
Kosmetikerinnen können einen großen Beitrag leisten, die Haut und deren Hautanhangsgebilde von an Krebs erkrankten Kunden wieder in Balance bekommen. Wir haben Antje Meyer dazu befragt. Sie ist spezialisiert auf das Thema Kosmetik und Onkologie.
MEDICAL: Was kann die Kosmetikerin für ihre Kunden tun, die an Krebs erkrankt sind?
Antje Meyer: In erster Linie sind qualifizierte Kosmetikerinnen dafür da, ihrer betroffenen Kundschaft eine bessere Lebensqualität zu ermöglichen und ihre Haut und Hautanhangsgebilde wieder in Balance zu bekommen. Dafür ist es unabdingbar, den genauen Krankheitsverlauf gut zu kennen. Dies beginnt schon bei den ersten Wahrnehmungen und Sorgen, die sich der Kunde gemacht hat, bevor es überhaupt eine Diagnose gab. Sobald die Diagnose steht, sollten Sie über diese, den Behandlungsverlauf, alle Nebenwirkungen und den Heilungsverlauf gut informiert sein. Wichtige Fragen, die auch schriftlich beantwortet werden sollten, sind: Wie intensiv sind die kutanen Nebenwirkungen ausgeprägt? In welchem Umfang gibt es Störungen der Hautphysiologie? Wie sieht es mit den Hautanhangsgebilden aus? Bitte schauen Sie stets auf das Wichtigste: die Bedürfnisse der Kundschaft! Denn diese sind so unterschiedlich wie auch die Erkrankungen.
MEDICAL: Wie sollte der Umgang mit betroffenen Kunden aussehen?
Es geht erst einmal um den Menschen und sein seelisches Wohlbefinden. Gerade habe ich mit einer Kollegin gesprochen, die selbst vor zehn Jahren intensiv betroffen war und sehr viele negative Erlebnisse hatte. Heute sagt sie, dass es das Schlimmste war, dass es keinen Menschen mehr gab, der mit ihr so umgegangen ist wie vor ihrer Diagnose. Hier bitte ich alle Kolleginnen um einen sehr einfühlsamen Umgang, ohne die Kundschaft „in Watte“ zu packen. Fragen Sie viel und hören Sie sehr gut zu. Geben Sie genug Zeit für die Beantwortung aller Fragen und fragen Sie immer: „Wie möchten Sie, dass ich mit Ihnen umgehe?“ Mit dieser einfachen Frage hat der Kunde die Möglichkeit, seine Wünsche zu äußern und Ihnen beiden einen sehr angenehmen Umgang zu gewährleisten.
Wir Kosmetikerinnen stellen einen ganz wichtigen Faktor in der Aufklärung und Prävention dar, damit die schlimmsten Nebenwirkungen gar nicht erst in dieser Form passieren. Klären Sie Ihre betroffene Kundschaft genau über die Wirkweisen von Chemo und Co. auf, damit sie versteht, warum sich die Haut verändert und beispielsweise juckt und warum sie möglicherweise die Haare verliert oder verloren hat. Letztendlich ist es ein Beweis für die Wirkung der Medikation und ein Schritt in die richtige Richtung. Bei allem stehen die Erhöhung der Lebensqualität und das gestärkte Wohlbefinden der Betroffenen im Fokus.
MEDICAL: Wie verändert sich die Haut?
Die drei gängigsten Therapien sind Chemotherapien, Bestrahlungen und Operation. Bei Chemotherapien kommt es zu trockenen, schuppenden und teilweise auch juckenden Hautverdickungen, Rötungen, Pigmentflecken, Nagelveränderungen, häufig auch Lichtempfindlichkeit und Hand-Fuß-Syndrom; bei Bestrahlungen treten trockene, schuppende und teilweise auch juckende Hautverdickungen, Rötungen, Pigmentflecken und Nagelveränderungen auf. Nach einer Operation geht es um die bestmögliche Wiederherstellung des Gewebes. Hier können wir nach dem Ziehen der Fäden oder Lösen der Klammern die Abheilung mit begleiten, um die Narbenbildung so gering wie möglich zu halten. Nach völliger Abheilung können wir auch Einfluss auf die Qualität und Optik des Narbengewebes haben.
MEDICAL: Warum platzen Äderchen nach der Bestrahlungstherapie?
Äderchen können platzen, weil die Strahlung die Blutgefäße und das umliegende Gewebe schädigt. Die Strahlung führt zu Entzündungen und erhöht die Fragilität der Blutgefäße, wodurch diese anfälliger für Rupturen werden. Zudem können kleine Blutgerinnsel entstehen, die den Blutfluss stören und den Druck in den Gefäßen erhöhen. Dieser Effekt tritt häufiger in Bereichen auf, die hohe Strahlendosen erhalten haben.
MEDICAL: Wie zeigt sich eine Strahlendermatitis und wie gehe ich damit um?
Strahlendermatitis zeigt sich als gerötete, trockene, schuppige Haut, die jucken oder brennen kann. In schweren Fällen kann die Haut Blasen bilden, nässen und sich entzünden.
Die Haut sollte vorsichtig gereinigt und gut befeuchtet werden, idealerweise mit unparfümierten, milden Pflegeprodukten. Enge Kleidung und direkte Sonneneinstrahlung sollten vermieden werden, um die Haut nicht weiter zu reizen. Bei stärkeren Beschwerden oder offenen Wunden sollte ein Arzt aufgesucht werden, um geeignete medizinische Maßnahmen zu besprechen. Ich habe bei meiner Kundschaft viele Erfolge erlangt, indem eine beruhigende, barriereaufbauende Creme die Heilung sehr schnell und positiv beeinflusst hat. Manchmal sogar zum Erstaunen der Ärzte.
MEDICAL: Wie kann die therapiebegleitende Pflege aussehen?
Generell gilt immer: Prävention – Stabilisieren - Pflegen/Reparieren – Schützen. Während der Bestrahlungstherapie darf keinerlei Pflege verwendet werden, da es hier um die Erhaltung der Markierungen der Bestrahlung geht, die absolut relevant sind, damit die Therapie dauerhaft zielgerichtet ausgeführt werden kann. Nach der Therapie können wir die Kundschaft mit antientzündlichen und barrierestabilisierenden Produkten schnell in die Hautoptimierung und Linderung bringen. Bitte stimmen Sie sich auch hier eng ab, ob eventuell Pflegeprodukte vom Ärzteteam mitgegeben oder verordnet worden sind.
MEDICAL: Wie kann Neurokosmetik helfen?
Neurokosmetische Pflege soll die Haut beruhigen und die Nervenendigungen schützen, um Irritationen und Entzündungen zu reduzieren. Nach der Bestrahlungstherapie kann sie helfen, Strahlendermatitis zu mindern, indem sie die Hautbarriere stärkt und das Wohlbefinden der Haut verbessert. Die Produkte enthalten oft beruhigende Inhaltsstoffe wie Panthenol, Niacinamid oder spezielle Peptide, die Hautirritationen mindern. Eine regelmäßige Anwendung kann helfen, die Haut widerstandsfähiger machen.
MEDICAL: Wie kann Mikrosilber eingesetzt werden und worauf ist dabei zu achten?
Mikrosilber kann durch seine antimikrobiellen Eigenschaften bei bestrahlter Haut helfen, das Risiko von Infektionen zu reduzieren, die bei geschädigter Haut auftreten können. Es beruhigt entzündete Haut und unterstützt die Regeneration, indem es die Hautflora stabilisiert. Bei der Anwendung sollte darauf geachtet werden, dass das Produkt keine reizenden Zusatzstoffe enthält und speziell für empfindliche oder geschädigte Haut geeignet ist. Mikrosilber sollte vorsichtig aufgetragen werden, um die ohnehin empfindliche Haut nicht weiter zu irritieren. Es ist ratsam, die Verwendung solcher Produkte vorher mit dem behandelnden Arzt abzusprechen.

Die Expertin: Antje Meyer
Die ausgebildete Kosmetikerin ist Beauty-Buinsess-Coachin und unterstützt Kosmetikerinnen dabei, sich zu spezialisieren. www.antjemeyer.com