Sensible Haut – ein wachsendes Phänomen

30.09.2025
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Das spiegelt sich auch im Konsumverhalten wider. Der Markt für sensitive Hautpflegeprodukte wächst rasant. Die Gründe dafür sind vielfältig: zunehmende Umweltbelastungen, Hautstress durch Urbanisierung, hormonelle Schwankungen, aber auch ein wachsendes Bewusstsein der Konsumenten für Inhaltsstoffe, Transparenz und Hautgesundheit. Die Nachfrage nach milden Formulierungen steigt. Begriffe wie „sensitiv“ oder „für empfindliche Haut“ prägen immer häufiger das Verpackungsdesign.
Doch was genau bedeutet „empfindliche Haut“ eigentlich? Lässt sie sich messen – oder ist sie rein subjektiv? Und welche Wirkstoffe haben sich wissenschaftlich als wirksam erwiesen? 

Ein häufiges, aber oft missverstandenes Phänomen

Ob trocken, fettig oder normal – prinzipiell kann jeder Hauttyp empfindlich reagieren. Empfindliche Haut ist dabei kein klassischer Hauttyp, sondern vielmehr ein Hautzustand, der temporär oder chronisch auftreten kann. Betroffene berichten über Symptome wie Brennen, Juckreiz, Spannungsgefühl oder Rötungen, die meist durch eigentlich harmlose Reize wie Kälte, UV-Strahlung oder bestimmte Kosmetika ausgelöst werden. 
Interessanterweise handelt es sich bei „sensitive skin“ um eine weitgehend subjektive Wahrnehmung: Die Haut erscheint äußerlich häufig unverändert, reagiert aber überempfindlich auf äußere Einflüsse. Studien zeigen, dass die Zahl der Menschen, die ihre Haut als empfindlich einstufen, in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist und damit auch das Interesse der Kosmetikindustrie an diesem Phänomen. Die Gründe sind vielfältig: Neben genetischen Faktoren spielen Geschlecht sowie Umweltfaktoren wie Klima, Luftverschmutzung, Ernährung und der Kontakt mit Reinigungs- oder Pflegeprodukten eine Rolle.
Der Mechanismus hinter empfindlicher Haut ist komplex. Verschiedene Prozesse wie eine gestörte Hautbarriere, eine übermäßige Reizweiterleitung über Nervenfasern und eine
Aktivierung entzündlicher Reaktionen tragen zur Entstehung bei. Diese Faktoren stehen in enger Wechselwirkung: Ist die Barrierefunktion der Haut gestört, gehen wichtige Lipide
(Ceramide) verloren. Dadurch steigt der transepidermale Wasserverlust (TEWL), die Haut trocknet aus und wird anfälliger für Reizstoffe. Gleichzeitig werden empfindliche Nervenenden stärker aktiviert, was das unangenehme Hautgefühl zusätzlich verstärkt. Hinzukommt: Eine geschwächte Hautbarriere kann nicht nur äußere Einflüsse schlechter abwehren, sondern auch körpereigene Reparaturprozesse behindern. Das Ergebnis ist ein Kreislauf aus Reizung und Entzündung, der die Haut immer empfindlicher werden lässt.
Untersuchungen zeigen, dass empfindliche Haut andere physiologische Merkmale aufweist als normale Haut. Etwa eine geringere Hydratation des Stratum corneum (SC) und eine erhöhte Durchlässigkeit für Schadstoffe. Je stärker die Barriere geschwächt ist, desto ausgeprägter sind auch die Symptome empfindlicher Haut.

Was empfindliche Haut ausmacht

Trotz der hohen Betroffenenzahl ist empfindliche Haut schwer zu fassen. Denn: Die Diagnose basiert fast ausschließlich auf subjektiven Empfindungen, oft ohne klinisch sichtbare
Hautveränderungen. 
Fachleute sprechen auch vom Sensitive Skin Syndrome (SSS), das das oft unterschätzte Beschwerdebild beschreibt und nicht mit klassischen Allergien oder sichtbaren Irritationen verwechselt werden sollte. Einheitliche Messmethoden gibt es bislang nicht, doch in der Forschung haben sich verschiedene Testverfahren etabliert. 
Dazu zählt vor allem der Lactic Acid Sting Test (LAST): Er gilt als Goldstandard zur Einschätzung der sensorischen Reaktivität der Haut. Hierbei wird eine definierte Menge Milchsäure auf die Haut aufgetragen. Eine unangenehme oder brennende Reaktion gilt als Hinweis auf eine erhöhte Sensibilität. 
Zur objektiven Bewertung werden außerdem biophysikalische Messparameter herangezogen: Besonders wichtig sind der TEWL als Maß für den Wasserverlust sowie die Hydratation des SC.
Kombiniert man diese Werte, ergibt sich ein valides Bild des Hautzustands. Auch bildgebende Verfahren wie konfokale Lasermikroskopie, Erythem- und Melaninmessungen sowie
thermografische Verfahren kommen in Studien zum Einsatz, um feinste Veränderungen der Hautstruktur zu erfassen. Trotz dieser Fortschritte bleibt die Diagnostik herausfordernd. Nicht zuletzt, weil die Wahrnehmung empfindlicher Haut stark individuell geprägt ist. Faktoren wie Alter, hormonelle Veränderungen, ethnische Unterschiede oder psychische Belastungen können eine Rolle spielen. Umso wichtiger ist es, Pflegeprodukte speziell auf ihre Verträglichkeit bei
empfindlicher Haut zu testen.

Wirkstoffe mit Potenzial: Was hilft und warum?

Zentrale therapeutische Ziele bei empfindlicher Haut sind die Wiederherstellung bzw. Stärkung der Hautbarriere, die Reduktion von Entzündungsprozessen und die Beruhigung
überempfindlicher Nervenrezeptoren. Studien zeigen, dass bestimmte Wirkstoffe diese Prozesse gezielt unterstützen können.

  • Hautbarriere stärken: Eine geschädigte Barriere begünstigt den TEWL und erleichtert das Eindringen von Reizstoffen. Wirkstoffe wie Ceramide, Panthenol oder Centella asiatica (Cica) können die Hautfeuchtigkeit verbessern, den TEWL verringern und die Regeneration der Barriere fördern.
  • Entzündungen reduzieren: Die chronische Reizung empfindlicher Haut ist häufig mit einer Überproduktion proinflammatorischer Zytokine (zum Beispiel IL-6, IL-8) verbunden. Inhaltsstoffe wie Niacinamid, Palmitoyl Tripeptide-8 oder Glycyrrhetinsäure (Süßholzwurzel) können diese Entzündungsbotenstoffe hemmen und Rötungen reduzieren.
  • Nervenrezeptoren beruhigen: Empfindliche Haut reagiert oft stärker auf Reize, weil bestimmte Nervenzellen in der Haut überaktiv sind. Spezielle Wirkstoffe wie Acetyl Dipeptide-1 Cetyl Ester, Acetyl Tetrapeptide-15 oder Acetyl Hexapeptide-49 können diese Reizweiterleitung abschwächen. Dies kann typische Beschwerden wie Juckreiz lindern.
  • Weniger ist mehr: Gerade bei akuten Reizzuständen gilt: „Skin minimalism“ schützt. Das bedeutet: so wenige Produkte und Wirkstoffe wie möglich und Fokus auf eine beruhigende und barrierestärkende Wirkung. Überpflegung mit zu vielen aktiven Wirkstoffen können das Gegenteil bewirken.

Fazit

Empfindliche Haut betrifft einen Großteil der Bevölkerung. Damit wächst auch die Verantwortung, Pflegeprodukte anzubieten, die nicht nur wirksam, sondern vor allem mild und
verträglich sind. 
Entscheidend ist nicht allein die Wahl bewährter Wirkstoffe wie Ceramide, Panthenol, Cica oder spezieller Peptide, sondern auch, wie diese in der Formulierung zusammenspielen. Ein leicht saurer pH-Wert unterstützt die natürliche Barrierefunktion, während der Verzicht auf unnötige Reizstoffe wie aggressive Tenside, Alkohol oder bestimmte Duftstoffe das Risiko von Irritationen senkt. 
„Frei von“-Versprechen sind dabei kein Garant für Hautfreundlichkeit, und auch Naturkosmetik kann durch ätherische Öle oder komplexe Pflanzenextrakte empfindliche Haut belasten. Empfindliche Haut ist keine Ausnahme mehr, sondern längst ein zentrales Thema moderner Hautpflege. Doch statt reißerischer Versprechen braucht sie vor allem eins: Verständnis für ihre besonderen Bedürfnisse. Wissenschaftlich fundierte Formulierungen, die die Hautbarriere stärken, Reizstoffe minimieren und überaktive Nervenrezeptoren beruhigen, ist dabei der Schlüssel. Wer die Hautbarriere schützt, schenkt der Haut ihre Stärke zurück.

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Foto: Kathrin Ludwig

Kathrin Ludwig

Die Kosmetikwissenschaftlerin hat Erfahrung in der klinischen Forschung und arbeitet in der Produktentwicklung mit dem Schwerpunkt Claim Support und Science Communication.

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