekonzept daher so einfach wie möglich. Setzen Sie bei der Produktauswahl außerdem auf absolute Verträglichkeit. Dies gilt für Konservierungsstoffe, Emulgatoren sowie für die zielführenden Wirkstoffe.

Gerüche, die normalerweise als angenehm und gut verträglich empfunden wurden, können plötzlich als unangenehm wahrgenommen werden. Die Produktauswahl sollte daher auf parfümfreie oder mild parfümierte Produkte eingegrenzt werden. Verzichten Sie auf Duftstoffmixe und deklarationspflichtige Duftstoffe, denn diese haben ein hohes Allergiepotenzial. Gleiches gilt für Duftlampen, ätherische Öle und Kerzen, die in der Kabine verwendet werden.

Die Treatments sollten manuell durchgeführt werden. Verzichten Sie auf anregende Massagegriffe und apparative Verfahren, die lymphableitend oder -anregend wirken. Für die Massage eignen sich klassische Effleuragegriffe oder Pinselmassagen.

Sechs Stunden vor und nach der Bestrahlung sollten die betroffenen Areale nicht gereinigt oder gepflegt werden. Die eingezeichneten Planlinien müssen unbedingt erhalten bleiben.

Wirkstoffe

Pflanzliche Extrakte in aufgereinigter Form überzeugen durch ihre Verträglichkeit (z.B. Bisabolol statt Kamille), hautverwandte Inhaltsstoffe minimieren außerdem das Irritationspotential. Während die durch die Strahlentherapie beanspruchte Haut soweit wie möglich ohne Wasser und beispielsweise mit einem Tonic oder Thermalspray gereinigt werden sollte, eignen sich für die Hautreinigung während der Chemotherapie seifenfreie Waschlotionen mit einer rückfettenden Wirkung.

Feuchtigkeitsbindende Inhaltsstoffe wie Urea und Hyaluronsäure eignen sich bei trockener, feuchtigkeitsarmer Haut. Vor allem Urea kann in unterschiedlichen Konzentrationen für verschiedene Hautbedürfnisse verwendet und hoch konzentriert (40 Prozent) in sogenannten Schrundencremes zur Keratolyse (Ablösung von Hornzellen) von Hyperkeratosen (Überverhornungen) eingesetzt werden, die sich als Begleiterscheinung der Chemotherapie zeigen.

Hautidentische Bestandteile, z.B. Kohlenhydrate als Teil des Natural Moisturizing Factors (NMF), binden aktiv Feuchtigkeit in der Haut. Silberverbindungen in reichhaltigen Formulierungen stärken die Mikroflora der Haut im Rahmen der Chemotherapie. Polidocanol sowie Gerbstoffe haben juckreizstillende Eigenschaften und haben sich vor allem bei der durch Strahlentherapie geschädigten Haut bewährt. Antioxidanzien wie Vitamin E, Ectoin oder Grüner Tee können die oxidativen Zellschäden, die durch die Radiotherapie entstehen, ausgleichen und das antioxidative Schutzsystem stärken. Ein täglicher, hoher UV-A- und UV-B-Breitbandschutz unterstützt die durch die Strahlentherapie erhöhte Photosensibilität und beugt der Entstehung von Hyperpigmentierungen vor.

Amphiphile Formulierungen, die den Säureschutzmantel der Haut nachahmen und so barrierestärkende Eigenschaften haben, eignen sich als Basispflege während der Chemotherapie. Geeignet sind auch reichhaltige Wasser-in-Öl-Formulierungen, während bei Strahlentherapie auf klassische Öl-in-Wasser-Emulsionen gesetzt werden sollte. PH-Wert-eingestellte Produkte stärken außerdem den Säureschutzmantel und unterstützen die Hautregeneration.

Tipps für Die Behandlung

Achten Sie während der Behandlung auf weiche, sich anschmiegende Arbeitsmaterialien, die sich ohne mechanischen Reiz auf der Haut anwenden lassen (z.B. unbedruckte Baumwollwindeln als Kompressenersatz oder Waschlappen aus weicher Mikrofaser oder aus Teddystoff).

Die individuelle Situation und der Hautzustand bestimmen die Hautpflegemaßnahmen, denn jede Haut ist anders. Eine wichtige Voraussetzung für die schnelle Wiederherstellung der Hautgesundheit ist die konsequente Hautpflege von Beginn der Therapie an.

Anna Tersteeg - Die Autorin ist studierte Kosmetologin und staatlich geprüfte Kosmetikerin. Sie ist seit 2014 bei Aesthetico (Medicos Kosmetik) tätig – zunächst als Produktmanagerin; seit 2016 leitet sie den Bereich Seminare und Schulungen der Institutsmarke.

Mehr zu den Themen:

Das könnte Sie auch interessieren

Mehr aus der Rubrik Pflegende Kosmetik