
Die Nachhaltigkeit spielt noch eine zentrale Rolle für Konsumenten! Allerdings reicht das allein nicht aus, um sie zum Kauf zu animieren. Neben dem Spirit der gesellschaftlichen Transformation und der ökologischen Verantwortung steht das Bedürfnis im Vordergrund, sich selbst etwas Gutes zu tun und sich im sozialen Umfeld positiv zu inszenieren. Produkte sollten daher nicht nur nachhaltig sein, sondern auch einen emotionalen Mehrwert bieten – etwa durch Innovationen, die überraschen, oder durch eine ansprechende Kommunikation, die Spaß macht.
Erfolgreiche Differenzierung gelingt, wenn Nachhaltigkeit mit Leichtigkeit, Lifestyle und Selbstwirksamkeit verbunden wird, sodass Konsumenten sie als integralen Bestandteil ihres Alltags erleben.
So auch die Trends auf der Biofach 2025, der Messe für ökologische Konsumgüter. Eine Branchenentwicklung, die nicht nur für nachhaltige Lebensmittel gilt: We, Myself and I.
Der Balanceakt zwischen Idealismus und Genuss prägt den aktuellen Konsum. Nachhaltigkeit verliert als Kaufargument etwas an Bedeutung, während Vielfalt und Geschmack stärker in den Fokus rücken. Gleichzeitig wächst durch die Inflation die Preissensibilität. Dennoch bleibt der Wunsch nach Transparenz und echtem Umweltengagement bestehen – eine Herausforderung, die Bio-Marken geschickt meistern müssen. Das ist 1:1 übertragbar auf die Kosmetik-Sparte!
Wie sehen die konkreten Marktzahlen derzeit aus?
Nach Erhebungen des IKW beträgt das Marktvolumen an Schönheitspflege insgesamt 16,9 Millionen Euro (Endverbraucherpreise) in 2024. Das ist ein Anstieg um 7,0 Prozent, verglichen mit dem Vorjahr. Alle Sparten konnten hier ein Plus verzeichnen. Die höchsten Zuwächse wurden bei der dekorativen Kosmetik sowie den Mund- und Zahnpflegemitteln beobachtet. Die Naturkosmetikbranche wächst weiterhin und trägt zum Gesamtmarkt der Kosmetik bei. Der Umsatz überschreitet erstmals die 1,5-Milliarden-Euro-Marke, was einem Wachstum von 3,2 Prozent seit 2007 entspricht. Der Naturkosmetikanteil am Gesamtmarkt liegt bei etwa 10 Prozent.
Während konventionelle Kosmetik weiterhin dominiert, gewinnen grüne Konzepte (Naturkosmetik, naturnahe Kosmetik, Clean Beauty) Marktanteile.
Die Drogerie bleibt der wichtigste Vertriebskanal mit einem Anteil von 40 Prozent am Naturkosmetikumsatz. Reformhäuser und Biofachhandel verlieren hingegen an Bedeutung und erreichen nur noch 15 Prozent Marktanteil – ein deutlicher Rückgang seit 2007. Der Online-Handel wächst zweistellig, während Discounter nur begrenzt erfolgreich sind.
Hauptwachstumstreiber ist die steigende Zahl an Käufern, insbesondere aus der jüngeren Zielgruppe (bis 49 Jahre). Die Käuferreichweite liegt nun bei 34 Prozent, was einem Anstieg um über 800.000 Käufer entspricht. Die Loyalität der Käufer gegenüber einer Marke nimmt jedoch leicht ab.
Und trotz steigender Kaufkraft bleibt das Preisbewusstsein hoch. Handelsmarken gewinnen Marktanteile, während Markenprodukte stabil bleiben oder leicht zurückgehen. Handelsmarken und Marken unterscheiden sich deutlich im Preisniveau: Im Durchschnitt geben Käufer 15 Euro mehr für Naturkosmetik-Marken aus als für Handelsmarken. Der Abstand zwischen beiden ist jedoch leicht gesunken.
Die Naturkosmetikbranche kann optimistisch in die Zukunft blicken, insbesondere durch das anhaltende Käuferwachstum. Einkommensanalysen zeigen, dass Naturkosmetik-Käufer häufiger aus höheren Einkommensklassen (über 2.000 Euro pro Kopf) stammen, insbesondere bei Markenprodukten. Insgesamt zeigt sich, dass Marken zwar eine gewisse Sicherheit bieten und durch Nachhaltigkeit ein stabiles Fundament haben. Handelsmarken sind der Marktöffner für Bio- und Naturkosmetik im unteren Preissegment.
Die Shopper-Aktivierung bleibt eine Herausforderung. Neben Nachhaltigkeit spielen Selbstinszenierung, Selbstoptimierung und ein gewisser „Spaßfaktor“ eine große Rolle bei der Kaufentscheidung.
Was ist dem Konsumenten noch wichtig?
- Mit Nachhaltigkeit verbinden die Verbraucher überwiegend die Themen Müllvermeidung, Mülltrennung, sowie Themen wie Biodiversität, CO2-Reduktion und Tierschutz.
- Im Alltag zeigen sich jedoch viele innere Konflikte. Eine Annäherung an nachhaltiges Verhalten vollzieht sich schrittweise, zum Beispiel durch „Unterlassen“, „Umdeuten“ oder „Optimieren“, ohne vollständig auf bestimmte Praktiken wie Fliegen oder Autofahren zu verzichten.
- Wichtige Kriterien von Konsumenten, die laut einer IKW-Studie (veröffentlicht in 2023) auf Nachhaltigkeit bei Kosmetik achten, sind umweltfreundliche Verpackung, tierversuchsfreie Produkte und verträgliche Inhaltsstoffe. Wichtige Faktoren sind auch die Umweltverträglichkeit und die Sicherheit der Produkte, die getestet und sorglos verwendbar sein sollten – allerdings ohne Leistungseinbußen in Funktion und Pflege.
- Siegel und Kennzeichnungen auf Kosmetikprodukten werden als wichtig erachtet, um schnell erkennen zu können, wie nachhaltig ein Produkt ist, ohne sich extra informieren zu müssen.
- Vermeidung von Greenwashing und nachhaltige Verpackungen sind die Themen, die nicht nur aus rechtlichen Gründen für die Branche überaus wichtig werden. Die Vielschichtigkeit macht der Branche zu schaffen, da es nicht „die eine“ Verpackungs-Lösung für die Kosmetik gibt.
- Nicht allein das Material von Flasche, Tube oder Tiegel steht im Fokus: Verschluss, Etikett und Kleber, Druckfarbe und alles, was noch zur Verpackung zählt, sind in die Bewertung der Nachhaltigkeit einzubeziehen. Und ab hier wird es auch für den Konsumenten schwierig: Die Nachhaltigkeit von Packmitteln ist nicht auf den ersten Blick einschätzbar!
- Klar ist: Der alleinige Verzicht auf Kunststoff greift zu kurz. Ganz im Gegenteil, hier liegen viele Möglichkeiten, die jetzt schon umsetzbar sind.
- Wichtig ist es für die Hersteller und Markeninhaber, von Anfang an die Verpackung als Teil des Produkts mitzudenken.
- Konzepte wie „Design for Recycling“ unter Zuhilfenahme des Mindeststandards für Recyclingfähigkeit sind bereits seit einiger Zeit bekannt. Dazu sind schon viele positive Produktentwicklungen am Markt zu finden. Insgesamt ist aber nur eine zögerliche Umsetzung in der Branche zu sehen.
- Als anderes positives Beispiel ist der Anschluss an das Mehrweg-Pfandsystem zu nennen. Warum nicht neben Getränkeflaschen auch Kosmetikflaschen sammeln und einfach zusammen zum Pfandautomaten bringen? Mehrweg – kann das nicht auch eine großartige Option für das Kosmetikinstitut sein? Fragen Sie Ihre Hersteller/Lieferanten an, ob sie Mehrweg-Optionen für Kabinenware haben.
Und wie sehen Produkttrends aus?
- Dekorative Kosmetik ist derzeit sehr kaufstark. Man sieht viele Sticks und etwas Minimalismus: Es geht etwas weg vom Perfektionismus, dafür Back to nature.
- Der Natural Beauty Look. Kein Wunder, dass die vielen leichten Make-up-Seren gerade durchstarten neben Sticks und Formulierungen, die multifunktionell eingesetzt werden: Blush, Bronzer und Highlighter werden zu Lippenstift und Eyeshadow.
- Bei dem richtigen Glow ist auch nicht mehr viel Make-up notwendig: Seren auf AHA, und BHA-Basis – nicht neu, aber immer noch up to date – fördern die Hauterneuerung und sorgen so für strahlende und natürliche Hautmomente.
- Produkte, die das hauteigene Mikrobiom unterstützen oder für die Menopause – eine Erweiterung des Anti- oder Well-Agings.
- Deocremes aluminiumfrei auf Natron-Basis, jetzt auch als Sticks, nachfüllbare Varianten und neu auch ohne Weißeffekt.
- Social Listening ist als wichtiges Tool zu betonen, um Konsumentenbedürfnisse, Trends und mögliche Krisen frühzeitig zu erkennen und in die Produktentwicklung einfließen zu lassen. Die kaufkräftigen Zielgruppen bieten großes Potenzial für die Branche. Wellbeing, Gesundheit und die Bedürfnisse der Zielgruppen sind im Blick zu behalten – Naturkosmetik ist starker Teil davon.
Quellen
IKW: Fakten und Zahlen, Kosmetik und Nachhaltigkeit, https://www.ikw.org
Biofach 2025, Produktneuheiten; Mirja Eckert/TheNew, Andrea Herzog/YouGov

Dr. Sandra Helling
Die Autorin ist promovierte Chemikerin und Sicherheitsbewerterin. Mit dem Unternehmen Hello! cosmetic projects bietet sie ein umfangreiches Leistungsspektrum sowie Netzwerk und Kommunikation.