Serie: Alles, was Recht ist: Schicksalsjahre der Eigenbluttherapie

25.03.2024
Foto: Astrid Tomczak

Selten hat es eine Behandlungsform geschafft, sich durch sämtliche Instanzen an deutschen Verwaltungsgerichten zu hangeln. Und vor dem Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 17. 01.2012 – VI ZR 336/10), dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 15.06.23 – 3C 3.22) und dem Bundesverfassungsgericht (Az.: 1 BvR 2078/23, 1 BvR 2171/23, 1 BvR 2182/23) war sie auch! 

Aber die Eigenbluttherapie hat Widersprüchlichkeiten quasi für sich gepachtet. Diese zeigten sich auch bei den Gerichtsurteilen. Da durfte der Heilpraktiker in München (VG München, Urteil vom 30.06.2022 [Az. M 26a K 21.397]) oder Osnabrück (VG Osnabrück, Urteil vom 04.08.2020 - 3 A 44/19) mehr als der in Münster (OVG Nordrhein-Westfalten, Urteile vom 23.04.2021, Az. 9 A 4073/18; 9 A 4108/18; 9 A 4109/18). Irgendwann kam man auch als versierter Beobachter kaum mehr mit. Doch der Reihe nach. 
Begonnen hatte alles im Jahr 2017, als aus dem Nichts eine Stellungnahme der Arbeitsgruppe Blut des Bundesgesundheitsministeriums das Licht der Welt erblickte. Darin wurde festgestellt, dass alle Eigenbluttherapien, außer die nach der homöopathischen Pharmakopöe durchgeführte, dem Arztvorbehalt unterliegen würden. Ein Aufschrei der Heilpraktikerverbände war die Folge. 
Schließlich widersprach diese Auffassung der Rechtsinterpretation führender Arzneimittelrechtskommentare und der seit Jahren gelebten Praxis. Es war Zeit für ein intensives „Brüten“ seitens der Behörden über der Frage, was denn nun die richtige Rechtsauslegung sei. 
Zwölf Monate später „schlüpfte“ das Ergebnis in Form einer gemeinsamen Stellungnahme der Bundesoberbehörden BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte), PEI (Paul-­Ehrlich-Institut) und RKI (Robert-Koch-Institut) und der AG Blut im Bundesgesundheitsministerium aus dem sprichwörtlichen Ei. 
Der Heilpraktiker dürfe nur die durch § 28 TFG privilegierte homöopathische Variante der Eigenbluttherapie durchführen. Das war der Startschuss für eine Klagewelle, die es in sich hatte. Doch jetzt hat das Hin und Her ein Ende gefunden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), welches als Ultima-Ratio-Instanz von drei Heilpraktikerinnen angerufen wurde, hat deren Verfassungsbeschwerde nicht angenommen. Angeblich wären die angesprochenen Grundrechtsverletzungen (unter anderem der Berufsausübungsfreiheit) nicht ausführlich genug begründet worden. Damit ist sie nun dahin – die letzte Chance auf die therapeutische Vielfalt mit Eigenblut in der Naturheilpraxis. 
Doch die Urteile der obersten Gerichte reduzieren nicht nur die Behandlungsmöglichkeiten für Heilpraktiker auf ein Minimum. Sie maximieren auch gleichzeitig den Aufwand für ärztliche Behandler, die die Eigenbluttherapie durchführen wollen. Da nun klar ist, dass für alle Eigenbluttherapien außer der homöopathischen Variante das Transfusionsgesetz gilt, müssen auch dessen Vorgaben erfüllt werden. Dazu gehört zum Beispiel die 30-jährige Aufbewahrungspflicht für Patientendokumente und die umfassenden räumlichen und organisatorischen Vorgaben. Es geht auch von Min nach Max – daran hat nur bisher kaum jemand gedacht!

Foto: Astrid Tomczak

Die Expertin


Dipl. Kauffrau Astrid Tomczak LL. M.
Die studierte Betriebswirtin ist seit 2006  in der Ästhetischen Medizin tätig und berät Unternehmen zu Market-Access-Strategien. Sie verfasst regelmäßig Artikel zu betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Themen der Branche. 

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