Alles nachhaltig, oder was?

27.05.2024
Nachhaltig

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt stetig an Aufmerksamkeit. Der Verbraucher wird kritischer und hinterfragt mehr, die Branche arbeitet bereits an diversen Lösungen, und die Gesetzgebung gibt mehr Rahmen vor. Doch welche nachhaltigen Trends zeichnen sich derzeit ab?

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Über die Hälfte der Verbraucher geben an, dass sie selbst mit ihrem Handeln einen positiven Einfluss auf das Klima ausüben wollen.
Aber allein ist die Klimakrise nicht zu bewältigen. Mit ihren persönlichen Beiträgen zum Schutz des Planeten stoßen die Verbraucher an ihre Grenzen. Es stellt sich die Frage, ob Unternehmen und Regierungen alle Möglichkeiten nutzen, um etwas zu bewirken.

Greenwashing ist out

Wunsch des Verbrauchers: Organisationen müssen schärfere Maßnahmen ergreifen und Nachweise für ihre Versprechen vorlegen. Unternehmen und Regierungen werden in ihre Verantwortung genommen. Sie müssen ihre Anstrengungen verstärken, damit Verbraucher eindeutig erkennen können, wie ihre Entscheidungen unmittelbar einen positiven Wandel bewirken.

Branchenlösungen

Handelsmarken scheinen genau hier zu punkten: Dies konnte insbesondere auch im Naturkosmetiksektor beobachtet werden. Verbraucher konnten mit Qualität und wettbewerbsfähigen Preisen überzeugt werden.
Die Naturkosmetikmarken machen es vor: Wichtige Nachhaltigkeitsinitiativen werden vorangetrieben und legitimieren den Konsum durch hohe ethische Standards. Und das, obwohl das werteorientierte Kaufverhalten der Verbraucher derzeit preisbedingt leicht abgeschwächt ist.
Anbieter müssen nicht nur ihre Preis- und Distributionsstrategien neu bewerten, sondern es muss auch gelingen, die Mehrwerte ihrer Marken glaubhaft zu vermitteln. Marken müssen sich heute viel klarer positionieren und differenzierter auf die unterschiedlichen Zielgruppen reagieren.

Expertise ist gefragt

Die Branche steht vor der anspruchsvollen Aufgabe, nicht nur die Produkte mit ausreichenden Funktionen auszustatten und Claims anzupassen, um Greenwashing zu vermeiden. Der Fokus auf Nachhaltigkeit im Unternehmen und in den Produkten sowie der Lieferkette ist künftig zu steigern. Nur so kann auch die Zielgruppe mitgenommen werden.
Die gute Nachricht: Die Kosmetikbranche ist fleißig dabei, Nachhaltigkeitsstrategien nicht nur in ihren Produkten zu verwirklichen, sondern geht auch ganzheitliche Schritte.
Die branchenweite Initiative „Commit for Our Planet“, startete im Dezember 2022 und zielt darauf ab die Umweltauswirkungen der Kosmetik- und Körperpflegeindustrie in Europa zu verringern. Seit dem Start von „Commit for Our Planet“ haben sich 35 Unternehmen zu einer Reihe von Maßnahmen verpflichtet, die von der Verringerung der Kohlenstoffemissionen über die Verbesserung von Verpackungslösungen bis hin zum Handeln für die Natur reichen.
Derzeit sieht man viele innovative Einzellösungen – gerade im Verpackungsbereich. Gemeinsame, unternehmensübergreifende Schritte machen auch marktwirtschaftlich Sinn, um die gesamte Branche „grüner“ zu machen, gemeinsame Chancen innerhalb der Wertschöpfungskette zu verwirklichen und konkrete Schritte in Richtung einer nachhaltigen Beschaffung, Herstellung und Verteilung zu unternehmen.

Die richtige Lieferkette

Ethical sourcing, das heißt: Sowohl die ethische Beschaffung als auch Anbau und Ernte zur Herstellung von Rohstoffen gewinnen an Bedeutung. Soziale Komponenten im eigenen Unternehmen und auch die Arbeitsbedingungen in entfernteren Herstellerländern werden weiter berücksichtigt. Decarbonisierung und Energiesparen haben einen Mehrwert: Die Investition in langfristige energieeffiziente Maßnahmen kann eine Strategie zur Kostenreduzierung sein. Wer mit den richtigen Lieferanten zusammenarbeitet, kann künftig Strafen vermeiden, und umweltfreundliche Maßnahmen können sich unmittelbar auf das Endergebnis auswirken.
Vollständige Transparenz ist auch hier entscheidend. Gleichzeitig sind nachhaltige Auswirkungen mit konkreten Zahlen zu belegen. Wenn eine Verpackung beispielsweise aus wiederverwertbaren Materialien hergestellt wird, sollte dies explizit angegeben werden. Natürlich nur, wenn diese Angaben – wie alle Claims – zweifelsfrei belegt werden können.
Noch ist vonseiten des Gesetzgebers keine offizielle digitale Deklaration vorgeschrieben. Aber bereits jetzt sind schon QR-Codes auf Produkten zu finden, über die die Kunden weitergehende Informationen erhalten können. Beispielsweise sind hier Details zur Rückverfolgbarkeit und Authentifizierung zu finden wie auch ausführliche Produktinformationen, die mehr und mehr die Sekundärverpackung überflüssig machen können.

Branchentrend: Be Community

Mit Be Community – Gemeinsam stark! wird genau der Verbraucherwunsch nach Transparenz und Authentizität aufgenommen: Die Bildung von Communitys spielt eine Schlüsselrolle. Ein Brückenschlag sowohl zwischen Marken und ihren Kunden als auch zwischen Marken und dem Handel – so hat jeder Hersteller die Chance, eine eigene Community aus der Vielzahl seiner Anspruchsgruppen entlang der Wertschöpfungskette zu bilden. Dabei wird eine emotionale Kommunikation wichtiger denn je, um eine Verbundenheit erlebbar zu machen. Und um wichtige Informationen plausibel weiterzutragen.

Recycling

Neue Regelungen für Verpackungen

Reduce – Reuse – Recycle = Reduzierung, Wiederverwendung und Wiederverwertung. Ziel ist es, die Anforderungen an Verpackungen zu verschärfen, um die Wiederverwendung und das Recycling zu stärken sowie den Recyclatanteil in Materialien zu erhöhen. Gleichzeitig sollen Verpackungsabfälle reduziert werden, indem beispielsweise nicht notwendige Umverpackungen vermieden und der Anteil schädlicher Stoffe – sofern überhaupt notwendig – auf ein Mindestmaß reduziert werden. Das sind die Pläne der EU in der PPWR, der Packaging and Packaging Waste Regulation.
So sollen die in der EU verwendeten Verpackungen reduziert, sicherer und nachhaltiger werden. Auch geht es um eine klarere Kennzeichnung von der Zusammensetzung zur Information des Endverbrauchers. Technisch herausfordernd ist die Verpflichtung, dass bis 2030 alle Verpackungen uneingeschränkt recyclingfähig sein müssen und Kunststoffverpackungen verbindliche Anteile an Recyclat enthalten müssen.

Großes Thema in der Kosmetikindustrie

Nicht nur die reine Primärverpackung, sondern auch die verwendeten Etiketten und deren Kleber sowie Verschlüsse müssen konkreter in den Blick genommen werden! Die Verordnung könnte noch im ersten Halbjahr 2024 in Kraft treten. Die jährlich aktualisierten Mindeststandards für die Recyclingfähigkeit gibt es bereits seit mehreren Jahren.
Problem: Neue biobasierte Materialien sind nicht gleich biologisch abbaubar und derzeit nicht recyclefähig! Hier muss dringend geprüft werden, welches Verpackungsmaterial sinnvoll und nachhaltig ist!

Green Claims - Verbot von Greewashing

Die EU hat Rechtsvorschriften erlassen, die die Verwendung von Behauptungen wie „klimaneutral“ und „umweltfreundlich“ ohne entsprechende Akkreditierung verbieten. Unternehmen sollen künftig umweltbezogene Marketingbehauptungen („Green Claims“) vorab prüfen lassen. Der Gesetzesentwurf wird das kürzlich verabschiedete Verbot von Greenwashing ergänzen. Die neue Richtlinie über umweltbezogene Angaben wird die Informationen beschreiben, die Unternehmen den Behörden zur Verfügung stellen müssen, um ihre umweltbezogenen Marketingangaben zu belegen. Eine offizielle Liste von weniger komplexen Angaben und Produkten soll erstellt werden, die einfacher und damit schneller überprüft werden können.
Auch soll noch entschieden werden, ob „grüne Angaben“ über Produkte, die gefährliche Stoffe enthalten, weiterhin möglich sein sollen.
Der Grund: Studien zeigen, dass 50 Prozent der Umweltangaben von Unternehmen irreführend sind. Verbraucher und Unternehmer verdienen Transparenz, Rechtsklarheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen. Es geht darum, dass die Unternehmen über die richtigen Instrumente verfügen, um auch echte Nachhaltigkeitspraktiken anzuwenden. Dies ist ein erster Entwurf des EU-Umweltausschusses, der vom neuen Parlament nach den Europawahlen im Juni 2024 weiterverfolgt wird. Nicht nur in Europa stehen strengere Vorschriften an. Auch Südkorea hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, nach dem Unternehmen mit Geldstrafen belegt werden sollen, wenn sie falsche Angaben zur Umweltbelastung machen.

Quellen:
Vivaness 2024, Ecovia international, Naturkosmetik Branchenmonitor (The NEW/Consumer Panel Services GfK, Circana, IQVIA und BioVista), Euromonitor, Mintel Group Ltd.

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Dr. Sandra Helling

Dr. Sandra Helling
Die Autorin ist promovierte Chemikerin und Sicherheitsbewerterin. Mit dem Unternehmen Hello! cosmetic projects bietet sie ein umfangreiches Leistungsspektrum sowie Netzwerk und Kommunikation.

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