Fuß- und Zehendeformationen: Jeder Fuß ist anders

23.01.2019
Foto: Lehrbuch und Bildatlas für die Podologie von Dr. Norbert Scholz

Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen hat Probleme mit den Füßen. Das bedeutet, dass jeder zweite Kunde in einer Fußpflegpraxis Deformationen an den Füßen beziehungsweise Zehen aufweist. Daraus resultieren zum Beispiel übermäßige Hornhaut, Schwielen oder Hühneraugen. Für den Fußpfleger ist daher wichtig, auch die orthopädischen Probleme zu erkennen, auch wenn die Fehlstellung durch einen Arzt behandelt werden sollte.

Über 100 Bänder, 33 Gelenke, 26 Knochen und 20 Muskeln bestimmen die Anatomie und Funktion des menschlichen Fußes. Eine einzigartige Konstruktion aus einem Längsgewölbe unter dem Mittelfuß und einem Quergewölbe unter dem Vorfuß verleiht dem Fuß die Stabilität, Flexibilität und Tragfähigkeit. Ein besonders dichtes Netz aus Nervenenden sorgt für die außergewöhnliche Sensibilität der Füße.

Im Laufe eines Lebens werden die Füße stark beansprucht: Sie fangen das volle Körpergewicht ab, je nach Bewegungsform sogar das Vielfache, und tragen den Menschen etwa viermal um die Erde. Dabei werden die Füße oft in falsches Schuhwerk gepresst und bei der Pflege vergessen. Das Resultat: Während 98 Prozent der Menschen mit gesunden Füßen auf die Welt kommen, leiden im Erwachsenenalter über 60 Prozent unter anatomischen Fußproblemen. Es wird unterschieden in Deformationen, die den ganzen Fuß und solchen, die „nur“ die Zehen betreffen. Der Hauptgrund für die meisten Fehlstellungen ist falsches Schuhwerk. Durch die Brandsohlenform, zu hohe Absätze und falsche Schuhgrößen werden die Füße in eine unnatürliche Form gepresst. Wer unter einer angeborenen Fuß- oder Zehenfehlstellung leidet oder die Veranlagung dazu hat, bei dem verstärkt eine falsche Schuhwahl schnell das Problem.

Fußfehlstellungen

Fußfehlstellungen werden dadurch verursacht, dass die Fußstellung von der normalen Fußachse abweicht, die Fußgewölbe oder die Muskulatur verändert sind. Oftmals treten diese Probleme nicht isoliert, sondern gleichzeitig auf (z. B. beim Knick-Senkfuß) oder bedingen einander.

Die Mittelfußköpfchen bilden das Quergewölbe unter dem Vorfuß aus. Senkt sich dieses Gewölbe ab, berühren die Köpfchen auch ohne Belastung den Boden. Dadurch streben die Zehen auseinander, und man spricht von einem Spreizfuß (Pes transversoplanus). Die Ursache sind Schuhe mit zu hohen Absätzen oder Übergewicht, da dadurch der Vorderfußbereich übermäßig belastet wird. Eine typische Begleiterkrankung ist die Metatarsalgie (Vorfußschmerzen). Die veränderte und erhöhte Druckbelastung im Bereich der Ballen führt zu einer entzündlichen Schwielenbildung, die Schmerzen verursacht. Zudem begünstigt ein Spreizfuß die Ausbildung eines Hallux valgus oder Schneiderballens.

Bei dem weit verbreiteten Knick-Senkfuß (Pes planovalgus) weicht hingegen zunächst das Fersenbein nach innen (lateral) von der normalen Fußachse ab und bedingt, dass sich das Längsgewölbe nach unten senkt. Bei vielen Patienten verläuft dieser Prozess meist recht schmerzfrei, sodass eine solche Fehlstellung nicht ausreichend behandelt wird. So kann das Längsgewölbe vollständig einbrechen. Dann berührt die ganze Fußsohle den Boden. Ein Plattfuß (Pes planus) ist entstanden. Ein solcher Fuß neigt zur verstärkten Hornhaut- oder Schwielenbildung unter dem Fuß und zu Druckstellen an herausstehenden Knochen oder Gelenken.

Während ein erworbener Plattfuß oft zu sehen ist, ist der angeborene Plattfuß sehr selten. Das Längsgewölbe ist dabei nach unten durchgebogen, wodurch Ferse und Vorfuß nach oben gerichtet werden. Man spricht daher auch von einem Schaukeloder Tintenlöscherfuß.

In Bezug auf das Längsgewölbe ist der Hohlfuß (Pes excavatus) das Gegenteil des Plattfußes. Fersenbein und Mittelfußknochen stehen dabei steiler zueinander als bei einem gesunden Fuß, sodass das Längsgewölbe sehr stark ausgeprägt ist. Es wird unterschieden in Ballen- und Hackenhohlfuß, je nachdem, ob der Ballen oder die Ferse stärker belastet wird. Der Grund für einen Ballenhohlfuß ist in den meisten Fällen Veranlagung wie die Charcot-MarieTooth-Krankheit (2–4 von 10.000 Einwohnern sind betroffen) oder Veränderungen der Fußmuskulatur. Der Hackenhohlfuß, auch Chinesinnenfuß genannt, ist meist die Folge einer Polio-Erkrankung. Oft gehen mit dem Pes excavatus Krallenzehen einher. Patienten mit einem Hohlfuß leiden oft an eingewachsenen Nägeln und Druckstellen auf dem Fußrücken sowie übermäßiger Hornhaut am Ballen und Ferse, woraus schmerzhafte Hühneraugen entstehen können.

Spitz-, Hacken-, Sichel- und Klumpfuß sind oftmals angeboren und durch eine muskuläre Veränderung gekennzeichnet. Beim Spitzfuß (Pes equinus) sind die Muskeln betroffen, die den Fuß und die Zehen strecken. Sie sind geschwächt oder gelähmt, und so bleibt der Fuß in einer gestreckten Stellung. Dadurch kann der Patient nur auf dem Ballen gehen. Diese einseitige Belastung führt zu Blasen und Schwielen unter dem Vorfuß.

Der Hackenfuß (Pes calaneus) ist das Gegenteil vom Spitzfuß und entsteht vor allem durch eine vorgeburtliche Zwangshaltung. Seltener ist die Ursache, dass der Wadenmuskel, der den Fuß senkt, nicht mehr durch den entsprechenden Nerv gesteuert wird. Der Pes calaneus geht mit starken Schmerzen und Schwielenbildung im Fersenbereich einher.

Ein Patient mit Sichelfuß (Pes adductus) hingegen leidet kaum unter Schmerzen. Der Pes adductus ähnelt einem Plattfuß, bei dem zudem der Mittelfuß und die Zehen medial (nach innen) abweichen. Dadurch ergeben sich typische Probleme wie Hühneraugen im Bereich des Kleinzehengelenks, Schwielen unter dem Vorfuß sowie an der Großzehe.

Die Ursache für den Klumpfuß (Pes equinovarus) ist eine verkürzte Achillessehne sowie eine geschrumpfte Wadenmuskulatur. Die Folge ist eine Kombination aus Spitz-, Hohl- und Sichelfußstellung, die zu dem typischen Aussehen führt. Etwa eines von 1.000 Kindern wird mit einem Klumpfuß geboren. Jungen sind dabei doppelt so oft betroffen wie Mädchen. Mit korrigierenden Gipsverbänden und Schienen, gegebenenfalls auch durch Operationen, kann diese Fehlstellung korrigiert werden. Der Pes equinovarus muss jedoch ein Leben lang behandelt werden, damit er sich nicht zurückbildet. Erste Anzeichen sind dabei Schwielen- und Hühneraugenbildung an den fehlbelasteten Stellen, insbesondere der Fußaußenkante.

Zehenfehlstellungen

Die bekannteste Zehendeformation ist der Hallux valgus. Die Hauptursache ist der Spreizfuß. Durch das abgesenkte Quergewölbe ist der Vorfuß geschwächt. Wird darauf seitlicher Druck (v. a. durch Schuhe) ausgeübt, weicht der große Zeh lateral (zur Fußmitte hin) aus. Dadurch wird das Gelenk punktuell belastet, was oft zur Folge hat, dass sich der Schleimbeutel entzündet, und es kommt zu einer Schwellung im Gelenkbereich. Wird dieser fehlerhaften Position nicht rechtzeitig entgegengewirkt, verkürzen sich die Bänder und Muskeln der Großzehe, und die Fehlstellung versteift. Hallux-valgus-Patienten leiden meist unter Hühneraugen, Druckstellen und Schwielen an der exponierten Stelle des Großgelenks sowie zwischen den Zehen.

Eine ähnliche Deformation ist auch im Bereich des kleinen Zehs möglich. Ist die fünfte Zehe übermäßig in Richtung seines „Nachbarns“ angewinkelt, spricht man von einem Schneiderballen (Bunionette). Verdreht sich der kleine Zeh zudem, liegt ein Digitus quintus varus vor. Dabei bildet sich meist eine schmerzhafte Schwiele auf dem Gelenk oder Hühneraugen zwischen den Zehen. Den Namen hat diese Zehendeformation übrigens daher, dass früher vor allem Schneider aufgrund ihrer Sitzposition diese Beschwerden hatten.

Bei einem Hallux rigidus ist ebenfalls der Großzeh betroffen. Aufgrund einer Arthrose im Grundgelenk kann der Zeh nicht mehr oder nur unter starken Schmerzen nach oben (dorsal) bewegt werden. Mit der Zeit bildet sich ein Höcker über dem Gelenk, auf dem Schwielen entstehen. Insbesondere bei Überlänge der Großzehe kann sich aus dieser Fehlstellung ein Hallux flexus bilden. Drückt der Schuh von vorn auf den Zeh, weicht dieser in eine Krallenzehenposition aus. Hühneraugen auf der Zehenkuppe sowie ein eingewachsener Nagel sind die Folgen.

Bei Hammer- und Krallenzehen sind die Muskeln verkürzt, die die Zehen beugen und strecken. Dadurch werden die Zehen angehoben und im Grundgelenk nach oben überstreckt. Bei Hammerzehen (Hallux malleus) ist dies sehr stark ausgeprägt. Zudem werden die Zehen im zweiten Gelenk übermäßig gebeugt, sodass die Zehenkuppen den Boden berühren. Bei Krallenzehen ist dies nicht der Fall. Beide Zehendeformationen sind meist die Folge von Platt-, Hohl- oder Spreizfüßen. Auch treten sie häufig bei peripheren Polyneuropathien auf, insbesondere beim diabetischen Fuß. Häufige Begleitprobleme bei Hammer- und Krallenzehen sind eingewachsene Nägel, Schwielen und Hühneraugen auf den Zehen sowie Fußpilz in den Hautfalten der Zehen.

Angeborene und meist beschwerdefreie Zehendeformationen sind zum Beispiel die Syndaktylie und der Lockenzeh. Bei der Syndaktylie sind Zehen miteinander verwachsen – genau genommen sind sie bei der Entwicklung nicht getrennt worden. Dies betrifft entweder die Haut, die Knochen oder beides. Eine besondere Form der Syndaktylie ist die Symbrachdaktylie. Dabei sind die Zehen nicht nur miteinander verwachsen, sondern auch verkürzt. Verdreht sich durch eine erhöhte Spannung der Beugesehnen der Zeh, spricht man vom Locken- oder Varuszeh. Meist sind nur einzelne Zehen betroffen. Durch die anormale Stellung kann es zu Schwielen am entsprechenden Zeh kommen.

Was sonst noch schmerzt

Eine Folge von Überbeanspruchung ist der Fersensporn (Exostose). Durch punktuellen Druck auf das Fersenbein bildet sich eine dornartige Verknöcherung. Dies führt zu stark stechenden Schmerzen besonders beim Laufen und zu übermäßiger Hornhaut unter der Ferse.

Probleme im Schuh kann auch das Haglund-Syndrom bereiten. Darunter versteht man eine Schleimbeutelentzündung an der Ferse, die durch eine knöcherne Verstärkung der Ferse (ähnlich wie beim Fersensporn) verursacht wird. Schmerzhaft wird dies besonders, wenn der Schuh darauf drückt. Zudem können sich leicht Blasen und Schwielen an der Ferse bilden.

Beim dorsalen Fußhöcker kommt es zur Verdickung eines Gelenkes auf dem Fußrücken – meist infolge eines Platt- oder Hohlfußes, bei älteren Menschen ist der Höcker oft ein Anzeichen für Arthrose. Schmerzhaft wird es, wenn der Schuh darauf drückt oder eine Blase durch die Reibung entsteht.

Ein Überbein (Ganglion) ist am Fuß eher selten. Es entsteht bei extremen, immer wiederkehrenden und monotonen Belastungen eines Gelenks. Dabei handelt es sich um eine gutartige Geschwulstbildung im Bereich der Gelenkkapsel. Übt die Geschwulst Druck auf Muskeln oder Nerven aus, sind heftige Schmerzen die Folge. Die Verdickung führt zu Druckstellen.

Abhilfe

Sicherlich kommen immer wieder Kunden mit typischen Fußschmerzen oder anderen Symptomen, die auf eines der beschriebenen anatomischen Probleme schließen lassen, zu Ihnen in die Fußpflegepraxis. Und auch wenn Sie die Ursache selbst nicht behandeln können, so können Sie einen entscheidenden Beitrag zur Linderung der Symptome leisten. Das Entfernen eines Hühnerauges, die Versorgung eines eingewachsenen Zehennagels oder das Abtragen übermäßiger Hornhaut gehören zum Alltag eines Fußpflegers. Doch auch darüber hinaus können Sie Ihren Kunden das „Gehen und Stehen“ erleichtern: Versorgen Sie den Fuß nach der Behandlung mit geeigneten Druckschutz-Artikeln für die Zeit bis zum nächsten Termin bei Ihnen beziehungsweise beim Arzt. Dies ersetzt zwar keinen Besuch beim Orthopäden, mindert aber das Risiko, dass die Beschwerden allzu schnell wiederkehren.

Hilfe bei fast jedem „Druckproblem“ bieten verschiedene Artikel aus Polymer-Gel. Viele Produkte sind in unterschiedlichen Größen erhältlich und können so optimal auf die Gegebenheiten am Fuß abgestimmt werden. Und auch das besondere Material gewährleistet eine optimale Anpassung an den Fuß ohne Reibung oder zusätzlichen Druck.

Polymer-Gel ist besonders elastisch sowie extrem dehn- und formbar.

Die typischen Schmerzen bei Hallux valgus entstehen unter anderem durch die engstehenden Zehen. Zur Entlastung und sanften Korrektur insbesondere der kleinen Zehen ist der Zehenteiler geeignet. Zudem sollte bei Hallux valgus der Großzehenballen entlastet werden.

Wurde am Zeh beispielsweise ein Hühnerauge oder eine Warze entfernt, sollte der behandelte Bereich geschont werden. So kann er besser abheilen.

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