Neuro Glow

10.10.2025
Foto: Gorodenkoff/Shutterstock.com

„Glow“, das Strahlen einer gesunden, lebendigen Haut, gilt als Synonym für Schönheit, Gesundheit und Wohlbefinden. Doch während es vor einigen Jahren beim Teint vor allem um Pflegeprodukte, Make-up und gesunde Ernährung ging, öffnet sich heute eine neue Dimension: der Neuro Glow.

Hinter dem Begriff „Neuro Glow“ verbirgt sich die Idee, dass unsere Haut nicht nur durch äußere Pflege, sondern auch durch neuronale Prozesse und emotionale Balance zum Strahlen gebracht werden kann. Das Marktforschungsunternehmen Mintel gab Neuro Glow bereits 2024 als wichtigsten Trend an und definierte ihn als ganzheitliche Schönheit, bei der geistiges Wohlbefinden und körperliches Erscheinungsbild mitei-nander verbunden sind.1 Neuro Glow ist jedoch viel mehr als ein Trend oder Marketingwort, denn er steht für ein neues Verständnis von Hautgesundheit, das neurologische, psychodermatologische und kosmetische Ansätze vereint.

Die Verbindung zwischen Haut und Nervensystem

Das Verständnis des Neuro Glows basiert auf der engen Verbindung von Haut und Nervensystem. Denn unsere Haut ist nicht nur das größte Organ, sondern auch ein hoch sensibles Kommunikationssystem sowie ein hoch entwickeltes Sinnesorgan, das in enger Verbindung mit dem Nervensystem steht. 
Beide stammen aus demselben em-
bryonalen Ursprung und tauschen über spezialisierte Rezeptoren ständig Informationen aus.2 Wissenschaftliche Untersuchungen belegen zunehmend diese enge funktionelle Verbindung zwischen Haut und Nervensystem. 
Manche Forschende bezeichnen die Haut sogar als eine Art „verlängertes Nervensystem“. Damit erhalten umgangssprachliche Formulierungen wie „Die Haut ist der Spiegel unserer Seele“ oder „Das geht unter die Haut“ eine neurobiologische Grundlage. 
Emotionale Zustände wie Ekel, Scham oder Angst äußern sich in unmittelbaren somatischen Reaktionen wie Gänsehaut, Erröten oder Schwitzen und verdeutlichen, dass die Haut Gefühle in physiologische Antworten übersetzt und somit ein sichtbarer Indikator innerer Prozesse ist. 
Darüber hinaus fungiert die Haut als komplexes neuroimmunologisches System. Sie verfügt über ein dichtes Netzwerk sensorischer Nervenfasern, besitzt die Fähigkeit zur Synthese und Metabolisierung zahlreicher Neurotransmitter (zum Beispiel Acetylcholin, Substanz P, Serotonin) und ist über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse eng mit dem endokrinen System verbunden.
Über diese Achsen werden psychische Zustände und Umweltreize direkt in epidermale und dermale Funktionen übersetzt, was sich beispielsweise in Veränderungen der Barrierefunktion, einer Modulation der Sebumproduktion oder der Induktion inflammatorischer Prozesse äußert. 
Das Konzept des Neuro Glows baut auf diesen Mechanismen auf. Es beschreibt die Beobachtung, dass positive neuropsychologische Zustände wie Entspannung, Freude oder Glücksempfinden die Homöostase der Haut stabilisieren und dadurch sichtbare Parameter wie Durchblutung, Hydratation und Strahlkraft verbessern.
Auf molekularer Ebene zeigen Daten, dass Botenstoffe wie Dopamin und Oxytocin sowie Sexualhormone über die Modulation des neuroendokrinen und immunologischen Systems die Hautbarriere stärken, Entzündungsreaktionen reduzieren und Alterungsprozesse verlangsamen können.

Neurokosmetische ­Wirkstoffe

Die Kosmetikwissenschaft macht sich die enge Verbindung von Haut und Nervensystem zunutze und setzt heute moderne, neurokosmetische Wirkstoffe ein, die gezielt auf neuronale Mechanismen der Haut einwirken sollen. Hierbei werden Rezeptoren und Botenstoffe in der Haut stimuliert, die Gefühle wie Wohlbefinden oder Entspannung hervorrufen können. 
Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz spezifischer Peptide wie Acetyl-Hexapeptid-8, die in der Lage sind, die neuronale Signalübertragung an mimische Gesichtsmuskeln zu modulieren. Durch die Abschwächung der Reizweiterleitung wird
die muskuläre Kontraktion vermindert, was sich in einer reduzierten Oberflächenspannung und einem insgesamt entspannteren Gesichtsausdruck äußert.6 
Ein weiteres dynamisches Forschungsfeld innerhalb der Neuro-kosmetik umfasst Wirkstoffe, die mit Cannabinoid-Rezeptoren der Haut interagieren, insbesondere mit den Subtypen CB1 und CB2. Diese Sub-stanzen zeigen in präklinischen und ersten klinischen Untersuchungen vielversprechende Effekte bei der Minderung von Juckreiz, Schmerzen und entzündlichen Prozessen. Gleichzeitig weisen sie das Potenzial auf, die emotionale Befindlichkeit über ihre Einbindung in das endogene Cannabinoid-System positiv zu modulieren.7 
Darüber hinaus richtet sich das Interesse auf Substanzen, die transiente Rezeptorpotenzialkanäle (TRP-Kanäle) sowie kutane Mechanorezeptoren beeinflussen. Diese Rezeptoren steuern sensorische Wahrnehmungen wie Temperatur, Berührung oder Textur. Ihre gezielte Ansprache eröffnet neue Möglichkeiten, emotionale Zustände über sensorische Stimuli zu modulieren und die Haut-Nerven-Achse therapeutisch beziehungsweise kosmetisch nutzbar zu machen.
Der Extrakt aus der Cherimoya-Frucht scheint zunächst weniger bekannt, findet sich jedoch bereits in zahlreichen Produkten wieder. In einer placebokontrollierten Studie mit 117 Probandinnen, die entweder empfindliche Haut oder einen stark belastenden Lebensstil aufwiesen, zeigte sich eine signifikante Verbesserung sowohl des Hautbilds als auch des subjektiven Hautempfindens. Darüber hinaus wurden systemische Effekte nachgewiesen: Der Extrakt senkte das psychische Stressniveau, verbesserte die Schlafqualität und führte zu einer messbaren Reduktion des Stresshormons Cortisol im Speichel, was ein Hinweis auf die Wirksamkeit über die Haut-Gehirn-Achse ist.
Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist ein Wirkstoff auf Basis des Timut-Pfeffers. Erste Untersuchungen legen nahe, dass dieser Pflanzenextrakt nicht nur die neuronale Aktivität in der Haut unterstützt und das Hautbild harmonisiert, sondern auch neurobiologische Strukturen vor altersassoziiertem Abbau schützt. Ergänzend konnte gezeigt werden, dass das emotionale Wohlbefinden bei gestressten Probandinnen und Probanden durch die Anwendung spürbar gesteigert wurde.10
Die Rolle des individuellen Lebensstils
Neben der topischen Anwendung kosmetischer Produkte spielt der individuelle Lebensstil eine zentrale Rolle für die Ausprägung des sogenannten Neuro Glows. Verschiedene evidenzbasierte Faktoren beein-
flussen dabei maßgeblich die physiologischen und psychoneurobiologischen Prozesse der Haut. 
So fördert eine ausreichende Schlafqualität die Ausschüttung des Wachstumshormons (Growth Hormone, GH), das für DNA-Reparaturmechanismen sowie die epidermale Proliferation essenziell ist.11 Umgekehrt führt chronischer Schlafmangel zu einer Beeinträchtigung der Hautbarriere und zu einem erhöhten transepidermalen Wasserverlust, was sich in einem fahlen Hautbild äußern kann.12 
Auch die Fähigkeit zur Stressregulation ist entscheidend, da ein anhaltender erhöhter Cortisolspiegel eine Dysregulation der Talgdrüsenaktivität begünstigen und entzündliche Hautzustände verursachen kann.13 Darüber hinaus kann Stress Entzündungsmediatoren freisetzen. Das sind Botenstoffe wie Histamin, Interleukine oder Prostaglandine, die Teil der natürlichen Abwehr- und Regulationsmechanismen des Körpers sind. Sie tragen dazu bei, dass das Immun-system aktiviert wird, Blutgefäße sich erweitern und Immunzellen an den Ort des Geschehens gelangen. Werden dieses Botenstoffe dauerhaft oder übermäßig freigesetzt, zum Beispiel durch chronischen Stress, kann das zu einer ständigen Reizung und Entzündungsbereitschaft der Haut führen. Die Haut wird empfindlicher, neigt zu Rötungen, Juckreiz oder sogar chronischen Entzündungen.14 Daher gelten in der modernen Kosmetik Maßnahmen des Stress-managements als indirekt haut-
optimierend. 
Die Ernährung stellt einen weiteren wichtigen Einflussfaktor dar. Nährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren, antioxidative Polyphenole und die Aminosäure Tryptophan sind unerlässlich für die Synthese von Neurotransmittern und wirken sich dadurch sowohl auf das zentrale Nervensystem als auch auf die Hautphysiologie positiv aus.15 Nicht zuletzt trägt körperliche Aktivität zum Neuro Glow bei. Regelmäßige Bewegung steigert die periphere Durchblutung, verbessert die Sauerstoffversorgung des Gewebes und fördert durch die Ausschüttung von Endorphinen ein nachweisbares psychophysiologisches Wohlbefinden.16, 17
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Neuro Glow als Ergebnis komplexer Wechselwirkungen zwischen Haut und Psyche zu verstehen ist. Er markiert einen Paradigmenwechsel hin zu einem integrativen Verständnis von Schönheit, das Hautphysiologie und emotionales Wohlbefinden gleichermaßen umfasst.


Literatur:
    1    www.mintel.com/press-centre/mintel-announces-global-beauty-and-personal-care-trends-for-2024/ Stand: August 2025
    2    Jameson C, Boulton KA, Silove N, Nanan R, Guastella AJ. Ectodermal origins of the skin-brain axis: a novel model for the developing brain, inflammation, and neurodevelopmental conditions. Mol Psychiatry. 2023 Jan; 28 (1): 108–117. doi: 10.1038/s41380-022-01829-8. Epub 2022 Oct 25. PMID: 36284159; PMCID: PMC9812765
    3    Chen YY, Liu LP, Zhou H, Zheng YW, Li YM. Recognition of Melanocytes in Immuno-Neuroendocrinology and Circadian Rhythms: Beyond the Conventional Melanin Synthesis. Cells. 2022 Jun 30; 11 (13): 2082. doi: 10.3390/cells11132082. PMID: 35805166; PMCID: PMC9266247
    4    Robles TF, Brooks KP, Kane HS, Schetter CD. Attachment, skin deep? Relationships between adult attachment and skin barrier recovery. Int J Psychophysiol. 2013 Jun; 88 (3): 241–52. doi: 10.1016/j.ijpsycho.2012.04.007. Epub 2012 Apr 27. PMID: 22546664; PMCID: PMC3467323.
    5    Alexander R, Aragón OR, Bookwala J, Cherbuin N, Gatt JM, Kahrilas IJ, Kästner N, Lawrence A, Lowe L, Morrison RG, Mueller SC, Nusslock R, Papadelis C, Polnaszek KL, Helene Richter S, Silton RL, Styliadis C. The neuroscience of positive emotions and affect: Implications for cultivating happiness and wellbeing. Neurosci Biobehav Rev. 2021 Feb; 121: 220–249. doi: 10.1016/j.neubiorev.2020.12.002. Epub 2020 Dec 8. PMID: 33307046.
    6    Olsson SE, Sreepad B, Lee T, Fasih M, Fijany A. Public Interest in Acetyl Hexapeptide-8: Longitudinal Analysis. JMIR Dermatol. 2024 Feb 20;7:e54217. doi: 10.2196/54217. PMID: 38376906; PMCID: PMC10915729.
    7    Scheau C, Badarau IA, Mihai LG, Scheau AE, Costache DO, Constantin C, Calina D, Caruntu C, Costache RS, Caruntu A. Cannabinoids in the Pathophysiology of Skin Inflammation. Molecules. 2020 Feb 4; 25 (3): 652. doi: 10.3390/molecules25030652. PMID: 32033005; PMCID: PMC7037408.
    8    Lee K, Jo YY, Chung G, Jung JH, Kim YH, Park CK. Functional Importance of Transient Receptor Potential (TRP) Channels in Neurological Disorders. Front Cell Dev Biol. 2021 Mar 4;9:611773. doi: 10.3389/fcell.2021.611773. PMID: 33748103; PMCID: PMC7969799.
    9    www.clr-berlin.com/de/products/annonasense-clr/ Stand: Juli 2025
    10    Nowak K, Wandrey F, Kappler K, Zülli F. Verbesserung des emotionalen Wohlbefindens und des Hautbildes mit Timut-Pfeffer-Extrakt. sofw journal 03–2024
    11    Elkhenany H, AlOkda A, El-Badawy A, El-Badri N. Tissue regeneration: Impact of sleep on stem cell regenerative capacity. Life Sci. 2018 Dec 1; 214: 51–61. doi: 10.1016/j.lfs.2018.10.057. Epub 2018 Oct 28. PMID: 30393021.
    12    Kim, M.A., Kim, E.J., Kang, B.Y. and Lee, H.K. (2017) The Effects of Sleep Deprivation on the Biophysical Properties of Facial Skin. Journal of Cosmetics , Dermatological Sciences and Applications , 7, 34–47. Doi: 10.4236/jcdsa.2017.71004
    13    Maarouf M, Maarouf CL, Yosipovitch G, Shi VY. The impact of stress on epidermal barrier function: an evidence-based review. Br J Dermatol. 2019 Dec; 181 (6): 1129–1137. doi: 10.1111/bjd.17605. Epub 2019 Mar 18. PMID: 30614527.
    14    Dhabhar FS. Enhancing versus suppressive effects of stress on immune function: implications for immunoprotection and immunopathology. Neuroimmunomodulation. 2009;1 6 (5): 300–17. doi: 10.1159/000216188. Epub 2009 Jun 29. PMID: 19571591; PMCID: PMC2790771.
    15    Clemente-Suárez VJ, Martín-Rodríguez A, Curiel-Regueros A, Rubio-Zarapuz A, Tornero-Aguilera JF. Neuro-Nutrition and Exercise Synergy: Exploring the Bioengineering of Cognitive Enhancement and Mental Health Optimization. Bioengineering (Basel). 2025 Feb 19; 12 (2): 208. doi: 10.3390/bioengineering12020208. PMID: 40001727; PMCID: PMC11851474.
    16    Rossi M, Santoro G, Maurizio S, Carpi A. Spectral analysis of skin blood flowmotion before and after exercise in healthy trained and in sedentary subjects. Int J Sports Med. 2006 Jul; 27 (7): 540–5. 
    17    Chen R, Liu YF, Huang GD, Wu PC. The relationship between physical exercise and subjective well-being in Chinese older people: The mediating role of the sense of meaning in life and self-esteem. Front Psychol. 2022 Nov 10;13:1029587. doi: 10.3389/fpsyg.2022.1029587. PMID: 36438332; PMCID: PMC9685655.

Foto: Meike Streker

Dr. phil. Meike Streker
Die Kosmetikwissenschaftlerin ist Expertin für Hautgesundheit und Skingevity. Sie verfügt über umfassende Erfahrung in kosmetischer und klinischer ­Forschung und gilt als Spezialistin für evidenz­basierte Kosmetik. www.meikestreker.de

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Foto: MEDICAL

Dieser Artikel stammt aus dem Fachmagazin MEDICAL

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