
Was könnte die Kundin sagen, wenn ich ihr ein Produkt für zu Hause empfehle? Wie könnte die Stammkundin reagieren, wenn ich ihr nach all den Jahren einen komplett anderen Therapieansatz empfehle? Wie erkläre ich bloß meinen Kunden, dass ich teurer werden muss? Fragen wie diese schwirren in so manchen Köpfen – und werden von vielen im inneren Dialog mit „Mache ich mal lieber nicht!“ beantwortet. Schade. Denn Hemmungen und falsche Bescheidenheit sind wahre Erfolgskiller.
Theoretisch ist Verkaufen im Institut ganz einfach: Man spricht Kaufeinladungen aus. Sollte die Kundin ablehnen, so wird im Zweifelsfall argumentativ noch einmal nachgelegt, oder man gibt sich damit zufrieden, dass die Kundin aktuell nicht zugreifen möchte. Was ja auch nicht schlimm ist – schließlich hat man es versucht. Aber da man weiß, dass Kunden auch auf die Expertise der Kosmetikerin setzen und damit auch erwarten, Empfehlungen für weitere passende Produkte und Dienstleistungen vorgestellt zu bekommen, fühlt man sich ja auch nicht „schlecht“, mal etwas anzubieten. Aber wenn man weiß, dass Kunden passende Empfehlungen erwarten, warum scheuen sich dennoch so viele davor, diese auszusprechen?
Kunden lehnen immer nur das Angebot ab, nicht dich!
Kaum ein Mensch hört gerne ein Nein. Wer beispielsweise zwei Tage am Stück seinen Kunden passende Produkte für zu Hause empfiehlt und immer wieder ein höfliches „Nein, danke“ oder „Beim nächsten Mal vielleicht“ hört, verliert irgendwann die Lust am leidenschaftlichen Anbieten. Hinzu kommt, dass viele Kosmetiker sich mit dem Nein persönlich, also als Mensch, abgelehnt fühlen. Dabei lehnen Kunden niemals die Kosmetikerin persönlich ab, sondern immer nur das jeweils ausgesprochene Angebot.
Selbstzweifel sind Erfolgsbremsen
Es gibt so manche Gedanken, die Kosmetikern den Institutsalltag erschweren:
- „Wie soll ich bloß den hohen Preis für diese Dienstleistung erklären? Ach, ich biete das mal lieber gar nicht erst an.“
- „Ich müsste ja eigentlich höhere Preise verlangen. Aber ich lass das mal lieber sein. Nicht dass mir meine Kunden weglaufen.“
- „Eigentlich müsste ich der Kundin noch ein weiteres Produkt für zu Hause empfehlen. Aber dann könnte die denken, dass ich gierig bin, schließlich lässt sie schon so viel Geld hier.“
- „An sich müsste ich der Kundin mal eine andere Behandlung empfehlen. Aber wer weiß, womöglich fragt sie dann, warum wir denn schon seit zwei Jahren die jetzige machen.“
- „Was die Kundin wohl mit der Probe gemacht hat, die ich ihr beim letzten Besuch mitgegeben habe? Ach, ich frage mal lieber nicht, nicht dass sie denkt, ich bin aufdringlich.“
Aber: Der Wahrsager würde das meiste Geld verdienen. Doch den gibt es nicht. Wer also nicht fragt beziehungsweise anbietet, wird niemals erfahren, ob die Reaktion doch deutlich positiver ausgefallen wäre.
Falsche Bescheidenheit ist oft gelernt
Zahlreiche Menschen sind mit Vorwürfen und Fragen wie „Das macht man nicht!“, „Was sollen die anderen von dir denken?“ oder „Wieso weißt du denn sowas nicht?“ groß geworden. Eltern und andere Personen, die erziehungsberechtigt waren oder sich dafür hielten, haben sich oft bei solchen Aussagen nichts Schädliches für das Kind gedacht. Ihnen ging es meist selbst in der Situation, in der die Aussagen von ihnen getroffen wurden, viel mehr um sich selbst. Sie wollten nämlich beispielsweise als „gute“ Eltern in ihrem Umfeld dastehen. Dass aber solche Erwartungen auch oft dazu führen, dass solche erzogene Menschen selbst im Zweifelsfall in gewissen Situationen gehemmt sind („Was könnte passieren, wenn ich jetzt das und das mache oder sage?“), ist ihnen meist nicht bewusst gewesen.
Auch Kunden haben oft Hemmungen
Auch kundenseitig gibt es viele Sorgen und Hemmungen. Beispielsweise:
- „Eigentlich wollte ich nicht ,wie immer‘ sagen, aber irgendwie weiß ich gar nicht, wie ich meiner Kosmetikerin sagen soll, dass ich mir mal was anderes wünsche.“
- „Ich habe zwar nun das Produkt gekauft, aber ich weiß gar nicht so richtig, wie ich das nun richtig anwende. Na ja, ich lass das mal zu Hause lieber unberührt stehen. Ich kann ihr ja nicht sagen, dass ich sie bei der Produktpräsentation eigentlich gar nicht verstanden habe.“
- „Mir macht auf meiner Haut eine gewisse Stelle sorgen. Nicht dass das was Böses ist. Aber die Kosmetikerin hat nichts gesagt, also wird das wohl so in Ordnung sein.“
- „Meine Kosmetikerin redet immer so viel während der Behandlung. Eigentlich möchte ich meine Ruhe haben. Aber ich will sie nicht verletzen.“
- „Ich habe das Gefühl, dass meine Haut nach der Behandlung manchmal gereizt ist. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Ich will ja nicht, dass sie denkt, ich finde ihre Arbeit schlecht.“
Sorgen, negative Gedanken und Hemmungen sind also sehr menschlich. Nur leider ist es für viele normal, nicht offen darüber zu sprechen, weil oft die Sorge mitschwingt, im Zweifelsfall negative Konsequenzen zu erhalten. Beispielsweise Vorwürfe wie „Warum haben Sie das denn nicht eher gesagt?“ oder „Wieso wissen Sie das denn nicht?“.
Raus aus der Unsicherheitsfalle
Aufforderungen wie „Sei mutig“ oder „Mach doch einfach mal“ sind zwar oft gut gemeint, helfen aber in der Regel nicht weiter. Denn wenn es so einfach wäre, würde die Person es ja schon längst machen.
Helfen können hier drei Dinge:
- Mehr in die Rolle der Kosmetikerin gehen: Nur weil man vielleicht als Privatperson nicht zu aufdringlich sein möchte, bedeutet dies noch lange nicht, dass man nicht bewusster aus der Rolle der Kosmetikerin sprechen kann. Eine Kundin ist eine Kundin der Kosmetikerin. Und Kunden erwarten zu Recht gute Ergebnisse und optimale Ideen und Empfehlungen. Wer also als Person noch mehr in die Rolle der Kosmetikerin beziehungsweise als Expertin schlüpft, traut sich oft eher, gewisse Dinge zu machen – weil es einfach kundenseitig erwartet wird – und damit normal ist.
- Gesunde Gleichgültigkeit: Viele setzen viel zu hohe Erwartungen an sich selbst – und verzweifeln darum an dem Nein der Kundin. Doch sollte man sich nicht viel eher dafür feiern, dass man ein Nein gehört hat? Schließlich wurde ja nun immerhin eine Kaufeinladung ausgesprochen. Und es ist doch allemal besser, eine Kaufeinladung auszusprechen und dann (mal) ein Nein zu hören, als diese niemals ausgesprochen zu haben. Oder anders gesagt: Wer fragt und anbietet, ist doch schon deutlich weiter als jemand, der dieses nicht macht.
- Vorbereitung: Wer sich seine Produkte und Dienstleistungen zuerst selbst verkauft (Was haben meine Kunden davon? Wie will ich argumentieren und präsentieren? Wie gehe ich mit möglichen Bedenken und Einwänden um und mache den Verkaufsabschluss?) wird deutlich mehr Erfolg haben. Einfach weil man weiß, dass man gut vorbereitet ist – und einen nichts so schnell verunsichern kann.
Ein Nein ist ein Teil der Statistik. Mehr nicht. Wer mit einer spielerischen Haltung in die Verkaufsgespräche im Sinne von „Mal gucken, was passiert. Ich gebe einfach mal mein Bestes“ geht, wird nicht nur selbst mehr Spaß im Institutsalltag haben – sondern auch noch mehr seine Kunden begeistern. Denn auch diese trauen sich dann viel eher, über ihre eigenen Bedenken und Sorgen zu sprechen. Und das Ergebnis? Eine noch bessere Kundenbeziehung und damit Basis für gute Geschäfte.

Oliver Schumacher
Der Autor ist seit 2009 Verkaufstrainer. Er arbeitete zuvor selbst zehn Jahre im Verkaufsaußendienst in der Beauty-Branche. Er gibt Seminare und hält Vorträge im gesamten deutschsprachigen Raum unter dem Motto „Ehrlichkeit verkauft“.
www.oliver-schumacher.de