
Als Exposom bezeichnet man die Gesamtheit aller nicht genetischen Faktoren, die die Haut beeinflussen. Dazu zählen vor allem die Umweltfaktoren. Wir haben einen der führenden Experten für umweltmedizinische Forschung, Prof. Dr. Jean Krutmann, zum Einfluss auf die Haut sowie zu kosmetischen Schutzmaßnahmen von heute und morgen befragt. Hier kommen seine Antworten.
MEDICAL: Welche Umweltfaktoren wirken auf die Haut?
Prof. Dr. Jean Krutmann: Der bekannteste Umweltfaktor ist natürlich die Sonnenbestrahlung; zunehmend bekannt ist die Luftverschmutzung. Neu ist der Zusammenhang mit dem sogenannten Hitzeindex. Der Hitzeindex ist ein Faktor, der aus der relativen Luftfeuchtigkeit und den Außentemperaturen gebildet wird. Die Außentemperaturen steigen aufgrund des Klimawandels im Augenblick leider kontinuierlich. Es gibt Länder, die das noch stärker betrifft als Deutschland wie zum Beispiel Indien. Dort haben wir eine Studie durchgeführt und einen deutlichen Zusammenhang zwischen steigenden Temperaturen und dem Auftreten von Hautalterung festgestellt. Wichtig dabei ist, dass dies unabhängig von der Sonnenbestrahlung ist.
Wir haben uns das auch mechanistisch angeschaut und herausgefunden, dass bei höheren Temperaturen mehr Melanin in der Haut gebildet wird. Dies kann erklären, dass vermehrt Altersflecken auftreten. Aber auch die Faltenbildung nimmt zu. Wir wissen für die verstärkte Hautpigmentierung, dass sie über oxidativen Stress vermittelt wird.
MEDICAL: Welche kosmetischen Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht am effektivsten?
Man könnte jetzt schon fast sagen, Gott sei Dank ist oxidativer Stress beteiligt, denn es gibt ja mittlerweile sehr viele wirksame Antioxidantien, die auch in kosmetische Produkte eingearbeitet werden können. Wir haben in der Tat sehr schöne Studienergebnisse, dass bestimmte Antioxidantien sehr gut wirken und die durch Temperatur ausgelöste Hautbräunung deutlich reduzieren und nahezu komplett verhindern können.
MEDICAL: Welche wären denn ad hoc für Sie die wichtigsten Antioxidantien für die Kosmetik?
Ich bin als Wissenschaftler immer ein Verfechter von allem, was wissenschaftsbasiert ist und für das eine gute Evidenzlage besteht. Insofern steht das Vitamin C natürlich an erster Stelle. Hierzu gibt es sehr überzeugende und viele Studien. Diese zeigen, dass Vitamin C viele gesundheitsfördernde Effekte für die Haut hat und sie auch zu schützen vermag.
Ein anderes Antioxidans, das auch studienmäßig sehr gut belegt ist, ist das Carnosin. Dann gibt es natürlich Vitamin E, und auch noch eine ganze Reihe von Extrakten. Das sind immer tolle Marketinggeschichten, weil man was erzählen kann, zum Beispiel aus welchen Pflanzen sie kommen und aus welchen Regionen. Das ist durchaus attraktiv für Verbraucher. Aber mein Rat ist auch immer, nachzuschauen, ob das Antioxidans auch wirklich gut untersucht worden ist in kontrollierten Studien. Das bedeutet, ob es verglichen worden ist gegen eine Kontrolle, in der das Antioxidans oder der Extrakt nicht enthalten war, und ob dann die Unterschiede wirklich signifikant gewesen sind.
Wir arbeiten gerade an zwei Publikationen, in denen wir zum ersten Mal die topisch applizierten Actives miteinander verglichen haben. Wir gehen der Frage nach, was wirkt denn, wenn man evidenzbasierte Kriterien anlegt. Das Ganze machen wir im Augenblick auch für Nahrungsergänzungsmittel und für deren Inhaltsstoffe. Diese Analysen sind aber noch nicht abgeschlossen.
Es gibt ein paar Nahrungsergänzungsmittel, bei denen wir wissen, dass sie super funktionieren wie zum Beispiel Lycopen oder Lutein. Aber es gibt auch viele andere, bei denen Dinge behauptet werden, für die die Evidenzlage deutlich schwächer ist.
MEDICAL: Der Sonnenschutz gilt als wichtigste Maßnahme gegen vorzeitige Hautalterung. Derzeit passiert in diesem Forschungsfeld sehr viel. Wie sieht für Sie der Sonnenschutz der Zukunft aus?
Zum Glück passiert in puncto Sonnenschutz immer noch sehr viel und man ruht sich nicht auf dem aus, was man jetzt die letzten Jahrzehnte erreicht hat. Es gibt ein paar Dinge, die heute erfüllt sein müssen: Das eine ist, der Sonnenschutz muss komplett sein. Das heißt, ich brauche einen Schutz gegen UVB und gegen UVA – hier auch ganz klar gegen den langwelligen UVA-Anteil, also den UVA1-Anteil. Dann, vor allem wenn ich ein dunkler Hauttyp bin, brauche ich auch einen Schutz gegen das sichtbare Licht, insbesondere das en-ergiereiche blaue Licht, das im Sonnenlicht enthalten ist. Sichtbares Licht wirkt auch gern synergistisch mit der UVA1-Strahlung und die Pigmentierung durch UVA wird zum Beispiel noch mal verstärkt. Auch ein Schutz gegen die Infrarot-A-Strahlung ist wichtig, die ja insbesondere zur Faltenbildung beiträgt. Mit anderen Worten, das gesamte hautrelevante Spektrum muss möglichst abgedeckt sein.
Hier können unterschiedliche Strategien angewendet werden: Entweder man hat die richtigen UV-Filter dafür oder man arbeitet auch hier mit Antioxidantien. Beim sichtbaren Licht sind es dann in der Regel getönte Produkte, die das sichtbare Licht entsprechend reflektieren und absorbieren können. Das ist ganz wichtig.
Das zweite ist: Individualisierung oder Personalisierung, weil wir nicht alle denselben Lichtschutz brauchen. Dieser hängt ganz stark von den Hauttypen ab: Je heller meine Haut ist, umso wichtiger ist der Schutz gegen UVB und umso „unwichtiger“ ist der Schutz gegen UVA. Je dunkler der Hauttyp, umso mehr gilt das Gegenteil. Dann ist man besser gegen UVB geschützt, weil man mehr Melanin in der Haut hat, aber man ist empfindlicher gegen die langwellige Strahlung, insbesondere gegenüber UVA1 und auch gegenüber sichtbarem Licht. Hier sollte dann proportional sozusagen gegen diese beiden Wellenlängen der Schutz heraufgefahren werden.
Ebenso wichtig ist natürlich, dass wir möglichst Kombinationen haben wollen aus Produkten, die UV-Filter beinhalten und gleichzeitig Actives. Dies ist ein guter Weg, um auch die UV-Filter-Konzentration in den Produkten nicht unnötig zu erhöhen. Wir wollen leistungsfähige Produkte haben, diese sollen aber auch umweltverträglich sein. Wir wollen auch nicht zu viel UV-Filter auf der Haut haben, gleichzeitig wollen wir aber die Wirksamkeit behalten.
Das ist so ein bisschen der Spagat, den man machen muss. Hier bietet es sich immer an, durch Antioxidantien oder andere Actives ein zusätzliches Wirkprinzip zu haben. Dann kann man mit dem UV-Filter ein bisschen runtergehen, und trotzdem die Wirksamkeit beibehalten.
Das dritte ist natürlich: Das tollste Sonnenschutzprodukt nutzt nichts, wenn ich es nicht gern anwende.
Gerade wenn ich mich gegen Hautalterung schützen möchte, ist die regelmäßige, sozusagen die tägliche Anwendung ganz wichtig. Gerade in den letzten Jahren sind wir durch die ultraleichten Texturen einen großen Schritt weitergekommen. Diese sind angenehm aufzutragen und es ist gar nicht unangenehm, wenn man sich nach drei Stunden Sonne wieder eincremen muss, denn das Sonnenschutzprodukt zieht ganz schnell ein und es bleiben keine Rückstände mehr. Es fühlt sich angenehm an, es hat auch eine pflegende Wirkung. Ich finde, das ist nochmal ein Riesenschritt nach vorne gewesen, denn man muss den Verbraucher auch mitnehmen, sonst nutzt das ja alles nichts.
MEDICAL: Sie haben es ja schon gesagt: Anti-Pollution ist ein ebenso großes Thema. Gibt es auch hier einen effektiven Schutz von innen?
Zu Nahrungsergänzungsmitteln haben wir gerade zwei Studien durchgeführt. Beide Studien zeigen dasselbe Ergebnis: Es funktioniert. Gerade der Schutz von innen, der ja auf Antioxidantien beruht, hilft natürlich dann, wenn das Problem über oxidativen Stress vermittelt wird.
MEDICAL: Empfehlen Sie jedem Antioxidantien von innen?
Das ist ein bisschen Typsache. Manche Menschen nehmen lieber morgens eine Kapsel und sind dann für den Rest des Tages geschützt. Andere schlucken nicht gern etwas, haben es lieber, wenn sie nur die Hautareale schützen, auf die sie dann ein kosmetisches Produkt auftragen. Und dann gibt es die dritte Gruppe, die machen beides, das ist perfekt.
Ich persönlich bin durchaus ein Verfechter von diesen systemischen Strategien. Das ist eine sinnvolle Ergänzung zu den topischen Strategien, weil damit ein gleichmäßiger Schutz besteht. Der ist vielleicht, wenn es um UVB-Schutz geht, nicht so stark und so hoch wie beim ausgewiesenen Sonnenschutzmittel, macht aber einen super Basisschutz. Dieser ist am wichtigsten gegen UVA1-strahlungsinduzierte Hautveränderung, Luftverschmutzung oder für Temperaturen.
MEDICAL: Glauben Sie, dass es auch mal eine Art Lichtschutzfaktor gegen Pollution geben wird?
Ja, ich denke, das wäre in jedem Fall im Sinne des Verbrauchers. Denn im Augenblick ist das nicht richtig geregelt. Aber dies ist natürlich immer ein langer Weg. Wir müssen uns nur daran erinnern, wie lange es gedauert hat, bis man sich auf die Definition des Lichtschutzfaktors einigen konnte. Und das ist ja jetzt nur UVB-Schutz!
Bei UVA haben wir mehrere Faktoren, und das ist – je nach Land, in dem man das Produkt verkauft – auch ein bisschen unterschiedlich geregelt, was auf den Verpackungen steht. Ich finde es immer schlecht, wenn es zur Verwirrung des Verbrauchers beiträgt, auch wenn es von der Intention her eigentlich dazu gedacht ist, eine Orientierungshilfe zu bieten. Das gilt leider auch für sichtbares Licht. Hier sind wir momentan am Pushen, dies auch zu regeln. Ebenso gilt dies für Infrarotschutz und natürlich auch für Luftverschmutzung. Aber es ist schon mal gut, wenn überhaupt auf den Produkten draufsteht, dass sie klinisch getestet worden sind.
Dann kann man sich in der Regel auch noch mal schlaumachen, was es für eine Studie war, insbesondere ob es eine kontrollierte Studie war, und die Wirksamkeitsbehauptungen glaubhaft sind. Alles andere wird die Zeit zeigen. Aber ich denke, da werden wir hinkommen.
MEDICAL: Vielen Dank für das Interview.

Prof. Dr. Jean Krutmann
Wissenschaftlicher Geschäftsführer des IUF – Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung und Leiter der Arbeitsgruppe „Umweltinduzierte Hautalterung“. www.iuf-duesseldorf.de