Sanfte Mikrobiom-Pflege

26.08.2025
Foto: Dusan Petkovic/Shutterstock.com

Das Hautmikrobiom ist ein wichtiger Faktor für gesunde Haut und gewinnt in Forschung und Kosmetik immer mehr Aufmerksamkeit. Begriffe wie „präbiotisch“ oder „microbiome-friendly“ sind deshalb heute häufiger auf Hautpflegeprodukten zu finden. Doch was genau bedeuten sie – und wie wirkt sich das auf unsere Haut aus?

Das Hautmikrobiom hat sich von einem Nischenthema der Dermatologie zu einem zentralen Trend in der Kosmetik entwickelt. Es bildet ein komplexes Ökosystem aus Bakterien, Pilzen und Viren. In gesunder Haut befindet sich diese mikrobielle Gemeinschaft in einem dynamischen Gleichgewicht. Wird dieses Gleichgewicht gestört, etwa durch Umweltstress, veränderten pH-Wert oder ungeeignete Pflegeprodukte, kann das die Hautbarriere schwächen und entzündliche Prozesse begünstigen.
Begriffe wie „microbiome-friendly“, „präbiotisch“ oder „postbiotisch“ finden sich heute auf einigen Hautpflegeprodukten. Doch was genau steckt dahinter? Und wie lässt sich die Verträglichkeit eines Produkts mit dem Hautmikrobiom wissenschaftlich überprüfen?
Das Verständnis der Rolle des Mikrobioms bei Hauterkrankungen, die Auswahl mikrobiomfreundlicher  Wirkstoffe für Kosmetika sowie neue Testmethoden zur Belegung entsprechender Produktversprechen spielen dabei eine zentrale Rolle.

Das Mikrobiom und Hauterkrankungen

Unser Körper beherbergt etwa fünfmal so viele bakterielle Zellen wie menschliche Zellen. Das Mikrobiom ist also kein stiller Begleiter, sondern ein zentraler Teil von uns. Auf der Haut bildet sich ein komplexes Ökosystem aus Bakterien, Pilzen, Viren und anderen Mikroorganismen, das 
in enger Wechselwirkung mit der Hautbarriere und dem Immunsystem steht. Diese Gemeinschaft hilft, Krankheitserreger abzuwehren, trägt zur Stabilität der Hautbarriere bei und moduliert Immunreaktionen. In gesunder Haut befinden sich diese Mikroorganismen in einem fein abgestimmten Gleichgewicht.
Bei bestimmten Hauterkrankungen wie Akne, Psoriasis oder atopischer Dermatitis ist dieses Gleichgewicht häufig gestört – ein Zustand, der als Dysbiose bezeichnet wird. Dieser mikrobiologische Wandel betrifft nicht nur die Diversität, sondern auch die funktionelle Aktivität einzelner Bakterienarten und deren Wechselwirkung mit dem Immunsystem.
Akne vulgaris ist durch eine Dominanz bestimmter virulenter Stämme von Cutibacterium acnes (vormals Propionibacterium acnes) charakterisiert. Während Cutibacterium acnes ein typischer Hautkommensale ist, zeigen metagenomische Analysen, dass akneassoziierte Areale eine verringerte genetische Diversität und eine Überrepräsentation entzündungsfördernder Bakterienstämme aufweisen. 
Auch Staphylococcus epidermidis, ebenfalls ein natürlicher Bestandteil der Hautflora, tritt in aknebetroffenen Regionen verstärkt auf. Neuere Ansätze betrachten auch die Bedeutung der Darm-Haut-Achse, bei der Stress über Veränderungen der Darmflora und eine erhöhte intestinale Permeabilität indirekt Hautentzündungen verstärken könnte. Bei Psoriasis zeigt sich eine signifikant reduzierte bakterielle Diversität, begleitet von einer Abnahme kommensaler Gattungen wie Cutibacterium spp. (species pluralis) sowie einer Zunahme potenziell pathogener Spezies wie Streptococcus und Staphylococcus aureus. 
Diese mikrobielle Verschiebung steht im Zusammenhang mit der Aktivierung entzündlicher Signalwege. Studien deuten darauf hin, dass bakterielle Metabolite über zelluläre Rezeptoren immunologische Prozesse regulieren können.

Mikrobielle Balance schaffen

Auch die Wundheilung ist eng mit der mikrobiellen Balance verknüpft. Bestimmte kommensale Mikroorganismen, also natürliche Bestandteile der Hautflora, können den Heilungsprozess unterstützen, während potenziell pathogene Spezies wie Staphylococcus aureus häufig in schlecht heilenden Wunden nachweisbar sind. Entscheidend ist nicht nur die Präsenz einzelner Bakterien, sondern auch ihre Zusammensetzung und funktionelle Aktivität: Eine reduzierte Diversität und das Überwiegen entzündungsfördernder Stämme können die Hautbarriere schwächen und Entzündungen fördern. Umgekehrt fördern ausgewogene mikrobielle Gemeinschaften über antimikrobielle Substanzen, pH-Regulation oder Immunmodulation die Regeneration. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass eine intakte Mikrobiota zur Wundheilung beiträgt. Pflegeansätze, die auf die Erhaltung dieser mikrobiellen Balance und damit auf die Unterstützung des natürlichen Hautmikrobioms abzielen, gewinnen daher zunehmend an Bedeutung.
Angesichts dieser Erkenntnisse rückt in der kosmetischen Forschung verstärkt die Frage in den Fokus, wie sich Hautpflegeprodukte auf das Mikrobiom auswirken. Ziel ist es, Formulierungen zu entwickeln, die die Vielfalt und Funktion der Hautmikrobiota erhalten. Etwa durch milde Formulierungen, die den physiologischen pH-Wert respektieren, und Inhaltsstoffe, deren mikrobielle Interaktionen wissenschaftlich belegt sind. So kann Hautpflege helfen, Dysbalancen zu vermeiden und die Stabilität des Mikrobioms zu unterstützen – besonders bei empfindlicher Haut oder einer gestörten Hautbarriere.

Wirkstoffe für mikrobiom-freundliche Hautpflege

Vor dem Hintergrund wachsender Erkenntnisse über die Rolle des Mikrobioms für die Hautgesundheit richtet sich der Blick der kosmetischen Forschung zunehmend auf Inhaltsstoffe, die das mikrobielle Gleichgewicht erhalten.
Manche Marken bewerben ihre Hautpflegeprodukte als „probiotisch“, doch aus regulatorischer Sicht ist diese Bezeichnung problematisch. Probiotika sind per Definition lebende Mikroorganismen, die (in ausreichender Menge) eine gesundheitsfördernde Wirkung entfalten können. Ihre Anwendung auf der Haut wird zwar medizinisch erforscht (zum Beispiel zur Wundheilung), ist jedoch für kosmetische Produkte kaum praktikabel. Denn Kosmetika müssen konserviert sein und dürfen aus Sicherheitsgründen keine vermehrungsfähigen Keime enthalten. Die Lebensfähigkeit von Mikroorganismen steht somit im Widerspruch zur Produktsicherheit. Ein zentraler Grund, warum echte Probiotika in Kosmetik so gut wie nicht einsetzbar sind.
Die Antwort der Kosmetikindustrie auf diese Herausforderung: Wirkstoffe, die nicht selbst lebendig sind, aber das Hautmikrobiom gezielt unterstützen können – allen voran sogenannte Prä- und Postbiotika.
 

  • Präbiotika wie Inulin oder bestimmte Oligosaccharide dienen gezielt als Nährstoffquelle für nützliche Hautbakterien und fördern so deren Wachstum und Aktivität.
  • Postbiotika umfassen hingegen Stoffwechselprodukte, Zellbestandteile oder inaktivierte Mikroorganismen, die eine Vielzahl hautphysiologischer Effekte aufweisen können. Sie können antimikrobiell, antioxidativ, entzündungshemmend oder barrierestärkend wirken.
     

Kosmetische Formulierungen mit fermentierten Extrakten, bakteriellen Enzymen, ausgewählten Metaboliten oder postbiotischen Lysaten können die Hautfeuchtigkeit, Elastizität und Hautstruktur verbessern. Studien zeigen darüber hinaus Hinweise auf eine Normalisierung des mikrobiellen Gleichgewichts, einen ebenmäßigeren Teint (engl. radiance) und eine sichtbare Minderung von Falten. Diese Effekte sind besonders relevant bei Hautzuständen mit gestörter Barrierefunktion. Die topische Anwendung mikrobiomfreundlicher Wirkstoffe könnte hier helfen, die natürliche Schutzfunktion der Haut zu erhalten oder wiederherzustellen, ohne das mikrobielle Gleichgewicht zu beeinträchtigen.

Personalisierte
Hautpflege

Zukünftige Entwicklungen in der personalisierten Hautpflege könnten es ermöglichen, mithilfe von Genomsequenzierung und künstlicher Intelligenz postbiotische Wirkstoffe so auszuwählen, dass sie optimal auf das individuelle Hautmikrobiom abgestimmt sind. Damit eröffnet sich ein neues Kapitel wissenschaftsbasierter Kosmetik. Mit dem wachsenden Interesse am Hautmikrobiom nimmt auch die Zahl kosmetischer Produkte zu, die mit Aussagen wie „mikrobiomfreundlich“ oder „unterstützt das Hautmikrobiom“ werben. Doch wie lassen sich solche Claims wissenschaftlich untermauern?
Ein zentrales Problem ist das Fehlen einheitlicher Prüfmethoden für mikrobiombezogene Claims. Viele Unternehmen entwickeln eigene Verfahren, die sich zwar bewährt haben, jedoch (noch) nicht als branchenweiter Standard gelten. Die Aussagekraft hängt daher stark von der wissenschaftlichen Sorgfalt und Transparenz der jeweiligen Anbieter ab.
Inzwischen gibt es mehrere spezialisierte Anbieter, die externe Prüfungen und Zertifizierungen anbieten. Grundlage ist meist die Analyse der bakteriellen Vielfalt mittels moderner Sequenzierungstechnologien (zum Beispiel 16S-rRNA-Analyse).
Allen gemeinsam ist: Sie prüfen, ob Produkte die mikrobielle Balance erhalten. Ein wichtiger Schritt für evidenzbasierte Aussagen zu „mi-
krobiomfreundlicher“ Kosmetik. Für Unternehmen, die solche Claims verantwortungsvoll nutzen wollen, ist es entscheidend, das Thema Mi-
krobiom von Anfang an in die Produktentwicklung einzubeziehen.

Hautpflege neu denken

Das Hautmikrobiom ist ein Schlüsselfaktor für die Hautgesundheit, der zunehmend im Zentrum dermatologischer und kosmetikwissenschaftlicher Forschung steht. Studien zeigen, dass eine stabile, vielfältige Mikrobiota die Hautbarriere stärkt und Immunreaktionen reguliert. Gleichzeitig wächst das Verständnis dafür, wie äußere Einflüsse dieses Gleichgewicht stören können und wie Pflegeprodukte dem entgegenwirken sollten.
Mikrobiomfreundliche Hautpflege zielt darauf ab, die Diversität und Funktionalität der Mikroorganismen auf der Haut zu erhalten oder wiederherzustellen. Besonders vielversprechend erscheinen postbiotische Wirkstoffe: Sie gelten als sicher, stabil und technologisch gut integrierbar, mit potenziell entzündungshemmenden, antioxidativen und barrierestärkenden Effekten.
Ob durch prä- oder postbiotische Inhaltsstoffe, milde Formulierungen oder individualisierte Analyseplattformen – die Zukunft der Hautpflege liegt in Konzepten, die biologische Komplexität respektieren. Entscheidend bleibt: Mikrobiom-freundliche Kosmetik sollte wissenschaftlich fundiert, sorgfältig validiert und transparent kommuniziert werden.

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Foto: Kathrin Ludwig

Kathrin Ludwig
Die Kosmetikwissenschaftlerin hat Erfahrung in der klinischen Forschung und arbeitet in der Produktentwicklung mit dem Schwerpunkt Claim Support und Science Communication.

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