Die Haut lebt

14.08.2025
Foto: dekazigzag/Shutterstock.com

Unsere Haut ist nicht nur ein Schutzmantel, sondern auch ein eigener Lebensraum. Sie wird von Milliarden Mikroorganismen wie Bakterien, aber auch Pilzen, Viren und mikroskopisch kleinen Milben besiedelt. Zusammen bilden sie das sogenannte Hautmikrobiom. 

Diese winzigen Mitbewohner sind alles andere als schädlich, ganz im Gegenteil: Sie spielen eine zentrale Rolle für die Hautgesundheit. Sie helfen dabei, krank machende Keime abzuwehren, regulieren den natürlichen pH-Wert, beruhigen das Immunsystem und halten die Hautbarriere stabil. 
Jede Hautregion hat dabei ihre eigene „Mikrobenmischung“. So leben zum Beispiel auf der Stirn andere Bakterien als auf den Wangen oder den Händen. Und: Jeder Mensch hat ein ganz individuelles Mikrobiom. Ähnlich wie bei einem Fingerabdruck macht es den Menschen einzigartig. Solange dieses komplexe Ökosystem im Gleichgewicht ist, bleibt die Haut gesund, ruhig und widerstandsfähig. Gerät es jedoch aus der Balance, können Hautprobleme von Unreinheiten über Rötungen bis hin zu Entzündungen entstehen. 
Für uns Kosmetikerinnen ist das Wissen um das Mikrobiom an unserer Hautoberfläche deshalb ein besonders wichtiges und wertvolles Werkzeug, um die Haut nicht nur oberflächlich zu pflegen, sondern wirk­lich zu verstehen – und so langfristig zu unterstützen und gesund zu erhalten.

Was das Hautmikrobiom schwächt – und wie wir es schützen können 

Trotz seiner Widerstandsfähigkeit ist das Hautmikrobiom empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen. Gerade im Alltag und in der Hautpflegepraxis lohnt es sich deshalb, auf mikrobiomsensible Maßnahmen zu achten. Zunächst: Was schädigt das Mikrobiom? 

  • Aggressive Reinigungsgewohnheiten: Übermäßiges Waschen, heißes Wasser und vor allem alkalische Seifen können den natürlichen Säureschutzmantel der Haut angreifen. Ein hoher pH-Wert trocknet die Haut aus und stört das Milieu, in dem sich nützliche Bakterien wohlfühlen. Auch häufige Desinfektion mit alkoholischen Mitteln oder der inflationäre Gebrauch antibakterieller Seifen dezimieren die schützenden Keime. Die Hautflora wird dadurch vorübergehend stark ausgedünnt, was schädlichen Bakterien Tür und Tor öffnen kann.
  • Ungeeignete Kosmetika und Inhaltsstoffe: Hautprodukte, die nicht auf den physiologischen pH-Wert eingestellt sind oder irritierende Inhaltsstoffe enthalten, können das Mikrobiom beeinträchtigen. Konservierungsmittel etwa sind nötig, um Kosmetika keimfrei zu halten, doch sie können auf der Haut auch die guten Bakterien mit reduzieren. Ebenso können scharfe Peelings oder Behandlungen, die die obere Hautschicht stark abtragen (zum Beispiel aggressive Fruchtsäure-Peelings oder Mikrodermabrasion), das mikrobielle Gleichgewicht vorübergehend stören, weil viele Mikroorganismen dabei entfernt werden.
  • Äußere Faktoren und Lebensstil: Umweltbelastungen wie UV-Strahlung, Luftverschmutzung oder klimatisierte, trockene Luft setzen der Hautflora ebenso zu. Auch schlechte Lebensgewohnheiten wie Rauchen, chronischer Stress oder unausgewogene Ernährung können indirekt das Hautmikrobiom schwächen.
    Die gute Nachricht: Es gibt vieles, was wir als Kosmetikerinnen tun können, um ein gesundes Hautmikrobiom zu unterstützen:
  • Milde Reinigung und pH-Wert-optimierte Produkte (pH ca. 5) in der Kabine einsetzen und für zu Hause empfehlen. Diese schonen den Säureschutzmantel. In der Kabine kann nach intensiven Treatments auch ein pH-ausgleichendes Tonic helfen, den idealen Säuregrad rasch wiederherzustellen. Auch in der Heimpflege können Toner mit leicht saurem pH-Wert das Hautmikrobiom schützen.
  • Hydratation und Barriereschutz: Eine gut befeuchtete Haut bietet den Mikroben ein freundliches Milieu. Feuchtigkeitscremes und barrierestärkende Pflege (mit Inhaltsstoffen wie Glycerin, Panthenol, Ceramiden oder natürlichen Ölen) halten die Haut geschmeidig und unterstützen die Lebensgrundlage der nützlichen Keime. Trocknet die Haut aus, können sich „gute“ Bakterien schlechter ansiedeln und krank machende Keime leichter in die Haut eindringen. Deshalb gilt: von innen ausreichend trinken und von außen cremen – gerade nach intensiv reinigenden Behandlungen. Eine intakte Lipidschicht auf der Haut (durch rückfettende Pflege) dient den Mikroben als Nahrung und schützt vor dem Eindringen schädlicher Keime.
  • Schonende Behandlungen in der Kabine: Professionelle exfolierende Verfahren wie Peelings oder Mikrodermabrasion sollten wohldosiert und mit Bedacht eingesetzt werden. Nach solch einer Behandlung kann die Hautflora vorübergehend reduziert sein. Daher ist eine gezielte Nachpflege zu Hause wichtig: beruhigende, regenerierende Produkte, die der Haut Zeit geben, ihr Mikrobiom wieder aufzubauen. Das bedeutet: kein übermäßiges Desinfizieren nach einer Gesichtsbehandlung, sondern eher den Fokus auf Regeneration und Schutz legen.
  • Lebensstilfaktoren berücksichtigen: Als Kosmetikerin kann man Kundinnen auch ganzheitliche Tipps mitgeben. Eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Ballaststoffen und fermentierten Lebensmitteln kann über den Darm positive Effekte auf die Haut haben. Stressmanagement, ausreichend Schlaf und Bewegung unterstützen wiederum das Immunsystem – und damit indirekt auch die Hautbarriere und ihr Mikrobiom. Solche Ratschläge runden die professionelle Hautpflege ab und zeigen Wirkung über den Behandlungsstuhl hinaus.
  • Der Einsatz von UV-Schutz und das Meiden von Sonneneinstrahlung sind essenziell zum Schutz des Hautmikrobioms. Da wir Licht und Sonne nur schwer meiden können, liegt es in der Verantwortung der Kosmetikerin, Produkte mit ausreichend hohem UV-Schutz zu empfehlen und im Idealfall direkt nach der Behandlung zu verkaufen.

Pro- und Präbiotika bieten der Haut mehr

Wirklich aktiv fördernd sind die sogenannten Pro- und/oder Präbiotika.
Während probiotische Kosmetika direkt mit guten Bakterien angereichert sind, enthalten präbiotische Kosmetika Inhaltsstoffe, die einen guten Nährboden für nützliche Bakterien bieten. 
Sie schaffen optimale Bedingungen für ein gut ausbalanciertes Hautmikrobiom. Kosmetikerinnen erkennen diese Pro- und Präbiotika anhand der INCI-Liste. Kunden müssen meist auf eine gute Beratung und die Begriffe probiotisch und/oder präbiotisch auf der Verpackung vertrauen.

Welche Inhaltsstoffe sind besonders mikrobiomfreundlich?

In Kosmetik sind Präbiotika Inhaltsstoffe, die besonders gute Bedingungen für ein gesundes Hautmikrobiom bieten. In der INCI-Liste finden wir sie unter den Namen Glycerin, Inulin, Oligosaccharide und verschiedener Pflanzenextrakte wie Gerste und Hafer. Probiotische Kosmetikinhaltsstoffe hingegen zeichnen sich durch unterschiedliche Bakterienstämme aus. In der INCI-Liste sind sie meist unter Lactobacillus… und Bifidobacterium … zu finden.

 

Sauer oder ­basisch?

Ein Schlüsselfaktor, der sowohl in der Behandlung als auch in der Pflegeroutine zu Hause leicht umgesetzt werden kann, ist der pH-Wert der Produkte. 
Gesunde Bakterien fühlen sich im sauren Milieu sehr wohl. 
Sauer formulierte Produkte fördern deshalb ein gut ausbalanciertes Haut­mikrobiom. 
Bei einem pH-Wert von rund 5 bleiben die Enzyme der Haut im Lot, nützliche Bakterien arbeiten optimal, während unerwünschte Keime gehemmt werden. 
Ein basisches Produkt hingegen mag sich kurzfristig „sauber“ anfühlen, kann aber auf Dauer das mikrobielle Gleichgewicht stören. 
Die Beratung unserer Kunden sollte deshalb hier ansetzen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein stabiles, vielfältiges Hautmikrobiom ist ein wesentlicher Pfeiler gesunder Haut. Für uns Kosmetikerinnen bedeutet das, Hautpflege immer auch als Mikrobiom-Pflege zu betrachten. 
Von der Geburt an entwickelt jeder Mensch seinen eigenen mikrobiellen Schutzschild. Wir können durch schonende, durchdachte Pflege dafür sorgen, dass dieser „Bodyguard“ der Haut intakt bleibt. Indem wir Reizfaktoren reduzieren, saure und wirksame mikrobiomfreundliche Produkte einsetzen und wo sinnvoll auf prä- und probiotische Wirkstoffe setzen, helfen wir der Haut, ihr natürliches Gleichgewicht zu bewahren. 
Die Haut dankt es uns mit einem verbesserten Hautgefühl, weniger Empfindlichkeiten und einem strahlend gesunden Teint,  denn eine zufriedene Hautflora ist die beste Basis für schöne gesunde und glatte Haut.

Foto: Daniela Hoffmann

Daniela Hoffmann
Die Autorin ist ausgebildete Pharmazeutin und dermazeutische Eurokosmetikerin. Sie führt ihr Kosmetikinstitut Balencio Care in Karlsruhe und hat eine gleichnamige Wirkstoffkosmetiklinie entwickelt. www.balencio-shop.de.

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