Das Hautexposom

28.05.2024
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Die Gene bestimmen, wer wir sind. Sie kontrollieren, wie ein Organismus aussieht, sich verhält und sich vermehrt. Aber sie sind nicht allein verantwortlich. Wir werfen einen Blick auf das sogenannte Hautexposom und welche anderen Faktoren hier eine entscheidende Rolle spielen.

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 Wie früh und schnell sich unsere Hautqualität durch Faltenbildung und Elastizitätsverlust ändert, ist nicht allein von den Genen abhängig. Umweltmedizinische Studien der letzten 15 Jahre zeigen, dass sowohl der persönliche Lebensstil als auch der Wohnort eine signifikante Rolle spielen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn letztlich ist die Haut ein Barriereorgan und somit von Geburt an Umwelteinflüssen ausgesetzt.
Um den Hautalterungsprozess in ­seiner Komplexität beschreiben zu können, hat ein europäisches Forscherteam um Prof. Jean Krutmann 2017 das Konzept des „Exposoms“ auf die umweltinduzierte Hautalterung angewendet.1 


Begriffs­klärung 


Der Begriff „Exposom“ beschreibt grundsätzlich das kumulative Maß an Umwelteinflüssen und damit verbundenen biologischen Reaktionen über die gesamte Lebensspanne, einschließlich exogener Expositionen und endogener Prozesse.2 
Gemäß des Konsensuspanels wird das Hautalterungsexposom wie folgt definiert: Das Hautalterungsexposombesteht aus externen und internen Faktoren und deren Wechselwirkungen, die einen Menschen bereits im Mutterleib bis zum Tod beeinflussen, sowie aus der Reaktion des menschlichen Körpers auf diese Faktoren, die zu biologischen und klinischen Zeichen der Hautalterung führen.1 
Anders erklärt, umfasst das Hautalterungsexposom alle nicht genetischen Einflüsse auf die Haut. Hierzu zählen UV-Strahlung, Luftverschmutzung, aber auch individuelle, Lifestyle-bezogene Faktoren wie Schlafmangel, Zigarettenrauchexposition, Ernährungsfaktoren oder auch das persönliche Hautpflegeregime. Alle Faktoren haben eine relative Bedeutung für die Hautalterung und können zu verschiedenen Hautzuständen und Krankheiten führen. 


UV-Strahlung 


Die Auswirkung von UV-Strahlung auf die Haut ist weitestgehend bekannt. Insbesondere UV-A (UV-A1) steht im Fokus der umweltmedizinischen Forschung. Sie macht rund 80 Prozent der gesamten UV-Strahlung aus und gelangt bis in die Dermis, wo sie durch einen Kollagen- und Elastinabbau maßgeblich zur vorzeitigen Hautalterung beiträgt. Bedingt durch UV-A-induzierte DNA- Schäden kann es langfristig auch zu malignen Veränderungen in der Haut kommen.3


Infrarotlicht 


In einer Publikation von 2008 wurde erstmals der Einfluss von Infrarotlicht (IR) auf die Haut beschrieben.4 IR macht mehr als die Hälfte der Sonnenenergie aus, die die menschliche Haut erreicht. Während IRB und IRC nicht tief in die Haut eindringen, erreichen mehr als 65 Prozent der langwelligen IRA-Strahlen die Dermis. Grundsätzlich ist IRA- wesentlich energieärmer als UV-Strahlung, dringt aber tiefer in die Haut ein und das, anders als die UV-Strahlung, unabhängig vom Hautfototyp. Wirkt UV-Strahlung vor allem an den Zellmembranen der Haut, kommt es durch IRA-Strahlung zur Bildung von aggressiven Sauerstoffspezies (ROS) in den Atmungsorganellen der Zellen, den Mitochondrien. Die daraus resultierende Signaltransduktion führt zu einer Steigerung des Enzyms Matrixmetalloproteinase-1 (MMP-1), was wiederum zu einem Abbau von Kollagen führt.5

 

"Insbesondere  UV-A (UV-A1) steht ...

 im ­Fokus der umweltmedizinischen ­Forschung." (Dr. Meike Streker)


Bluelight


Sichtbares Licht, insbesondere der blaue Anteil des Spektrums, ist ebenfalls in der Lage, die Haut zu beeinflussen, obwohl die Effekte subtiler sind als die von UV-Strahlung. Das Blaulicht (Bluelight) wird auch High-Energy Visible Light (HEV) genannt. Es trägt zur Induktion von freien Radikalen bei, was oxidative Schäden verursacht.6  Darüber hinaus gibt es Untersuchungen, die darauf hindeuten, das HEV zu Hyperpigmentierungen führt.7, 8


Luftverschmutzung


Neben der Auswirkung der Sonnenstrahlung hat auch Luftverschmutzung einen direkten Einfluss auf die Hautalterung. Die Publikation von Vierkötter et al. im Jahr 2010 zeigte erstmals eine signifikante Korrelation zwischen einer Rußpartikelexposition und Hautalterungszeichen wie Lentigines seniles und einer vermehrten Faltenbildung.9 
Feinstaubpartikel wie Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) haften sich an die Haut und können aufgrund der sehr kleinen Partikelgröße und ihrer Lipophilie in die Haut penetrieren.10 
Studien haben gezeigt, dass PAKs, die an Feinstaub haften, zu Chinonen umgewandelt werden. Mittels Oxidoreduktasen entstehen durch Ein-Elektronen-Reduktion sogenannte Semichinone, besonders reaktive Sauerstoffspezies (ROS).11 
ROS schädigen nachweislich die DNA der Hautzellen und führen so zu Hautalterungszeichen. Feinstaub stellt somit eine signifikante Bedrohung für die Hautgesundheit dar, besonders in urbanen und stark verschmutzten Gebieten. 
Die Daten werden auch von einer groß angelegten argentinischen Studie von 2023 bestätigt.12 Hier wurde an 1.300 Teilnehmenden untersucht, welche Aspekte neben UV-Strahlung, Nikotinkonsum sowie genetischen Faktoren eine größere Rolle bei der Hautalterung spielen. Die Teilnehmenden erschienen dann vorgealtert, wenn sie männlich waren, draußen Sport trieben und Chemikalien wie Pestiziden ausgesetzt waren. Auch der Wohnort machte einen Unterschied: 
Je niedriger die Luftverschmutzung am Wohnort, desto ­größer war die Wahrscheinlichkeit für ein jüngeres Erscheinungsbild. In urbanen Gegenden erschienen die jünger, die täglich Sonnenschutzmittel nutzten.

 

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Klimawandel 


Auch der Klimawandel zählt zu den extrinsischen Faktoren, die eine vorzeitige Hautalterung bedingen und somit Teil des Hautalterungsexposom sind. Forscher konnten einen positiven Zusammenhang zwischen einem erhöhten Hitzeindex und unterschiedlichen Hautalterungsmerk-malen der Gesichtshaut wie Altersflecken und Falten evaluieren.13 
Die Zusammenhänge waren umso ausgeprägter, je höher der jeweilige Hitzeindex war. Damit stellt der Hitzeindex einen weiteren Schlüssel der extrinsischen Hautalterung dar. Auch experimentelle Untersuchungen an Hautmodellen zeigen bei leicht erhöhten Temperaturen eine verstärkte Pigmentierung. Die Forscher erklären dieses Phänomen durch eine durch oxidativen Stress ausgelöste Neosynthese von Melanin. 
Ferner gibt es bereits Untersuchungen, die zeigen, dass Hitzeeinwirkung die Expression von Matrixmetalloproteinasen stimuliert und so extrazelluläre Matrixproteine wie Kollagen oder elastische Fasern abgebaut werden.14 Häufige oder abrupte Wechsel zwischen verschiedenen Klimabedingungen haben ebenfalls einen Einfluss auf die Hautalterung. Sie können die Haut strapazieren und ihre Barrierefunktion schwächen.15 

 

"Auch der Klima­wandel ...

ist Teil des Hautalterungs­exposoms." (Dr. Meike Streker)


Lifestyle: Ernährung


Lifestyle-Faktoren wie Ernährung, Schlaf und Stress zählen ebenfalls zu den Faktoren des Hautalterungsexposoms. So gilt es als erwiesen, dass sich eine ausgewogene Ernährung positiv auf die Haut auswirkt. Antioxidantien, Vitamine und Mineralstoffe aus frischem Obst, Gemüse und Vollkornprodukten unterstützen die Regeneration der Hautzellen und verleihen der Haut ein strahlendes Aussehen. 
Darüber hinaus zeigen wissenschaftliche Daten, dass  zum Beispiel Proteinpeptide und essenzielle Fettsäuren nach der Verdauung und Absorption als Vorläufer in die Haut gelangen und sich an der Synthese und dem Stoffwechsel von Hautbestandteilen beteiligen. Zudem reduzieren Antioxidantien oxidative Schäden in der Haut, indem sie zelluläre ROS (Reaktive Sauerstoffspezies) entfernen und die Aktivität antioxidativer Enzyme verstärken.16


Lifestyle: Schlafverhalten


Das Schlafverhalten hat ebenso einen signifikanten Einfluss auf unsere Haut. Bis heute gibt es bereits eine Vielzahl an Studien, die einen negativen Einfluss von Schlafmangel auf den Körper und auf die Hautqualität nachweisen. Unter anderem konnte festgestellt werden, dass zu wenig Schlaf zu Augenringen, Falten und herunterhängenden Mundwinkeln führt.17

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Antioxidantien, Vitamine und Mineralstoffe aus frischem Obst, Gemüse und Vollkornprodukten unterstützen die Regeneration der Hautzellen. 

"Feinstaub stellt ­eine ... 

signifikante Bedrohung für  die Hautgesundheit dar." (Dr. Meike Streker)

 

Lifestyle: Psychischer Stress


Der Einfluss von psychischem Stress auf unsere Haut ist ebenfalls gut dokumentiert. Insbesondere das Stresshormon Cortisol nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein, da es eine tragende Rolle bei der Verstärkung von Entzündungsprozessen im Körper spielt, die sich auch auf die Hautqualität auswirken.18 
Weitere Untersuchungen zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen einer geschwächten Hautbarriere und Stress gibt. Vor allem Ängste und schlechter Schlaf stehen hierbei im Fokus.19

 
Lifestyle: Rauchen/Alkohol


Darüber hinaus ist bekannt, dass Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum erhebliche Schäden an der Haut verursachen können. Rauchen vermindert die Sauerstoffversorgung der Haut, beschleunigt den Alterungsprozess und erhöht das Risiko für Hauterkrankungen wie Psoriasis und Hautkrebs. Alkohol dehydriert den Körper und die Haut, was zu Trockenheit und vorzeitiger Faltenbildung führen kann.20, 21, 22


Ausblick
 

Abschließend lässt sich festhalten, dass bisher nur wenig über die Interaktion von exposomalen und genetischen Faktoren in Bezug auf die extrinsische Hautalterung bekannt ist. Ein besseres Verständnis dieser Wechselwirkung wird zukünftig die Grundlage für die Entwicklung effektiver und individueller Verfahren und Pflegeregime sein, um extrinsische Hautalterung zu verlangsamen. 
Da-rüber hinaus werden Verfahren entwickelt, um den umweltbedingten dermalen Zellschäden entgegenzuwirken beziehungsweise geschädigte Zellen zu entfernen und Fehlfunktionen aufzuheben.

 

Literatur:

    1    Krutmann J, Bouloc A, Sore G, Bernard BA, Passeron T. The skin aging exposome. J Dermatol Sci. 2017 Mar; 85 (3): 1 52–161. 
    2    Miller, Gary W. The Exposome: Purpose, Definition, and Scope, In: The Exposome, Academic Press, 2014.
    3    Krutmann J, Morita A. Mechanisms of ultraviolet (UV) B and UVA phototherapy. J Investig Dermatol Symp Proc. 1999 Sep; 4 (1): 70–2. 
    4    Schroeder P, Haendeler J, Krutmann J. The role of near infrared radiation in photoaging of the skin. Exp Gerontol. 2008 Jul; 43 (7): 629–632. 
    5    Krutmann J, Berneburg M. Lichtalterung (Photoaging) der Haut: Was gibt es Neues? [Sun-damaged skin (photoaging): what is new?]. Hautarzt. 2021 Jan; 72 (1): 2–5. German. 
    6    Nakashima Y, Ohta S, Wolf AM. Blue light-induced oxidative stress in live skin. Free Radic Biol Med. 2017 Jul; 108:300-310.
    7    Campiche R, Curpen SJ, Lutchmanen-Kolanthan V, Gougeon S, Cherel M, Laurent G, Gempeler M, Schuetz R. Pigmentation effects of blue light irradiation on skin and how to protect against them. Int J Cosmet Sci. 2020 Aug; 42 (4): 399–406. 
    8    Li L, Jiang X, Tu Y, Yang Y, Zhang X, Gu H, He L. Impact of blue light on skin pigmentation in patients with melasma. Skin Res Technol. 2023 Jul; 29 (7): e13401. 
    9    Vierkötter A, Schikowski T, Ranft U, Sugiri D, Matsui M, Krämer U, Krutmann J. Airborne particle exposure and extrinsic skin aging. J Invest Dermatol. 2010 Dec; 130 (12): 2719–26. 
    10    Krutmann J, Liu W, Li L, Pan X, Crawford M, Sore G, Seite S. Pollution and skin: from epidemiological and mechanistic studies to clinical implications. J Dermatol Sci. 2014 Dec; 76 (3): 163–8. 
    11    Kim KE, Cho D, Park HJ. Air pollution and skin diseases: Adverse effects of airborne particulate matter on various skin diseases. Life Sci. 2016 May 1; 152: 126–34. 
    12    Claros MG, Lequio M, Cheli S, Garlatti AB, Cecilia N, Juarez L, Bittar M, Leiva MJ, Hernandez ML, Márquez JM, Badaracco G, Leclerc-Mercier S, Leal MI. A cross-sectional epidemiological study conducted in Argentina to evaluate the impact of the exposome on skin aging. J Cosmet Dermatol. 2023 Dec; 22 (12): 3459–3469. 
    13    Zhang L, Zeng H, Jiang L, Fu C, Zhang Y, Hu Y, Zhang X, Zhu L, Zhang F, Huang J, Chen J, Zeng Q. Heat promotes melanogenesis by increasing the paracrine effects in keratinocytes via the TRPV3/Ca2+/Hh signaling pathway. iScience. 2023 Apr 26; 26 (5): 106749. 
    14    Young Seo. J, Ho Chung J, Thermal aging: A new concept of skin aging. J Dermatol Science 2006 Dec; Suppl. 2: 13–S22.
    15    Parrado C, Mercado-Saenz S, Perez-Davo A, Gilaberte Y, Gonzalez S, Juarranz A. Environmental Stressors on Skin Aging. Mechanistic Insights. Front Pharmacol. 2019 Jul 9; 10: 759. 
    16    Cao C, Xiao Z, Wu Y, Ge C. Diet and Skin Aging – From the Perspective of Food Nutrition. Nutrients. 2020 Mar 24; 12 (3): 870.
    17    Axelsson J, Sundelin T, Ingre M, Van Someren EJ, Olsson A, Lekander M. Beauty sleep: experimental study on the perceived health and attractiveness of sleep deprived people. Version 2. BMJ. 2010 Dec 14; 341: c6614.
    18    Chen Y, Lyga J. Brain-skin connection: stress, inflammation and skin aging. Inflamm Allergy Drug Targets. 2014; 13 (3): 177–90.
    19    Lyu F, Wu T, Bian Y, Zhu K, Xu J, Li F. Stress and its impairment of skin barrier function. Int J Dermatol. 2023 May; 62 (5): 621–630. 
    20    Ortiz A, Grando SA. Smoking and the skin. Int J Dermatol. 2012 Mar; 51(3): 250–62. 
    21    Zhang Q, Tang S, Huang G, Liu H. Cigarettes, a skin killer! Cigarette smoke may cause ferroptosis in female skin. J Cosmet Dermatol. 2022 Jul; 21(7): 3085–3094. 
    22    Goodman GD, Kaufman J, Day D, Weiss R, Kawata AK, Garcia JK, Santangelo S, Gallagher CJ. Impact of Smoking and Alcohol Use on Facial Aging in Women: Results of a Large Multinational, Multiracial, Cross-sectional Survey. J Clin Aesthet Dermatol. 2019 Aug; 12(8): 28–39.

Foto: Dr. Meike Streker

Dr. phil. Meike Streker,

Kosmetikwissenschaftlerin, Wissenschaftliche Beratung/Cosmetic Consulting, Hamburg, www.meikestreker.de

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