
Eine Krise ist eine Phase intensiver emotionaler Belastung, in der Menschen Schwierigkeiten haben, mit der aktuellen Situation umzugehen. Auslöser sind plötzliche Lebensveränderungen, die wir so schnell nicht verarbeiten können. Im Interview verrät Heilpraktiker für Psychotherapie und Personal Coach Abbas Schirmohammadi Strategien, einen Weg aus der Krise zu finden.

Abbas Schirmohammadi
Heilpraktiker für Psychotherapie, Personal Coach,
Mediator. Der Autor von Gesundheits-CDs und
Fachpubikationen zählt seit über einem Jahrzehnt zu Deutschlands führenden Experten für ganzheitliche Gesundheit. www.gesundheits-cds.de
www.abbas-schirmohammadi.de
Gibt es bestimmte Anzeichen, die eine Krise kennzeichnen?
Abbas Schirmohammadi: Zu den häufigsten Merkmalen zählen körperliche Symptome wie Appetitveränderungen, Schlafstörungen und unerklärliche physische Beschwerden. Auch heftige Stimmungsschwankungen wie Traurigkeit, Wut und Angst, Zunahme von riskantem Verhalten, der Gebrauch von Drogen als Bewältigungsstrategie, Verlust des Interesses an bislang gern ausgeführten Aktivitäten, sozialer Rückzug, kognitive Schwierigkeiten wie Überforderung, Konzentrationsprobleme und Entscheidungsdrama sind häufig. Die Symptome können in allen Heftigkeitsstufen auftreten.
Welche Auslöser führen typischerweise zu psychischen Krisen?
Vor allem der Tod eines geliebten Menschen, das Ende der Partnerschaft oder einer sehr wichtigen Freundschaft, traumatische Erlebnisse wie Unfälle, Gewalt oder Naturkatastrophen, Konflikte am Arbeitsplatz, Jobverlust oder Überforderung durch Arbeitsbelastung, Lebensveränderungen wie Umzug, eine schwere Krankheit oder chronische Schmerzen sind Auslöser für eine Krise. Daraus resultieren Überforderung und Hilflosigkeit, was die Krise und das psychische Tief auslösen kann.
Welche Rolle spielen Krisen in Bezug auf Longevity?
Longevity ist die Fähigkeit, ein langes Leben zu führen. Es umfasst nicht nur die Anzahl der Lebensjahre, sondern auch die Qualität und Gesundheit dieser Jahre. Faktoren, die Longevity beeinflussen, sind die Ernährung, körperliche Aktivität, genetische Veranlagung, Lebensstil und psychisches Wohlbefinden. Krisen können eine gewichtige Rolle in Bezug auf Longevity spielen. Sie verursachen hohen Stress, der das Immunsystem schwächt und das Risiko für gefährliche Krankheiten erhöht. Sie bieten aber auch die Chance auf Resilienz und persönliches Wachstum.
Eine Krise kann nach dem ersten Tiefschlag als Katalysator für positive Veränderungen dienen – zum Beispiel mehr Bewegung, gesündere Ernährung oder soziale Unterstützung. Krisen können also das Leben verkürzen oder verlängern.
Sehen Sie Unterschiede zwischen akuten Krisen oder längerfristigen, schleichenden Krisensituationen?
Ja. Akute Krisen treten urplötzlich auf und sind durch ein spezifisches Ereignis ausgelöst, zum Beispiel der Verlust eines geliebten Menschen oder ein schwerer Unfall.
Schleichende Krisen entwickeln sich über einen längeren Zeitraum und sind das Ergebnis von chronischen Konflikten, anhaltendem Stress oder langsamen Lebensveränderungen. Akute Krisen erfordern kurzfristige Interventionen, während schleichende Krisen langfristige therapeutische Unterstützung benötigen, um die zugrunde liegenden Probleme zu identifizieren und zu bewältigen.
Welche Sofortmaßnahmen gibt es?
Es geht darum, die schlimme Situation zu stabilisieren und eine erste Unterstützung zu bieten.
Versuchen Sie, ruhig zu bleiben und sich auf Ihre Atmung zu konzentrieren, um Panik zu vermeiden. Kontaktieren Sie Familie, Freunde oder Hilfsdienste für emotionalen Beistand. Entfernen Sie sich von stressigen/gefährlichen Situationen, um Sicherheit zu gewährleisten. Erkennen Sie Ihre unmittelbaren Bedürfnisse und priorisieren Sie Aufgaben, um Überforderung zu vermeiden.
In schweren Fällen, holen Sie sich sofortige Hilfe durch einen Therapeuten/Notdienst. Eine akute Krise zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Ein gutes Notfallmanagement ist essenziell.
Und was kann bei längerfristigen Krisen helfen?
Hier geht es darum, das Wohlbefinden zu verbessern und das große Problem zu bewältigen. Der enge Kontakt mit einem Therapeuten hilft, die zugrunde liegenden Probleme zu identifizieren und passende Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Setzen Sie auf ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und viel Bewegung. Der Austausch mit Familie, Freunden oder Selbsthilfegruppen verringert Isolation und bietet emotionale Unterstützung.
Atemübungen, Meditation, Autogenes Training und Yoga bauen Stress ab und fördern die emotionale Stabilität. Das Setzen erreichbarer Ziele hilft, den Fokus zu halten, Fortschritte zu erkennen und so weitere Motivation zu gewinnen. Das Ziel ist, gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
Welche Ansätze wenden Sie in der Psychotherapie an, um Menschen in Krisen zu helfen?
Die kognitive Verhaltenstherapie hilft, negative Denkmuster zu erkennen und durch positive zu ersetzen, um das Verhalten und die Gefühle zu verbessern.
Die psychodynamische Therapie analysiert unbewusste Prozesse und Erfahrungen aus der Vergangenheit, die die Krise unterstützt haben könnten, um durch die Erkenntnisse langfristige Veränderungen zu ermöglichen. Meditation und Achtsamkeitstraining fördern das Bewusstsein für den Moment und bauen Stress ab.
Bei der systemischen Therapie wird das Umfeld des Klienten, zum Beispiel Familie und soziale Beziehungen, einbezogen, um ein umfassendes Verständnis der Krise zu erlangen und Unterstützung zu mobilisieren.
Mit der lösungsorientierten Therapie können Lösungen für aktuelle Probleme entwickelt und die Ressourcen gestärkt werden. Eine vertrauensvolle, regelmäßige Zusammenarbeit zwischen Therapeut und Klient ist mitentscheidend für den Erfolg.
Welche Selbsthilfetechniken können unterstützen?
Regelmäßige, tiefe Atemzüge bauen Stress ab und fördern die Entspannung. Sich positive Szenarien vorzustellen reduziert Stress und stärkt das Selbstvertrauen.
Achtsamkeit und Meditation unterstützen, negative Gedankenmuster zu durchbrechen und im Moment präsent zu sein. Die progressive Muskelentspannung löst kör-perliche Spannungen und fördert Ruhe. Bewegung und Sport setzen Endorphine frei und verbessern die Stimmung. Das Aufschreiben von Gefühlen und Gedanken lässt Klarheit gewinnen und Emotionen verarbeiten. Je aktiver der Betroffene an sich arbeitet, desto schneller kann er die Krise besiegen.
Welche Rolle spielt die Selbstreflexion bei der Krisenbewältigung?
Durch sie können wir negative Verhaltensweisen und Denkmuster identifizieren, die die Krise verschärfen. Wir können ein Bewusstsein für die eigene Rolle entwickeln, Schritte zur Veränderung unternehmen, neue Perspektiven und Lösungsansätze finden, die zur Bewältigung beitragen, und persönliches Wachstum fördern, indem wir die Krise als Chance nutzen, um zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Es bringt nichts, die Realität umzugestalten und sich selbst etwas schönzureden. Das Erkennen des eigenen Anteils an der Krise und die Bereitschaft, mit voller Kraft der Krise den Rücken zeigen zu wollen, sind wichtige Faktoren. So kann tatsächlich das Stroh der Krise zum Gold der Zukunft gesponnen werden.
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In seinem 2024 erschienen Buch und seiner CD „Hilfe in miesenZeiten“ (erschienen im Mankau Verlag) gibt Abbas Schirmohammadi eine Anleitung, um persönliche Krisen in fünf Schritten zu meistern.