Ist der Schutz vor Strahlung gewährleistet?

28.04.2025
Foto: Pixel-Shot/Shutterstock.com

Angesichts alarmierender Zahlen zu Hautkrebs und Photosensibilisierungen ist die Debatte um den Schutz unserer Haut vor schädlicher Strahlung aktueller denn je. Es stellt sich die Frage: Sind unsere Schutzmaßnahmen ausreichend, oder gibt es Lücken, die  geschlossen werden müssen?

Zuerst einmal die schlechte Botschaft: Jede Strahlung erzeugt Radikale – mehr oder weniger. Die gute Botschaft: Alle Organismen haben sich im Lauf der Evolution darauf eingestellt – an der Spitze der moderne Mensch, der auch technisch in der Lage ist, den Schutz zu optimieren.


Es gibt zwei Möglichkeiten, den gefürchteten freien Radikalen zu entkommen. Die erste ist es, Maßnahmen zu ergreifen, sie nicht auf die Haut treffen zu lassen. Die zweite besteht darin, die Radikale zu vernichten. Eine dritte, weniger diskutierte Möglichkeit ist es, eine gewisse Menge an Radikalen zu tolerieren. Sie entspricht allerdings nicht dem verbreiteten Schwarz-Weiß-Blick unserer Zeit.
Außerdem sind wir darauf fixiert, mit einer einzigen Maßnahme alle Probleme zu lösen. In diesem Fall handelt es sich analog der Pille gegen die Krankheit um ein kosmetisches Produkt, das sich schnell auf der Haut verteilen lässt – sei es eine Creme, ein Gel oder eine Lotion.

Umwandlung in Wärme

Stoffe, die Strahlung aufnehmen und sie in Wärme umwandeln, bezeichnet man in der Kosmetik als Filter. Ein Kürzel davor kennzeichnet die Art der Strahlung, also zum Beispiel UV-Filter, wenn sie ultraviolettes Licht absorbieren. Die entstehende Wärme wird an die Umgebung abgegeben. Wie das funktioniert, zeigt ein einfaches Beispiel aus der heimischen Küche: Wasser absorbiert effektiv die Strahlung aus der Mikrowelle und kommt dabei zum Kochen.
Ein UV-Filter ist komplizierter aufgebaut, da er die hochenergetische UV-Strahlung aufnehmen muss. Dazu bedarf es eines Moleküls, das über ein ausgedehntes π-Elektronensystem verfügt, um die Photonen (Lichtquanten) der Strahlung aufnehmen und sie in Wärme umwandeln zu können. Zu den ersten Vertretern dieser Art gehörten Verbindungen der Zimt- und Salicylsäure. Sie sind allerdings nicht so effektiv wie die heutigen modernen Filter. Das heißt, sie verhindern die Radikalbildung nur zum Teil und müssen in hohen Konzentrationen eingesetzt werden, um einen nennenswerten Sonnenschutzfaktor (SPF – Sun Protection Factor) zu erreichen. 
Man spricht hier auch von einer Lichtquantenausbeute, die im Fall des 4-Methoxyzimtsäure-2-ethylhexylesters (INCI: Octyl Methoxycinnamate) etwa 80 Prozent beträgt. Die verbleibenden 20 Prozent der nicht erfassten Strahlung erzeugen immer noch freie Radikale, die man durch Antioxidantien auszuschalten versucht hat.

Moderne Filter

Moderne UV-Filter sind wesentlich effektiver und langlebiger. Sie funktionieren praktisch wie ein Katalysator, der eine Reaktion (Umwandlung von Strahlung in Wärme) ermöglicht, dabei aber nicht verbraucht wird, während ein Antioxidans nach der Reaktion mit einem einzigen Radikal wirkungslos geworden ist. So macht es wenig Sinn, beim Einsatz hocheffektiver Filter zusätzlich noch Antioxidantien zu verwenden, da sie höchstens mit den Filtern in Kon-
kurrenz treten können, dabei aber  in kürzester Zeit abgebaut werden. Der wirksamste biochemische Filter ist im Übrigen das in der Haut gebildete natürliche Melanin mit einer Quantenausbeute von nahezu 100 Prozent.

Konzentration und Bandbreite

Aber auch das Melanin ist nur so gut, wie hoch seine Konzentration in der Haut ist. Bei allen Überlegungen zum Sonnenschutz sollte daher immer daran gedacht werden, die Konzentration des hauteigenen Schutzes möglichst hoch zu halten. 
Dann ist da noch die Wellenlänge der Strahlung, auf die chemische Filter abgestimmt sein müssen. Wünschenswert ist die Abdeckung eines möglichst breiten Strahlungsspektrums, das meist nicht durch einen, sondern durch die Kombination mehrerer Filter erreicht wird. Die Höhe des Lichtschutzfaktors resultiert dann aus der Konzentration der Filter und der Matrix (Creme, Gel, Lotion), in die sie eingebettet sind.

Lücken in der Schutz­wirkung

Erst im Lauf der Zeit, mit Verfeinerung der Messtechnik, stellte sich heraus, dass neben der Ultraviolettstrahlung auch Wellenlängen, zum Beispiel im IR- und sichtbaren Bereich, Radikale erzeugen. Daraufhin wurden die Bandbreiten weiter ausgedehnt, jedoch bei der Perfektionierung zwei Punkte häufig außer Acht gelassen:
Auch für die Bildung des schützenden Melanins ist Strahlung notwendig.
In der Physik gilt wie in der Chemie: Die Dosierung macht, dass ein Stoff ein Gift ist (Paracelsus).
Einfach ausgedrückt: Die Haut benötigt ein Mindestmaß an Strahlung für die Synthese von Melanin und Vitamin D, und nicht jedes Radikal lässt die Haut altern. So ist zum Beispiel der Einsatz von Lichtschutzfiltern in gewöhnlichen Tagescremes beim Aufenthalt in Innenräumen wenig zielführend.

Natürlicher Schutz

Wenn man die übliche Werbung für den Sonnenschutz und die Bekämpfung von freien Radikalen liest, muss man den Eindruck gewinnen, dass ihnen die Haut schutzlos ausgeliefert ist, wenn sie nicht durch äußerlich applizierte Antioxidantien unschädlich gemacht werden. 
Das ist natürlich Unsinn und unterschätzt bei Weitem die physiologischen Möglichkeiten unseres äußeren Schutzschildes. Wie andere Organismen schützt sich auch der Mensch neben Pigmenten wie dem natürlichen Breitbandfilter Melanin und der UV-B-Strahlung absorbierenden Urocaninsäure durch die stickstoffhaltigen Bestandteile des Natural Moisturizing Factor (NMF) gegen von außen eindringende und durch Strahlung entstehende freie Radikale – vorausgesetzt, Haut und Barriere sind in einem intakten Zustand. 

Foto: Dr. Hans Lautenschläger

Die Urocaninsäure (A) ist der Zimtsäure (B) strukturell ähnlich.

Foto: Dr. Hans Lautenschläger

Ein Beispiel ist das Abfangen des aus radikalischen Stickoxiden resultierenden Nitrits durch Aminosäuren.

Dabei entstehen Alpha-Hydroxysäuren (AHA) wie zum Beispiel Milchsäure (aus der Aminosäure Alanin: R = CH3), die ebenfalls Bestandteile des NMF sind. Ähnlich reagieren Peptide.
Diese Mechanismen kommen naturgemäß an ihre Grenzen, wenn die Haut mit ungewohnt starker Radikalbildung konfrontiert ist, wie sie ohne Sonnenschutz bei starker Strahlung eintritt. Hier bildet der Mensch allerdings eine Ausnahme, indem er sich mit Absicht der Strahlung aussetzt, während andere Organismen instinktiv den Schatten aufsuchen.
Kulturelle Errungenschaften wie die tägliche Dusche unter Verwendung hoch tensidhaltiger Präparate schädigen darüber hinaus mit ihrem Auswascheffekt sowohl die Barriere als auch den NMF. Dieser Schaden wird durch ein nachträglich aufgetragenes Präparat wie etwa eine Bodylotion nicht wettgemacht. 
Nach einem Peeling ist der Sonnenhut eine gute Alternative oder Ergänzung zum SPF von 50+, um die Sonnenterrassen des Gesichts zu schützen. In beschränktem Umfang ist es möglich, die Pigmentierung der Haut oral zum Beispiel durch Carotinoide oder die Melaninsynthese stimulierende Wirkstoffe zu verstärken.

Literatur: 
    1    www.bfs.de/DE/themen/opt/uv/uv-index/weltweit/weltweit_node.html
    2    www.cosmeticseurope.eu/files/7914/6407/7400/Guidelines_for_Evaluating_Sun_Product_Water_Resistance_-_2005.pdf

Foto: Dr. Hans Lautenschläger

Dr. Hans Lautenschläger
Der promovierte Chemiker ist seit 1998 geschäftsführender Gesellschafter der Koko Kosmetikvertrieb GmbH & Co. KG und spezialisiert auf die ­Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb ­physiologischer Hautpflegemittel.

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