Wiederherstellungschirurgie des Gesichtes

30.08.2013

Bei Operationen im Gesicht ist für die Betroffenen, wie an keiner anderen Körperstelle sonst, das ästhetische Ergebnis wichtig. Lesen Sie, welche Ergebnisse eine Revision kleiner wie großer Defekte erzielen kann und welche Rolle die psychische Situation spielt, in der sich der Patient befindet.

Revisionsoperationen der Nase und im Gesicht sind ein besonders anspruchsvolles Gebiet der ästhetischen Gesichtschirurgie. Oft sind es gar nicht die ganz großen Probleme, die der Revision bedürfen, sondern kleine Beanstandungen der Patienten, die den Operateur herausfordern. Je kleiner das morphologische Problem ist, desto größer ist oft der ästhetische Anspruch der Patienten. Dadurch relativiert sich die Differenzierung in sogenannte kleine und große Korrekturen. Während wir es vor zehn Jahren beispielsweise auf dem Gebiet der Rhinoplastikmit ca. 5–15 Prozent Revisionsoperationen zu tun hatten, so hat sich der Anteil voroperierter Patienten in unserer Sprechstunde deutlich erhöht. Das folgende Fallbeispiel zeigt eine zur Zeit der Behandlung 19-jährige Patientin acht Monate nach einer funktionell-ästhetischen Septorhinoplastik mit Abtragung eines Nasenhöckers. Sie beklagte eine Stufe im Bereich der knöchernen Nasenpyramide links.

Onkologie & Ästhetik

Besondere Bedeutung haben Revisionsoperationen nach onkologischen Operationen im Gesicht. Die operative Therapie der Primäroperation muss drei wichtigen Prinzipien genügen:

  • der Radikalität,
  • der bestmöglichen Funktionalität und
  • dem Optimum an Ästhetik.

Die Radikalität beschreibt die vollständige Entfernung einer bösartigen Geschwulst. Um dieses Prinzip im Gesicht zu gewährleisten, ohne dabei gleichzeitig den Sicherheitsabstand im Gesunden übermäßig zu dimensionieren, hat sich das Prinzip der histographischen Resektion bewährt. Hierbei wird ein nur ein Millimeter breiter 360°-kreisförmiger Randschnitt um den Resektionsrand geschlagen. Für einige Hauttumoren wie etwa das sklerodermiforme Basaliom ist typisch, dass der Tumor sich unterhalb der Epidermis – bis ins Corium – weiter ausbreitet, als es der oberflächliche Defekt vermuten lässt. Insofern sind größere Wunden unvermeidbar. Die Funktionalität spielt bei Resektionen in der Lid-, der Naseneingangs- und der Perioralregion eine besondere Rolle. Hier sind die Resektionen in die Spannungslinien der Haut – die Relaxed Skin Tension Lines – zu legen und die Aesthetic Units und Subunits zu respektieren. Bei der Planung der Defektdeckung durch Regionallappen gilt es jeden Zug auf die Lider, die Nasen- und Lippenregion durch den Lappen zu vermeiden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Letztere einer postoperativen Schrumpfung unterliegen. Die Ästhetik: Im Gesicht ist es obligatorisch von vornherein das maximal erreichbare ästhetische Resultat anzustreben. Hierzu gehört es, umfassend abzuwägen, welche Rekonstruktionsvariante sich aus dem Kanon aller Möglichkeiten der rekonstruktiven Chirurgie in der konkreten Situation am besten eignet. Wichtig ist: Der Lappen sollte möglichst sicher sein, richtig dimensioniert werden und in der Hauttextur zur Defektregion passen. Es gilt der alte Merksatz von Sir Harold Gillies: „Replace like with like“.

Hauttransplantate

Eine besondere Form des freien Gewebetransfers stellt das „Composite Graft“ dar. Hierbei lassen sich gleich mehrere Gewebetypen in einem Transplantat ersetzen. Besonders geeignet ist dieses Transplantat für den Bereich der Nasenflügel. Wichtig ist eine passgenaue Dimensionierung und penible Fixierung, denn anders als ein freies Hauttransplantat wird es nur über den schmalen Defektrand versorgt. Die Rekonstruktion von Defekten im Gesicht kann mit „Axial Pattern Flaps“ oder „Random Pattern Flaps“ erfolgen. Erstere besitzen eine diffuse Versorgung, Letztere ein zentrales Gefäß. Die Länge des Hautlappens ohne zentrale Gefäßversorgung wird im Gesicht mit einem Breite- Längen-Verhältnis von 1:3 angegeben. Mit „Axial Pattern Grafts“ sind weitere Distanzen und Lappenlängen möglich. „Arbeitspferde“ in der rekonstruktiven Gesichtschirurgie sind die regionalen Lappen, wie etwa der „Bilobed Flap“. Sehr elegant sind im Gesicht auch die sogenannten Insellappen, die durch Untertunnelung der Haut bei erhaltener Gefäßversorgung verlegt werden. Bei größeren Defekten – beispielsweise nach Abtragung der gesamten Nase – können freie gefäßgestielte Transplantate Anwendung finden. Hierbei erfolgt die Entnahme eines Haut-Muskel-Transplantats mit einer Vene und einer Arterie. Über Mikrogefäßanastomosen wird das Transplantat dann in der Defektregion meist an Äste der Arteria und der Vena facialis anastomosiert. Eine alternative bzw. oft auch simultane Ergänzung zur vollständigen Rekonstruktion von großen oder vollständigen Defekten der Nase ist der paramediane Stirnlappen. Heute werden bei größeren Tumoren ganze sogenannte ästhetische Einheiten reseziert und dann plastisch rekonstruiert. Aus ästhetischen Gründen ist dies vorteilhaft. Ausstrahlung erhält das Gesicht durch das Zusammenspiel der mimischen Muskulatur. Haut und Muskulatur sind durch das SMAS (Superficial Musculoaponeurotic System) und innere und äußere Bänder verbunden. Größere Lappen beeinflussen die mimische Ausdrucksfähigkeit, können sie stören oder sogar zerstören. Dabei gestatten regionale Lappenplastiken, wie etwa Verschiebe-, Rotationslappen oder Bilobed Flaps in der Regel bessere funktionelle Resultate als Fernlappen. Eine unauffällige Hauttextur und Hautdurchblutung, die sich möglichst nicht von der regionalen Umgebung unterscheidet, vermeidet das Stigma eines erkennbar operierten Gesichtes und ermöglicht auch vegetative Reaktionen der Gesichtshaut wie etwa Blässe, Erröten oder Schwitzen.

Das Gefühl, entstellt zu sein

In den letzten Jahren sehen wir eine besondere Gruppe von Patienten, bei denen nach onkologischen Kriterien ein maligner Hauttumor im Gesicht entfernt wurde, die jedoch unter einem als suboptimal erlebten ästhetischen Ergebnis leiden. Einige fühlen sich entstellt, werden depressiv und isolieren sich sozial zunehmend. Obwohl ein vital bedrohlicher maligner Tumor bei diesen Patienten erfolgreich überwunden wurde, kann das Gefühl, entstellt zu sein, die Freude über den Behandlungserfolg vollständig dominieren. Je länger und intensiver der Zustand dieser Enttäuschung besteht bzw. erlebt wird, umso stärker können sich psychische Probleme manifestieren. Insofern muss der Operateur beurteilen, ob der Wunsch einer Revisionsoperation ausgehend vom organischen Befund nachvollziehbar ist. Das heißt, ob allein ein solcher Eingriff die psychische Situation bessern kann. In Einzelfällen ist eine psychologische Mitbehandlung ratsam, auch wenn ein deutliches Potenzial einer Befundverbesserung durch eine Revisionsoperation erkennbar ist. In diesem Zusammenhang spielen reaktive Störungen und Anpassungsstörungen eine große Rolle. Bei objektivierbarer Entstellung im Gesicht liegen oft reaktive psychische Störungen vor. Diese können als akute Belastungsreaktion oder später als posttraumatische Belastungsstörung auftreten. Besteht ohnehin eine psychische Vulnerabilität, kann eine Anpassungsstörung infolge einer Überforderung oder aufgrund der Belastungen durch die Krankheit bzw. durch die Entstellung entstehen, die ausreichend verarbeitet oder bewältigt werden muss. Wegen der Schwere des zugrunde liegenden organischen Befundes ergibt sich eine klare Indikation für eine plastisch-rekonstruktive oder ästhetische Operation. Diese kann die psychische Symptomatik durchaus heilen oder bessern. Steht die psychische Störung jedoch bereits im Vordergrund, kann auch eine erfolgreiche Operation nicht verhindern, dass der Patient psychisch entgleist. Vor allem dann, wenn er seine seelische Belastung auf den körperlichen Defekt projiziert und gleichzeitig seine psychischen Störungen damit erklärt.

Psychische Situation genau prüfen

Bei sozialen Phobien kommt es zu Angstreaktionen, die sich um die Furcht vor den prüfenden Blicken der anderen zentrieren. Solche Patienten meiden verschiedene soziale Situationen, es kommt zu psychosozialer Isolierung und Beziehungsstörungen. Primär soziale Phobien ohne körperliche Auffälligkeiten gehen meist mit einem niedrigen Selbstwertgefühl einher. Sie können der Grund für einen Operationswunsch sein. Bei mehr als zehn Prozent der Patienten mit Soziophobie bestehen körperdysmorphe Störungen. Hier ist von einer Operation abzuraten. Eine körperdysmorphe Störung ist eine absolute Kontraindikation für ästhetische Operationen im Gesicht. Der Begriff Dysmorphophobie stammt vom altgriechischen Wort „Dysmorphia“ (Hässlichkeit) ab, das bereits Herodot in einer Legende von einem hässlichen Mädchen verwendet. Das zentrale Merkmal ist, dass sich die Patienten übermäßig mit einem Mangel oder einer körperlichen Entstellung beschäftigen. Diese sind entweder sehr gering ausgeprägt oder überhaupt nicht vorhanden und erklären den Leidensdruck also nicht. Eine Operation wird mit dem Ziel angestrebt, das psychische Gleichgewicht wiederherzustellen. Doch das kann auch durch eine erfolgreiche Operation nicht gelingen. Im Gegenteil: Der Patient erlebt das positive Resultat als misslungen, weil er andere Erwartungen daran geknüpft hat. Neben einer genauen Anamnese gibt es Screeninginstrumente, wie etwa das Body Dysmorphic Disorder Diagnostic Module (BDDDM), einem Interview mit 12 Items, oder eine Ratingskala, mit der die Entstellung eingeschätzt werden kann. Die Patienten benötigen je nach Schwere der Störung eine psychotherapeutische Behandlung. Voraussetzung der Revisionsoperation ist eine Befundanalyse, insbesondere des bei der Erstoperation verwendeten Lappens. Dabei ist zu entscheiden, ob es ausreicht, den ursprünglichen Lappen zu modifizieren, oder ob eine neue Deckung sinnvoll ist, will man ein besseres ästhetisches Ergebnis erzielen. In den gezeigten Fällen gelang es durch ein Heben der Lappen, eine Ausdünnung bzw. eine Modifikation und Fixation mit dünnen resorbierbaren Nähten, die Ausgangssituation zu verbessern.

Prof. Dr. H. Behrbohm, Chefarzt der Abteilung für HNO/Plastische Operationen in der Park-Klinik Weißensee (akademisches Lehrkrankenhaus der Charité), Berlin

Foto: sheff/Shutterstock.com

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