Alles sauer, oder was?

21.05.2024
Sauer, Zitrone, Frau

Unser Körper hat eine Lieblingszahl – die Sieben. Sie beschreibt die Neutralität des pH-Wertes und zeigt an, dass die Waage zwischen Säuren und Basen in seinem System im Gleichgewicht ist. Unsere oft hektische Lebensweise lässt ihn manchmal im wahrsten Sinne des Wortes sauer werden. Kosmetikerin und Heilpraktikerin Claudia Gesang erklärt, wie wir die Symptome erkennen und wie wir einer Übersäuerung vorbeugen können.

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Manchmal sieht man es einem Menschen sogar optisch an, dass er „sauer“ ist – die Haut wirkt fahl, blass, schlecht durchblutet, und es können sich vermehrt Komedonen oder Pusteln zeigen. Als eine der Hauptursachen für eine solche Übersäuerung wird übereinstimmend in der Literatur der Faktor Stress angegeben. Stress in Verbindung mit ungünstiger Ernährung, psychischen Belastungen, Nikotin oder Alkohol kann zu einem Anstieg des Hormons Cortisol führen, wodurch der Blutzuckerspiegel sinken und es zu Heißhungerattacken kommen kann. Diese werden oft mit kohlenhydratreichen Speisen kompensiert –
Kuchen, Süßigkeiten und Co.!
Wenn nun im Blut noch zu wenig Sauerstoff vorhanden ist, kann der beim Stoffwechsel zu Glukose verbrannte Zucker zum Säurebildner werden. Und nicht nur bei Lungen- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist der Sauerstoffgehalt des Blutes oft vermindert, auch Bewegungsmangel oder im Gegenzug zu starke sportliche Betätigung kann diesen Mangel auslösen.

Richtige Balance

Welcher Zustand beschreibt nun aber das Optimum, also die richtige Balance zwischen Säuren und Basen im Körper?
Hier kommt der pH-Wert von 7 ins Spiel. Dieser Wert (vom lateinischen potentia hydrogenii) ist ein Maß für den basischen oder sauren Charakter einer wässrigen Lösung. Werte von 0 bis 7 beschreiben ein saures Milieu, Werte von 7 bis 14 dagegen ein basisches Milieu. Und wie fast überall im Leben gilt auch hier: Die goldene Mitte ist der erstrebenswerte Zustand.

Die Folgen eines schlechten Lifestyles

Leider hilft unser moderner Lebensstil nicht wirklich dabei, dieses Gleichgewicht zu erhalten. Wir ernähren uns oft nicht wirklich gesund, wir haben häufig zu wenig Bewegung, wir unterliegen sehr oft einem stressigen Berufsalltag, der uns wenig Zeit für uns selbst lässt – oder wir werden einfach nur älter.
Alle diese Komponenten können zu einer Verschiebung des Säure-Basen-Gleichgewichts in Richtung „sauer“ beitragen. Professor Jürgen Vormann, Gründer und Leiter des Instituts für Prävention und Ernährung in Ismaning, betont, dass eine solche Übersäuerung beispielsweise unsere Atmung, die Durchblutung, die Ausschüttung von Hormonen, die Immunabwehr oder unsere Verdauung beeinträchtigen kann. „Wir werden gereizt, schlapp und müde, bekommen Gelenk- und Nacken-
schmerzen oder Schlafprobleme“, weiß der Naturwissenschaftler.

Symptome einer Übersäuerung

Um es ganz klar zu sagen: Ohne Säuren kann unser Organismus nicht richtig funktionieren – denken wir hier nur an die notwendige Salzsäure im Magen! Ein Überschuss an Säuren kann sich allerdings im gelenknahen Gewebe und im Bindegewebe einlagern und Ablagerungen (im Volksmund häufig „Schlacken“ genannt) hervorrufen. Diese Ablagerungen können beispielsweise für rheumatische Beschwerden verantwortlich sein.
Zu anderen allgemeinen Symptomen zählen:

  • Schmerzen
  • Verspannungen
  • Immunschwäche
  • Antriebsschwäche
  • schnelles Ermüden
  • Appetitlosigkeit
  • Übelkeit
  • Sodbrennen
  • Verdauungsprobleme
  • Cellulite
  • fahle, blasse Haut
  • Falten
  • Hautunreinheiten und Akne

Um festzustellen, ob wir wirklich unter Übersäuerung leiden, gibt es einen einfachen Test aus der Apotheke: Teststreifen mit Farbindikatoren. Auch ein Urintest bei der Hausärztin kann darüber Aufschluss geben, ob eine Übersäuerung vorleigt.

PH Wert

Puffersysteme aktivieren

Und wenn nun feststeht, dass wir ins saure Milieu „abgerutscht“ sind, können wir durch unsere sogenannten Puffersysteme für Ausgleich sorgen.

  • Hierzu zählt beispielsweise das Bindegewebe. Wenn Säuren nicht sofort durch die Basen im Blut gepuffert werden können, lagern sie sich gerne in den Faszien ein und werden dort neutralisiert. Dies sollte allerdings nur eine Notlösung sein, wird aber durch unseren ungünstigen Lebensstil oft zum Dauerzustand. Das Bindegewebe kann so nicht mehr genügend Wasser speichern und verliert dadurch seine Spannkraft. Muskeln können sich verhärten, Krämpfe können entstehen. Abhilfe können wir hier durch geeignete Übungen mit Faszienrollen schaffen.
  • Auch unsere Knochen speichern basische Puffersubstanzen. Zur Neutralisierung von Säureüberschüssen löst der Körper basische Mineralsalze wie Kalzium oder Phosphat aus den Knochen und gibt sie ins Blut ab. Leider kann das – als Dauerzustand – zur Abnahme der Knochendichte und dadurch zu Osteoporose führen. Hier helfen unter anderem Krafttraining und Schwimmen.
  • Unsere Atmung ist ein weiteres Puffersystem, das Säuren, die unter anderem vom Hämoglobin des Blutes über ein komplexes Austauschsystem in unsere Lungen abgegeben und dort durch tiefe, intensive Atmung wieder aus dem Körper entfernt, weil ausgeatmet werden.
  • Unterstützen können wir diesen Prozess im Alltag ganz einfach durch die bewusste, tiefe Bauchatmung (Sängerinnen lernen das schon sehr früh im Gesangsunterricht). Wir atmen ein, als ob wir an einer Rose schnuppern … ganz ohne die Schultern dabei zu heben. Am besten gelingt es, wenn wir unsere Hände auf den Unterbauch legen und bewusst in diese Region einatmen. Auch Summen oder Lach-Yoga sind gute Helfer dabei!
  • Die Nieren neutralisieren die Säuren, die von der Atmung nicht bewältigt werden können. Doch sie unterliegen einem Alterungsprozess (ab circa 30 Jahren), der die Filterleistung schwächt. Allein deshalb wird der Mensch im Alter tendenziell sauer. In (selteneren) Fällen eines Basenüberschusses entsorgen die Nieren auch diesen. Da dieser Mechanismus lebenslang stabil bleibt, können wir nicht zu basisch werden. Und wie unterstützen wir die Nieren bei der Säureausscheidung? Ganz einfach – durch ausreichendes Trinken! Erwachsene benötigen pro Kilogramm Körpergewicht etwa 40 Millimeter Flüssigkeit pro Tag (im Hochsommer oder bei heftigen körperlichen Aktivitäten natürlich wesentlich mehr!). Deshalb sollten wir immer an basisches Mineralwasser, Grün- und Kräutertees ohne Zucker oder Gemüsesäfte denken.
  • Neben den Nieren ist auch die Leber im Säure-Basen-Haushalt ein wichtiger Mitspieler. Sie neutralisiert nämlich die Säurelast aus dem Darm und Stoffwechselprodukte wie Laktate (Salze der Milchsäure aus den Muskeln) oder Ammoniak, der beim Eiweißabbau entsteht. Ein Dauerzustand von Übersäuerung strapaziert die Leber sehr – und wir fühlen uns energiearm, niedergeschlagen und müde. Sogenannte Bitterstoffe helfen der Leber hier weiter, zum Beispiel in Chicorée, Radicchio, Rosenkohl oder Endiviensalat. Eine sechswöchige Kur mit Mariendistel unterstützt die Leber und ihre Zellmembranen zusätzlich.
  • Auch eine ausreichende Entspannung ist wichtig für den Kampf gegen die Übersäuerung. Zu viel Stress oder Schlafmangel fördern die Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin – als Folge davon entstehen Fettsäuren und Milchsäure. Außerdem kann Stress zu An- und Verspannungen der Muskeln führen, die ihrerseits den Abtransport von Säuren erschweren. Hier können Entspannungstees, Shiatsu, Yoga und andere Entspannungstechniken oder auch das sogenannte Basenfasten gute Dienste leisten.

Hinweisen möchte ich an dieser Stelle noch auf den Unterschied zwischen einer Übersäuerung und einer Azidose! Die Übersäuerung gilt bei vielen Medizinern als eine Befindlichkeitsstörung, während die Azidose eine Stoffwechselstörung darstellt, die potenziell lebensbedrohlich werden kann. Es ist also immer anzuraten, bei den genannten Symptomen auch eine Ärztin zu Rate zu ziehen.

Säure-Basen-Haushalt: Das sollten Sie wissen

Ursachen, die zu einer Übersäuerung beitragen können:

  • viele Milchprodukte
  • tierische Eiweiße
  • Softdrinks
  • Süßes
  • Kaffee
  • Konservierungs- und Farbstoffe
  • Süßstoffe
  • zu viel Sport oder körperliche Aktivität

Die Gegenspieler der Säurebildner sind Basenlieferanten wie:

  • frisches oder auch Trockenobst (hier zum Beispiel Feigen, Datteln, Rosinen, Pflaumen, Aprikosen …)
  • frisches Gemüse (zum Beispiel Karotten, Blumenkohl, Frühlingszwiebeln, Knoblauch, Spinat, Tomaten, Grünkohl, Radieschen, Artischocken …)
  • Kartoffeln
  • Salate (zum Beispiel Endivie, Feldsalat, Kopfsalat, Rucola, Chicorée, Radicchio …)
  • Pilze (zum Beispiel Champignon, Pfifferling, Steinpilz, Austernpilz, Morchel, Trüffel …)
  • Kräuter und Gewürze
  • Sprossen und Keime (zum Beispiel Hirse-, Leinsamensprossen, Gersten-, Dinkel-, Roggenkeimlinge …)
  • Gemüsesäfte oder Kräutertees
  • Mineralwasser mit Kohlensäure
Foto: Claudia Gesang

Claudia Gesang
Die gelernte Industriekauffrau, Kosmetikerin und Heilpraktikerin für Psychotherapie arbeitet freiberuflich als Autorin im Kosmetik- und Wellnessbereich.

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