Neues zu Wimpernseren: Länger, dichter und bald weg?

03.01.2022
Foto:  Aliaksandr Barouski /Shutterstock.com

Glänzende, dichte und lange Wimpern gelten als Schönheitsideal. Für den sinnlichen Blick sollen Wimpernseren sorgen. Immer wieder geraten sie wegen des häufig verwendeten Hormons Prostaglandin in die Kritik. Andere Länder erlauben den Verkauf von Wimpernseren mit Hormonbestandteilen nicht ohne Rezept.

Wimpernseren werden je nach Produkt ein- bis zweimal täglich ähnlich wie ein Eyeliner auf den Wimpernkranz aufgetragen. Dort stimulieren sie nach Herstellerangaben das Wachstum der Wimpern. Das Haarwachstum unterliegt generell Zyklen von auf- und abbauenden Prozessen der Keratinozyten (hornbildenden Zellen).

Die Haarzyklen in jedem Haarfollikel haben einen strengen Ablauf von der Anagenphase (Wachstumsphase: zwei bis sechs Jahre) über die Katagenphase (Ruhephase: zwei bis drei Wochen), bis hin zur Telogenphase (Auswurfphase: sechs bis zwölf Wochen). Diese Phasen laufen nicht synchron ab. Unterschiedliche Haare befinden sich zur gleichen Zeit in unterschiedlichen Phasen.

Prostaglandin und Co.

Um nun einen dichteren Wimpernkranz und längere Wimpern zu erreichen, sollen die Inhaltsstoffe der Seren die Haarwachstumsphase verlängern. Und tatsächlich lassen sich meist nach sechs bis acht Wochen deutlich verlängerte und verdichtete Wimpern feststellen. Möglich ist dieser Effekt durch den Einsatz verschiedener Ingredienzen, zu denen häufig, aber nicht immer, Hormone oder Hormonderivate zählen. Diese Zusätze sind an Silben wie „prost“ im Namen zu erkennen und werden meist als synthetische Nachbauten des Hormons Prostaglandin eingesetzt.

An diesem Hormon, das seinen Siegeszug als Bestandteil von Wimpernseren dem Zufall verdankt, entzündet sich nun auch der Disput zwischen Herstellern und Behörden. Prostaglandine werden in der Medizin unter anderem zur Senkung des Augeninnendrucks eingesetzt. Im Rahmen dieser Anwendung wurde bei Patienten mit grünem Star ein erhöhtes Wimpernwachstum bemerkt.

Nebenwirkungen

Doch Wimpernseren stehen schon seit Längerem in der Kritik, und das nicht ohne Grund. So berichten Anwenderinnen von Rötungen, Hautreizungen, Jucken, Brennen und leichten Schwellungen. Auch wurde von Kontaktlinsenunverträglichkeiten und Sehschärfeverschlechterungen berichtet.

All diese Aspekte sind meist vorübergehend und verschwinden nach dem Absetzen der Seren wieder. Was den Behörden Grund zur Sorge gibt, sind Meldungen über Nebenwirkungen, die dauerhafter Natur sind.

Zu ihnen gehört beispielweise eine dauerhafte Verdunkelung der Iris, die bei bis zu 10 Prozent der Userinnen auftritt. Außerdem wurde festgestellt, dass sich bei längerem Gebrauch das Unterhautfettgewebe im gesamten Augenbereich ausdünnt und ein sogenanntes „hollowing“ entsteht. Als Folge liegen die Augen tiefer in den Höhlen, an den Unterlidern bilden sich dunkle Schatten.

Dieses Phänomen ist nicht reversibel und kann nur durch minimal-invasive Methoden wie Hyaluron- und Eigenfett-Unterspritzungen oder Injektionen von plättchenreichem Plasma (PRP) verbessert werden. Auch über eine erhöhte Pigmentierung der Haut, die einen Panda-Eye-Look generiert, wurde berichtet.

Bemühungen der Behörden

Daher gibt es seit einigen Jahren Bemühungen, sowohl nationaler als auch internationaler Gesundheitsbehörden, den Vertrieb von Wimpernseren einzuschränken oder ganz zu verbieten. Die Europäische Kommission hat kürzlich eine Untersuchung zur Sicherheit von Prostaglandinen in Kosmetika eingeleitet, nachdem Meldungen über „schwerwiegende Nebenwirkungen“ wie geschwollene Augenlider, brennende Augen und Hyperpigmentierung eingegangen waren.

Die Überprüfung der Kommission folgt zudem einem Bericht des Bundesinstituts für Risikobewertung aus dem Jahr 2018, in dem keine Hinweise auf eine Dosis gefunden wurden, bei der das Wimpernwachstum mit Prostaglandinen oder deren Derivaten ohne Nebenwirkungen gefördert werden kann.

Andere Länder, darunter Australien, USA und Kanada, erlauben den Verkauf von Wimpernseren mit Hormonbestandteilen nicht ohne Rezept. Und auch hoch spezialisierte Augenärzte haben ihre Bedenken. So führte Assistenzprofessorin Dr. Tracy Doll vom Pacific University College of Optometry in Oregon 2020 eine Untersuchung an 154 Anwenderinnen von Wimpernseren durch. Im Ergebnis hatten 44 Prozent der Frauen die Anwendung der Seren gestoppt, die meisten wegen der aufgetretenen Nebenwirkungen.

Rechtlicher Hintergrund

Die Basis für ein Verbot der Wimpernseren soll sich in Deutschland wie in Europa im Arzneimittelrecht finden. Der Begriff des Funktionsarzneimittels aus Art. 1 Nr. 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/83/EG bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) Arzneimittelgesetzbuch (AMG) ist der einschlägige Bewertungsmaßstab. Danach ist ein Stoff oder eine Stoffzubereitung als (Funktions-)Arzneimittel zu sehen, wenn physiologische Funktionen durch eine pharmakologische, [… ] Wirkung wiederhergestellt, korrigiert oder beeinflusst werden.

Setzt man diese etwas sperrige Definition auf die Wimpernseren um, findet man sich schnell im Arzneimittelrecht wieder. Denn unstreitig wird durch den Zusatz der Hormone die physiologische Funktion des Wimpernwachstums beeinflusst.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Letztlich geht es darum, dass die pharmakologische Wirkung, die durch die hormonhaltigen Stoffe entfaltet wird, auch signifikant ist.

Das heißt im Klartext, dass das Wimpernwachstum hauptsächlich durch den Zusatz der Hormone und nicht durch andere Bestandteile der Seren erreicht wird. Eine untergeordnete pharmakologische Wirkung kann nämlich umgekehrt dazu führen, dass das Produkt weiterhin als Kosmetikprodukt gehandelt werden darf.

Dies hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Grundsatzentscheidung zur Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Kosmetikprodukten ausgeführt (EuGH Urt. v. 06.09.2012 - C-308/11). Danach könne ein Produkt nur dann als Funktionsarzneimittel angesehen werden, wenn es „aufgrund seiner Zusammensetzung – einschließlich der Dosierung seiner Wirkstoffe – und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch physiologische Funktionen des Menschen in signifikanter Weise … beeinflussen kann“.

Also müsste jedes Produkt über entsprechende Daten verfügen, die den Wirkmechanismus aufzeigen und damit eine Produktkategorisierung, in die eine oder andere Richtung zulassen. Diese Art von Daten wird aufgrund mangelnder gesetzlicher Verpflichtung für Kosmetikprodukte nicht erhoben.

Und es gibt weitere Aspekte zu betrachten: Der EuGH hat in einem Urteil aus dem Jahre 20131 besonders betont, wie entscheidend die Einzelfallbetrachtung bei einer Produktkategorisierung ist. Danach sind dabei „alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, … Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen –, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann“2.

Ist also das erklärte Behördenziel, generell alle Wimpernseren zu verbieten, kann dieses Vorhaben schnell scheitern. Einige Hersteller werben zum Beispiel explizit damit, hormonfrei zu sein. Sollten in diesen Produkten keine anderen arzneilich wirksamen Stoffe verwendet werden, ließe sich ein Verkehrsverbot auf Basis des Arzneimittelrechts nicht begründen. Auch hier werden also aussagekräftige präparatespezifische oder mindestens stoffspezifische pharmakologische Untersuchungen benötigt.

Qualifizierte Risikobewertung

Bereits zu Beginn des Artikels wurden die Risiken hormonhaltiger Seren besprochen. Sie sind ein weiterer entscheidender Teil des Beurteilungsprozesses bei der Produkteinordnung. Allerdings werden Nebenwirkungen mit Kosmetikprodukten nicht oder nur selten von Verbrauchern gemeldet. Die qualifizierte Risikobewertung, in die natürlich auch Nebenwirkungsmeldungen einfließen, wird jedoch ein wesentlicher Bestandteil eines Prozesses sein. Können hier keine entsprechenden Daten vorgelegt werden, droht die bloße Argumentation mit Gefahrstoffdaten vonseiten der Behörden. Dies könnte den Ausgang des Verfahrens bereits von vornherein in eine bestimmte Richtung lenken.

Quellen:

1 EuGH Urt. v. 03.10.2013 C109/12 Rn. 42; EuZw 2009, 19 Rn. 32, BVerwG, Urt. v. 26.05.2009 – 3 C 5/09, Rn. 13; NVwZ 2009, 1038

2 Urteile vom 15. Januar 2009, Hecht-Pharma, C140/07, Slg. 2009, I41, Randnr. 39, und vom 30. April 2009, Bios Naturprodukte, C27/08, Slg. 2009, I3785, Randnr. 18

Foto: Autorin
Dipl.- Kffr. Astrid Tomczak (LL. M.)

Die studierte Betriebswirtin ist seit 2006 in der ästhetischen Medizin tätig und berät Unternehmen zu Market-Access-Strategien. Sie verfasst regelmäßig Artikel zu betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Themen der Branche.

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