
Wie viel Wissenschaft steckt eigentlich in Kosmetikprodukten? Wie kommt es dazu, dass ein Kosmetikprodukt mit Aussagen wie „verfeinert das Hautbild“ oder „unterstützt die Kollagenproduktion“ wirbt? Hinter solchen Claims steckt mehr als nur Marketing – nämlich wissenschaftliche Daten, regulatorische Vorgaben und ein sorgfältiger Abwägungsprozess. Wer diese Grundlagen kennt, kann Produktversprechen besser einordnen.
Ein „Claim“ bezeichnet eine Werbeaussage über die Wirkung eines Produkts. Kosmetische Claims stützen sich dabei auf wissenschaftliche Daten, denn jede Werbeaussage muss wahr, belegt, redlich, lauter, gesetzeskonform sein und eine fundierte Entscheidungsfindung ermöglichen. Die EU-Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel sowie die ergänzende Verordnung (EU) Nr. 655/2013 der Kommission legen diesen Rahmen verbindlich fest.
Wissenschaft oder Marketing?
Ein Claim darf also nie reines Marketing sein, sondern muss sich auf nachvollziehbare Daten stützen. Wie diese Belege aussehen können, ist unterschiedlich. Zum einen können klinische Studien am Endprodukt durchgeführt worden sein, zum anderen verlässt man sich auf Literaturangaben und Studien der Rohstofflieferanten. Beide Ansätze sind berechtigt, solange klar ist, worauf sich das Versprechen bezieht.
Der Umfang der erforderlichen Nachweise richtet sich dabei nach der Art des Claims. Insbesondere sicherheitsrelevante Aussagen (zum Beispiel zum UV-Schutz) erfordern besonders belastbare Daten. Grundsätzlich gilt: Die Art und Qualität der Nachweise müssen dem inhaltlichen Gewicht der Aussage angemessen sein.
Wirkversprechen belegen
Zur Untermauerung eines Claims können unterschiedliche Datenquellen herangezogen werden. Rohstoffhersteller investieren häufig in umfangreiche in-vitro-, ex-vivo- und in-vivo-Studien, um die Wirksamkeit ihrer Inhaltsstoffe zu belegen. Diese Studien sind in der Regel methodisch gut dokumentiert und dienen der besseren Positionierung des Inhaltsstoffs am Markt. Eine unabhängige Bewertung ist dadurch jedoch nicht immer gewährleistet.
Für Produktentwickler stellen diese Studien dennoch eine wichtige Orientierung dar, denn sie helfen, geeignete Wirkstoffe auszuwählen und sinnvoll zu kombinieren. Dennoch gilt: Die Wirkung eines einzelnen Inhaltsstoffs lässt sich nicht automatisch auf das Gesamtprodukt übertragen – Faktoren wie Konzentration, pH-Wert und Galenik spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Anwenderstudien mit Probanden, die das Endprodukt verblindet und randomisiert über mehrere Wochen testen (sogenannte Wirksamkeitsstudien) sind aussagekräftiger, aber auch kostenintensiv. Sie sollten im Idealfall von Unternehmen beauftragt werden, um besondere Auslobungen zu bestätigen. Wenn neben Großunternehmen auch kleine Unternehmen diesen Weg gehen, ist das ein starkes Signal für wissenschaftliche Integrität und Transparenz.
Studien und ihre Evidenz
Der Begriff Evidenz beschreibt, wie verlässlich und aussagekräftig die Ergebnisse einer Studie sind. In der Wissenschaft unterscheidet man verschiedene Evidenzstufen, die Auskunft über die Qualität und Übertragbarkeit von Forschungsergebnissen geben – je höher die Stufe, desto stärker die Aussagekraft. Als Goldstandard gelten randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs). In der medizinischen Forschung sind sie die Grundlage für Zulassungsentscheidungen, in der Kosmetik liefern sie belastbare Daten zur Wirksamkeit.
Neben diesen klinischen Studien kommen in der Kosmetik auch kleinere Verbraucherstudien mit Fragebögen zur Selbstbewertung zum Einsatz. Dabei bewerten Testpersonen nach mehrmaliger Anwendung ihre persönlichen Eindrücke, etwa zum Hautgefühl oder zum Erscheinungsbild der Haut.
Diese subjektiven Ergebnisse zeigen, wie ein Produkt erlebt wird, sind jedoch aus wissenschaftlicher Sicht weniger belastbar als objektive Messungen innerhalb einer in-vivo-Studie. Letztere basieren in der Kosmetikwissenschaft auf biophysikalischen Messverfahren wie der Messung der Hautfeuchtigkeit mittels Corneometer, der Bestimmung der Hautelastizität mittels Cutometer oder der Messung des transepidermalen Wasserverlusts (TEWL) zur Beurteilung der Barrierefunktion.
Sowohl subjektive als auch objektive Daten können zur Beurteilung der Wirksamkeit eines Kosmetikprodukts herangezogen werden. Entscheidend ist, dass klar erkennbar bleibt, worauf sich eine Werbeaussage stützt – auf persönliche Wahrnehmung oder auf messbare Effekte.
Evidenzbasierte Wirkstoffe
Welche Inhaltsstoffe wirken wirklich? Wer sich mit evidenzbasierter Hautpflege beschäftigt, stößt auf einige Wirkstoffe, deren Wirksamkeit durch Fachliteratur und klinische Studien besonders gut belegt ist. Zu denen zählen unter anderem Retinoide, Vitamin C und Niacinamid. Sie gelten als klassische Vertreter sogenannter Cosmeceuticals.
- Retinoide sind bekannt für ihre nachgewiesene Wirkung auf die Zellerneuerung, Kollagensynthese und die Reduktion lichtbedingter Hautalterungserscheinungen. Vitamin A ist der Oberbegriff für eine Gruppe strukturell verwandter Verbindungen mit ähnlicher biologischer Wirkung wie Retinol und Retinal. Aufgrund ihrer Oxidationsempfindlichkeit gegenüber Luft, Licht und Wärme wird Vitamin A in der Kosmetik bevorzugt in Form stabilerer Derivate eingesetzt.
- Vitamin C (L-Ascorbinsäure) ist ein starkes Antioxidans mit vielfältigen hautphysiologischen Effekten. Es schützt vor oxidativem Stress, hemmt die Tyrosinase-Aktivität (Melaninbildung) und wirkt dadurch aufhellend bei Pigmentflecken und ungleichmäßigem Hautton. Gleichzeitig stimuliert es die Kollagensynthese und unterstützt so die Faltenreduzierung. Für kosmetische Formulierungen besonders relevant ist die Konzentration und Stabilität von Vitamin C, da L-Ascorbinsäure licht- und hitzeempfindlich ist und in wässriger Lösung leicht oxidiert. In Kombination mit anderen Antioxidantien wie Vitamin E und Ferulasäure kann der schützende Effekt auf die Hautbarriere und die Minderung UV-induzierter Hautschäden zusätzlich verstärkt werden.
- Niacinamid (Nicotinsäureamid) hat sich als vielseitiger Wirkstoff etabliert. Es wirkt antioxidativ, trägt zur Regulierung der Talgproduktion bei und kann ungleichmäßige Pigmentierungen sowie Rötungen mildern. Außerdem kann es zur beschleunigten Hauterneuerung beitragen, die Hautelastizität verbessern und die Hautbarriere stärken.
Alle drei Wirkstoffe verfügen über eine umfassende Datenlage und eignen sich für evidenzbasierte Formulierungen. Sie zählen zu den Inhaltsstoffen in der Kosmetik, deren Wirkung sowohl auf zellulärer Ebene als auch im klinischen Kontext gut belegt ist, und stehen damit exemplarisch für wissenschaftlich fundierte Hautpflege.
Fazit: Was zählt, ist Transparenz
Nicht jeder Claim braucht eine Wirksamkeitsstudie, doch jede Aussage benötigt eine wissenschaftlich fundierte Grundlage.
Der Einsatz von Wirkstoffen wie Retinol, Vitamin C oder Niacinamid basiert auf jahrelanger Forschung. Auch wenn sich nicht jeder Claim auf objektive Messungen am Menschen stützt, steckt in jedem gut entwickelten Kosmetikprodukt ein hoher wissenschaftlicher Anspruch – von der Auswahl der Wirkstoffe über die Formulierung bis hin zur Kommunikation.
Entscheidend ist, offen zu kommunizieren, worauf sich ein Wirkversprechen stützt, und damit Vertrauen zu schaffen. Wer Wirkstoffe und ihre Evidenzlage kennt, kann fundierter beraten, realistische Erwartungen setzen und wissenschaftlich fundierte Aussagen von bloßem Marketing unterscheiden.
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Kathrin Ludwig
Die Kosmetikwissenschaftlerin hat Erfahrung in der klinischen Forschung und arbeitet in der Produktentwicklung mit dem Schwerpunkt Claim Support und Science Communication.

Dieser Artikel stammt aus dem Fachmagazin BEAUTY FORUM
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