
Bei „Longevity“ geht um ein gesundes und vitales Altern. Besonders in der Hautmedizin gewinnt die Erhaltung der Zellfunktion und Regenerationsfähigkeit an Bedeutung, um den Alterungsprozess auf zellulärer Ebene zu verlangsamen. Neue Well-Aging-Therapien mit Wirkstoffklassen wie Proteinen, Peptiden, Polynukleotiden und Exosomen setzen dabei auf eine ganzheitliche Verjüngung der Haut.
Die Haut ist nicht nur die äußere Hülle unseres Körpers, sondern ein komplexes Organ mit zentraler Bedeutung für Schutz, Kommunikation und Ästhetik. Mit zunehmendem Alter zeigen sich auf zellulärer und struktureller Ebene Veränderungen: Der Kollagengehalt sinkt, die Zellteilung verlangsamt sich, oxidative Schäden nehmen zu.
Der Begriff „Longevity“, ursprünglich für Lebensdauer verwendet, be-
schreibt heute in der Medizin nicht nur, wie lange wir leben, sondern wie gesund wir altern. In Bezug auf die Haut steht Longevity für den Erhalt von Zellvitalität, Funktionalität und Regenerationsfähigkeit trotz biologischer Alterung. In der sich ständig weiterentwickelnden Landschaft der Hautgesundheit hat sich ein bemkenswerter Wandel vollzogen: weg von dem traditionellen Bestreben, das Erscheinungsbild der Hautalterung zu mindern, hin zu einem ganzheitlicheren Ansatz, bei dem die Wiederherstellung der Hautgesundheit im Mittelpunkt steht.1
Well-Aging-Therapien zielen daher zunehmend darauf ab, nicht nur oberflächlich die Hautalterung zu beheben, sondern die Haut in ihrer Tiefe zu verjüngen. Im Fokus stehen dabei vier Wirkstoffklassen: Proteine, Peptide, Polynukleotide und Exosomen. Sie repräsentieren die nächste Generation regenerativer Hautmedizin und adressieren strukturelle, molekulare sowie regenerative Ebenen der Hautalterung.
Proteine – Struktur und Zellkommunikation
Proteine sind essenzielle Bausteine der Haut und spielen eine zentrale Rolle für ihre Struktur, Funktion und Gesundheit. Sie bestehen aus Aminosäuren, die sowohl über die Ernährung aufgenommen als auch im Körper synthetisiert werden.
In der Haut bilden Proteine das Gerüst der extrazellulären Matrix, regulieren die Zellkommunikation und sind an Reparaturprozessen beteiligt. Eine ausreichende Versorgung mit Proteinen ist daher entscheidend für die Hauterneuerung, Wundheilung und den Schutz vor äußeren Stressoren.
Neben ihrer strukturellen Funktion übernehmen Proteine auch regulatorische Aufgaben. Sie beeinflussen die Barrierefunktion der Haut, unterstützen die Produktion von antimikrobiellen Peptiden und modulieren immunologische Prozesse.
Insbesondere im Kontext von Alterung, Umweltbelastungen oder entzündlichen Hauterkrankungen kann ein ausgewogenes Proteingleichgewicht entscheidend sein, um die Hauthomöostase aufrechtzuerhalten.2
Peptide – präzise Signalgeber
Peptide sind kurze Ketten aus Aminosäuren, die durch Peptidbindungen verknüpft sind und eine zentrale Rolle in der Zellkommunikation, Hautstruktur und Regeneration spielen. Sie entstehen entweder endogen – etwa durch den natürlichen Abbau von Proteinen im Körper – oder exogen durch biotechnologische Verfahren wie Fermentation, enzymatische Hydrolyse oder chemische Synthese.
Ihre Herkunft reicht von tierischen und pflanzlichen Quellen bis hin zu marinen Organismen und Mikroorganismen.
In der Dermatologie werden Peptide aufgrund ihrer vielseitigen biologischen Funktionen als Signalgeber eingesetzt, indem sie zelluläre Prozesse wie die Kollagensynthese, Zellproliferation oder Hauterneuerung stimulieren.
Als Trägerpeptide wie zum Beispiel das bekannte Kupfer-Tripeptid-1 unterstützen sie gezielt den Transport von essenziellen Spurenelementen in die Haut und fördern Wundheilung sowie Haarwachstum.3
Darüber hinaus entfalten viele bioaktive Peptide antioxidative, entzündungshemmende oder antimikrobielle Effekte. Dank dieser breiten Wirkmechanismen etablieren sie sich zunehmend als innovative Wirkstoffe in der dermatologischen Forschung und Praxis. Die Verbindung von biotechnologischer Präzision und natürlicher Hautphysiologie macht sie zu vielversprechenden Kandidaten für die Hautgesundheit der Zukunft.4
Polynukleotide – zelluläre Reparaturhelfer
Polynukleotide (PN) sind hochmolekulare DNA- und RNA-Ketten, die in der ästhetischen Dermatologie zunehmend an Bedeutung gewinnen. Ursprünglich aus Lachs- oder Forellengonaden gewonnen, zeigen sie eine bemerkenswerte Biokompatibilität und regenerative Wirkung. Besonders das aus Lachssperma gewonnene Polydeoxyribonukleotid (PDRN) ist gut untersucht und dient oft als Referenzstruktur für PN. Ihre Wirkung basiert auf zwei zentralen Mechanismen: der Aktivierung des Adenosin-A2A-Rezeptors, was angiogene und entzündungshemmende Prozesse stimuliert, sowie dem sogenannten Salvage Pathway, bei dem Nukleotide aus Zelltrümmern recycelt und für DNA-Reparatur und Zellregeneration genutzt werden.5
In der ästhetischen Medizin werden Polynukleotide als sogenannte Skinbooster, in Biorevitalisierungsprotokollen oder als Bestandteil moderner Filler eingesetzt. Klinische Studien belegen ihre Fähigkeit, die Hautelastizität und -hydration zu verbessern, die Kollagenproduktion anzuregen und feine Fältchen zu mildern.6 Darüber hinaus zeigen sie vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung von Narben, postinflammatorischer Erytheme sowie in der Hautalterung am Hals. Ihre besondere Struktur – ein gelartiges hexagonales Gerüst – unterstützt die mechanische Stimulation von Fibroblasten im Extrazellularraum und begünstigt somit deren Aktivität und Matrixproduktion.
Obwohl weitere randomisierte Studien zur genauen Klärung der Wirkmechanismen und optimalen Anwendung notwendig sind, gelten Polynukleotide schon heute als innovative, natürliche Alternative zu synthetischen Biostimulatoren in der regenerativen und ästhetischen Dermatologie.7
Exosomen – zellfreie Revolution
Exosomen sind nanoskalige extrazelluläre Vesikel (30–200 nm). Ursprünglich als zellulärer „Abfall“ betrachtet, gelten sie heute als zen-trale Vermittler interzellulärer Kommunikation.
Ihr biogenetischer Ursprung liegt in multivesikulären Körpern (MVBs), die durch Fusion mit der Zellmembran ihren Inhalt – bestehend aus Proteinen, Lipiden, RNA, DNA und weiteren Signalmolekülen – in die extrazelluläre Umgebung abgeben. Diese molekulare Fracht kann gezielt an Empfängerzellen übertragen werden und beeinflusst zahlreiche Prozesse wie Zellproliferation, Differenzierung, Immunmodulation und Wundheilung.
In der Dermatologie bieten Exosomen neue therapeutische Perspektiven bei chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen, lichtbedingter Hautalterung, Pigmentstörungen und Narbenbildung.
Besonders Exosomen aus mesenchymalen Stammzellen – etwa aus Fettgewebe oder Nabelschnurblut – zeigen in präklinischen Studien vielversprechende Effekte: Sie reduzieren oxidativen Stress, fördern die Kollagensynthese, hemmen Matrix-Metalloproteinasen und verbessern die Hautbarriere.8 Erste klinische Studien belegen zudem eine verbesserte Regeneration bei UV-geschädigter Haut und Aknenarben.
Ein wesentlicher Vorteil liegt in ihrer Fähigkeit, biologische Barrieren zu überwinden und sowohl lipophile als auch hydrophile Wirkstoffe zu transportieren. Dadurch können Exosomen gezielt in pathophysiologische Prozesse eingreifen – ohne die Risiken zellbasierter Therapien wie Immunreaktionen oder Tumorbildung.
Trotz dieser positiven Erkenntnisse fehlen bislang standardisierte Herstellungsverfahren sowie groß angelegte, kontrollierte klinische Studien zur Langzeitwirkung. Auch gibt es derzeit keine FDA-zugelassenen Exosomen-Produkte für medizinische Anwendungen. Dennoch positionieren sich Exosomen zunehmend als vielversprechende Bausteine der regenerativen Ästhetik – insbesondere in der Hautverjüngung und Pigmentregulation – und könnten künftig einen Paradigmenwechsel in der Well-Aging-Forschung einläuten.9
Literatur:
1 Wyles S, Mehta R, Mannick J, Day D. Skin longevity: A paradigm shift in aesthetics. J Cosmet Dermatol. 2024; 23:2814-2815. doi:10.1111/jocd.16484
2 Solano, F. (2020). Metabolism and Functions of Amino Acids in the Skin. In: Wu, G. (eds) Amino Acids in Nutrition and Health. Advances in Experimental Medicine and Biology, vol 1265. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-030-45328-2_11
3 F. Errante, P. Ledwoń, R. Latajka, P. Rovero, and A. M. Papini, “Cosmeceutical Peptides in the Framework of Sustainable Wellness Economy,” Frontiers in Chemistry 8 (2020): 572923.
4 Nikoleta Topouzidou, Androulla N. Miliotou, Danai Nodaraki, Eleftheria Galatou, Christos Petrou, Yiannis Sarigiannis, Unraveling the Molecular Mechanisms of Synthetic Acetyl Hexapeptide in E-Cadherin Activation for Tissue Rejuvenation, Cosmetics, 10.3390/cosmetics12020048, 12, 2, (48), (2025).
5 Rubegni, P.; De Aloe, G.; Mazzatenta, C.; Cattarini, L.; Fimiani, M. Clinical evaluation of the trophic effect of polydeoxyribonucleotide (PDRN) in patients undergoing skin explants. A Pilot Study. Curr. Med. Res. Opin. 2001, 17, 128–131.
6 Yi, K.-H.; Park, M.-S.; Ree, Y.-S.; Kim, H.M. A Review on “Skin Boosters”: Hyaluronic Acid, Poly-L-lactic Acid and Pol-D-lactic Acid, Polydeoxyribonucleotide, Polynucleotides, Growth Factor, and Exosome. Korean Assoc. Laser Dermatol. Trichology 2023, 4, 6.
7 Lee, K.W.A.; Chan, K.W.L.; Lee, A.; Lee, C.H.; Wan, J.; Wong, S.; Yi, K.-H. Polynucleotides in Aesthetic Medicine: A Review of Current Practices and Perceived Effectiveness. Int. J. Mol. Sci. 2024, 25, 8224. https:// doi.org/10.3390/ijms25158224
8 Deng M, Yu TZ, Li D et al. Human umbilical cord mesenchymal stem cell-derived and dermal fibroblast-derived extracellular vesicles protect dermal fibroblasts from ultraviolet radiation-induced photoaging in vitro. Photochem Photobiol Sci 19(3), 406–414 (2020).
9 Krishna S Vyas, Joely Kaufman, Girish S Munavalli, Kiran Robertson, Atta Behfar & Saranya P Wyles (2023) Exosomes: The Latest in Regenerative Aesthetics, Regenerative Medicine, 18:2, 181-194, DOI: 10.2217/rme-2022–0134

Maxine Bennek
Die Autorin ist Kosmetikwissenschaftlerin, Apothekerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin/Doktorandin. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Koordination und Durchführung von klinischen Studien sowie Forschung an Arzneimitteln und Medizinprodukten.