Könnten Mikrobiom-freundliche Produkte klinisch relevante Vorteile für bestimmte Hauttypen oder Hautkrankheiten bieten?
Christina Drusio: Das Hautmikrobiom spielt eine zentrale Rolle für die Hautgesundheit. Äußere Einflüsse wie Umweltstress, Medikamente oder aggressive Reinigungsprodukte können das mikrobielle Gleichgewicht stören – mit möglichen Folgen wie Barriereprobleme oder Entzündungen. Mikrobiom-freundliche Pflege, zum Beispiel mit präbiotischen Inhaltsstoffen, kann helfen, das Gleichgewicht zu erhalten oder wiederherzustellen – besonders bei empfindlicher Haut.
Auch Hauterkrankungen wie atopische Dermatitis, Rosacea oder Akne gehen mit einer veränderten Mikrobiom-Zusammensetzung einher. Ob dieses Ungleichgewicht Ursache oder Folge der Erkrankung sind, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt – wahrscheinlich trifft beides zu.1 So kann etwa ein Übermaß an Staphylococcus aureus Entzündungen bei Neurodermitis verstärken, während nützliche Bakterien wie Staphylococcus epidermidis den Hautzustand verbessern können.2
Welche Inhaltsstoffe sehen Sie dermatologisch bedenklich, weil sie das Mikrobiom negativ beeinflussen können?
Bestimmte Inhaltsstoffe gelten als potenziell problematisch für das Hautmi-krobiom, zum Beispiel aggressive Tenside, Konservierungsstoffe, Alkohol und Duftstoffe. Sie stören die natürliche Balance, wirken antimikrobiell oder können die Hautbarriere schädigen.
Reinigungsprodukte sind ein wichtiger Bestandteil der Hautpflege, können jedoch nachweislich die mikrobielle Diversität verringern und schützende Lipide sowie Mikroorganismen entfernen.3 Daher ist es sehr sinnvoll, im Anschluss einen Toner zu verwenden. Gut formuliert kann er zwar nicht gezielt das Mikrobiom fördern, aber indirekt unterstützen – etwa durch pH-Ausgleich und Stabilisierung der Hautbarriere nach der Reinigung.
Wo sehen Sie die Zukunft Mikrobiom-freundlicher Produkte?
Was einst als Marketingtrend begann, entwickelt sich zunehmend zu einem wissenschaftlich fundierten Ansatz. Mi-krobiom-freundliche Pflege kann helfen, Hautprobleme wie Akne, Rosacea oder Neurodermitis gezielter zu kontrollieren und die Hautbarriere langfristig zu stabilisieren – insbesondere bei empfindlicher oder gestörter Haut.
Innovativ ist der Ansatz, Produkte bereits im Entwicklungsprozess auf ihre Mikrobiomverträglichkeit zu prüfen. Moderne Labormodelle des Hautmikrobioms4 simulieren die Wechselwirkungen zwischen Inhaltsstoffen und Mikroorganismen präzise im Labor – und ermöglichen so eine evidenzbasierte Beurteilung und gezielte Optimierung von Formulierungen. Das könnte die Grundlage für künftige Qualitätsstandards Mikrobiom-freundlicher Produkte bilden.
Literatur:
1 Schmid-Wendtner M-H. Das Hautmikrobiom – die Bedeutung für Dermatologie und Hautpflege. Die Dermatologie. 2021; 72 (11): 878–83.
2 Nakatsuji T, Chen TH, Butcher AM, Trzoss M, Nam SJ, Shirakawa KT, Zhou W, Oh J, Otto M, Fenical W, Gallo RL. Antimicrobials from human skin commensal bacteria protect against Staphylococcus aureus and are deficient in atopic dermatitis. Sci Transl Med. 2017; 9 (378): eaah4680. doi:10.1126/scitranslmed.aah4680
3 Bouslimani A, da Silva R, Kosciolek T, Janssen S, Callewaert C, Amir A, et al. The impact of skin care products on skin chemistry and microbiome dynamics. BMC Biol. 2019 Jun 12;17: 47. doi: 10.1186/s12915-019-0660-6
4 Evonik Industries. Neues Hautmikrobiom-Modell unterstützt die Entwicklung besserer Kosmetika. Online verfügbar unter: https://corporate.evonik.com/de/presse/pressemitteilungen/produkte/neues-hautmikrobiom-modell-unterstuetzt-die-entwicklung-besserer-kosmetika-219820.html [Zugriff: 5. August 2025]
Christina Drusio
Teil der Inhaberfamilie und Mitglied der Geschäftsführung der Dr. med. Christine Schrammek Kosmetik GmbH. Sie ist Fachärztin für Dermatologie und als Expertin zum Thema Haut eine geschätzte Referentin bei internationalen Vorträgen und Seminaren.
Dieser Artikel stammt aus dem Fachmagazin MEDICAL
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