
Wenn du deine Produkte auch online anbietest, betrifft dich ab Juni 2025 ein neues Gesetz: Digitale Angebote sollen ab dann laut Barrierefreiheitsstärkungsgesetz barrierefrei sein. Musst du nun deinen Online-Shop umbauen? Und welche Maßnahmen sind erforderlich? Zunächst eine gute Nachricht: Als Inhaberin oder Inhaber eines kleinen Kosmetikstudios mit weniger als zehn Mitarbeitenden bist du in der Regel nicht gesetzlich verpflichtet, deinen Shop barrierefrei zu gestalten. In diesem Beitrag erfährst du, wer genau betroffen ist und welche Ausnahmen gelten. Und warum es sich trotzdem lohnt, jetzt aktiv zu werden.
Warum Barrierefreiheit im Online-Shop wichtig ist
Barrierefreiheit bedeutet: Jeder Mensch kann deine Website bedienen, auch mit Einschränkungen. Das betrifft zum Beispiel:
- Sehbehinderte Personen, die einen Screenreader nutzen
- Gehörlose Nutzer, die auf Untertitel angewiesen sind
- Menschen mit motorischen Einschränkungen, die keine Maus bedienen können
- Kognitiv beeinträchtigte Personen, die einfache Strukturen brauchen
Außerdem verbessert Barrierefreiheit die Nutzerfreundlichkeit insgesamt und wirkt sich damit positiv auf dein Google-Ranking aus. Ein barrierefreier Webauftritt ist damit auch SEO (Suchmaschinenoptimierung).
Hintergrund: BFSG und EU-Richtlinie
Die Grundlage dieser Vorgaben ist die EU-Richtlinie 2019/882. Sie verpflichtet alle Mitgliedsländer, digitale Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zur Verfügung zu stellen. In Deutschland wurde dies mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt. Konkret gilt das Gesetz ab dem 28. Juni 2025. Es richtet sich an alle Angebote für Verbraucher, also auch an Online-Shops, in denen Kundinnen und Kunden direkt bestellen können. Besonders wichtig: Kernfunktionen wie Login, Registrierung und Bezahlvorgang müssen vollständig barrierefrei sein. Die technischen Anforderungen orientieren sich an internationalen Standards, vor allem den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1.
Was sind die WCAG 2.1?
Die Web Content Accessibility Guidelines definieren Standards für digitale Barrierefreiheit. Sie beruhen auf vier Prinzipien: Inhalte müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein. Beispielsweise durch Alt-Texte, Tastaturnavigation und klare Formulare.
Muss mein Kosmetikinstitut jetzt barrierefrei werden?
In der Regel: nein. Das Gesetz nimmt sogenannte Kleinstunternehmen im Dienstleistungsbereich ausdrücklich aus. Ein Kleinstunternehmen ist ein Betrieb mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz unter 2 Millionen Euro. Auf die meisten Kosmetikstudios trifft das zu.
Warum du dich trotzdem mit dem Thema beschäftigen solltest
Auch ohne gesetzliche Pflicht kannst du mit wenigen Maßnahmen die Nutzerfreundlichkeit deutlich verbessern:
- Lesbare und verständliche Texte: Verwende klare Überschriften (H1–H6), einfache Sprache, kurze Absätze. Fachbegriffe solltest du vermeiden oder kurz erklären.
- Guter Farbkontrast: Achte auf ausreichend Kontrast zwischen Text und Hintergrund. Empfohlen wird ein Verhältnis von mindestens 4,5:1. Zum Beispiel dunkle Schrift auf hellem Hintergrund.
- Alt-Texte für Bilder: Beschreibe alle wichtigen Bilder mit einem kurzen Alternativtext, damit Screenreader sie erfassen können.
Beispiel: „Glasflasche mit Vitamin-C-Serum, goldfarbener Verschluss, 30 ml“ - Tastaturbedienung: Alle Funktionen deines Shops, insbesondere Navigation und Formulare, sollten ohne Maus nutzbar sein (zum Beispiel mit Tab und Enter).
Teste nicht nur selbst, sondern bitte auch eine außenstehende Person um Feedback. Bestenfalls jemanden ohne technisches Vorwissen oder mit motorischer Einschränkung. - Videos mit Untertiteln: Falls du Videos auf deiner Seite eingebunden hast (z. B. Produktvorstellungen oder Tutorials), sollten diese untertitelt sein. Optimalerweise ergänzt du auch eine Audiodeskription, besonders dann, wenn es sich um eine wichtige Information handelt.
- Barrierefreie Formulare: Verwende klare Bezeichnungen wie „Vorname“, „E-Mail-Adresse (für Rückfragen)“. Gestalte Eingabefelder logisch und eindeutig. Fehlermeldungen sollten nicht nur farblich hervorgehoben, sondern verständlich erklärt sein.
Beispiel: „Bitte gib deine Telefonnummer im Format 0123-456789 ein.“
Tipp:
Es gibt staatliche Förderprogramme für Digitalisierung, die auch Maßnahmen zur Barrierefreiheit abdecken. Zum Beispiel das BMWK-Programm „go-digital“. Informiere dich bei deiner IHK, Handwerkskammer oder auf den Seiten deines Bundeslandes.
Fazit: Keine Pflicht, aber eine Chance
Solange dein Kosmetikinstitut unter die Definition eines Kleinstunternehmens fällt, musst du deinen Online-Shop oder deine Angebotsseiten nicht zwingend barrierefrei gestalten. Trotzdem ist digitale Barrierefreiheit eine Investition in Qualität und Reichweite. Du sprichst neue Zielgruppen an, verbesserst die Nutzererfahrung und machst dich unabhängig von möglichen zukünftigen Gesetzesanpassungen. Wer frühzeitig handelt, profitiert langfristig!
Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine rechtliche Beratung.
Quellen:
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), EU-Richtlinie 2019/882, Bundesfachstelle Barrierefreiheit, IT-Recht Kanzlei, Händlerbund, WCAG 2.1.

Elke Klein
Die Autorin ist Gesundheitswissenschaftlerin und PR-Beraterin. Sie betreibt einen Blog und unterstützt Kosmetikerinnen beim Thema digitales Marketing. www.cline-cosmetics.de