Männerhaut ist anders – Mythos oder Wahrheit?

06.10.2022
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Galt früher kosmetische Pflege als unmännlich, gibt es heute glücklicherweise eine „kosmetische Emanzipation“ des Mannes. Männer sollen und wollen ebenso gepflegt sein wie Frauen. Bei der Auswahl der richtigen Pflegeprodukte haben die Männer jedoch häufig Schwierigkeiten, da es eine Vielzahl an Mythen rund um die Physiologie der Männerhaut gibt. Wir klären die wichtigsten Mythen auf.

Männerhaut ist viel robuster als Frauenhaut.

Das lässt sich nicht pauschal sagen. Obwohl die Studienlage um die geschlechtsspezifischen Unterschiede ­widersprüch-lich ist, konnte eine Untersuchung der Universität Hamburg an 300 gesunden Männer und Frauen aufzeigen, dass es hautphysiologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt.1

Die 2013 durchgeführte Studie zeigt, dass der transepidermale Wasserverlust (TEWL), der in der Kosmetikwissenschaft unter anderem als Indikator für eine instabile Hautbarriere gilt, bei Frauen höher ist als bei Männern. Allerdings verringert sich der Unterschied mit zunehmendem Alter, was vermutlich auf hormonelle Veränderungen der Frau in der Menopause zurückzuführen ist.

Epidemiologische Studien deuten jedoch darauf hin, dass Frauen eher unter einer empfindlichen Haut leiden als Männer.2 Eine 2020 veröffentlichte Untersuchung an knapp 1.000 jungen Chinesinnen und Chinesen zeigt, dass die Prävalenz der selbstberichteten empfindlichen Gesichtshaut bei Frauen höher ist als bei Männern. Während jedoch mehr Frauen unter verschiedenen Symptomen litten, waren die Symptome bei den Männern schwerer als bei den Frauen.3

Hautpflegeprodukte schienen bei beiden Geschlechtern die Hauptursache für empfindliche Gesichtshaut zu sein. Da es jedoch auch ethnische Unterschiede hinsichtlich einer empfindlichen Haut gibt, lassen sich die Daten nicht 1:1 auf kaukasische Männer und Frauen übertragen. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Prävalenz einer empfindlichen Haut auch in Deutschland sowohl bei ­Männern als auch bei Frauen stetig zunimmt.4

Männerhaut ist viel fettiger als Frauenhaut.

Stimmt. Die Talgsynthese ist maßgeblich abhängig von Hormonen, genauer von Androgenen. Östrogene hingegen regulieren die Talgdrüsenfunktion herab. Daher zeigt männliche Haut in Studien einen signifikant höheren Sebumgehalt als die von Frauen.1, 5, 6 Im Alter wird der Unterschied noch größer. Während die Talgdrüsenaktivität der Männer im Alter stagniert oder sogar zunimmt, beginnt der Sebumgehalt von Frauen ab 40 Jahren zu sinken. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die ­Lipidproduktion weiblicher Haut im direkten Zusammenhang mit den altersbedingt abfallenden Geschlechtshormonen zusammenhängt.

Männerhaut braucht nicht so viel Pflege.

Stimmt nicht. Auch Männerhaut braucht eine Feuchtigkeitspflege. Denn ein hoher Feuchtigkeitsgehalt im Stratum corneum lässt die Haut im Allgemeinen zarter erscheinen, stärkt die Hautbarriere und schützt so vor dem Eindringen schädlicher Stoffe.

In der Studie der Universität Hamburg wurden unter anderem geschlechtsspezifische Unterschiede der Stratum-corneum-Hydratation evaluiert.1 Die Forscher stellten fest, dass Männer bis zum Alter von 40 Jahren eine signifikant höhere Hydratation des Stratum corneum haben als Frauen gleichen Alters. Jedoch verändert sich der Wert ab den 50er-Jahren.

Während der Wert bei den Frauen im Alter konstant bleibt oder sogar ansteigt, nimmt die Feuchtigkeit der Männerhaut mit den Jahren stark ab. Selbstverständlich variieren die Eigenschaften der Haut zwischen Personen unterschiedlichen Alters und können unter anderem durch den Body-Mass-Index (BMI) sowie den persönlichen Lebensstil beeinflusst werden.7

Männerhaut ist dicker als Frauenhaut.

Stimmt. Bereits in den 1970er-Jahren wurden Unterschiede des Kollagengehalts bei Männern und Frauen dokumentiert. Die englischen Wissenschaftler stellten fest, dass der Kollagengehalt mit dem Alter abnimmt und bei Frauen allen Altersgruppen signifikant geringer ist als bei Männern gleichen Alters.
Da es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Kollagengehalt und der Hautdicke gibt, schlussfolgerten die Wissenschaftler, dass Männerhaut signifikant dicker ist als die Haut von Frauen.8
Die Ergebnisse werden von aktuellen Daten aus dem Jahr 2022 bestätigt. Eine Studie aus China konnte auch einen signifikanten Unterschied zwischen der epidermalen und dermalen Dicken der Haut von Männern und Frauen evaluieren.9 Die Männerhaut war den Ergebnissen der Studie zufolge nur am Jochbein und am Hals nicht dicker als die Haut der Frauen.

Der Bart schützt vor Noxen.

Das stimmt. Ein dichter Bart schützt die Haut vor Umweltnoxen, ähnlich wie unser Kopfhaar. Bedingt durch einen dichten Bartwuchs können beispielsweise weniger Sonnenstrahlen auf die Haut gelangen und weniger Schäden in der Haut verursachen. Dies konnte eine Untersuchung von australischen Forschern bestätigen.10 Jedoch gilt dies nur bei einem besonders dichten und langen Bart. Ein Drei-Tage- oder auch Zehn-Tage-Bart reicht als Sonnenschutz nicht aus. Auch Bärte mit Löchern oder weniger dichten Stellen schützen nicht ausreichend. Daher sollten auch Männer, die einen Bart tragen, täglich zu einem Sonnenschutzprodukt greifen.

Männer haben keine ­Cellulite.

Stimmt nicht. Auch Männer können Cellulite bekommen, jedoch kommt es eher selten vor. Dies ist begründet in einem höheren Kollagengehalt und einer daraus resultierenden höheren Hautdichte beim Mann. Ferner liegen die Kollagenfasern beim Mann vernetzt im Bindegewebe vor, wodurch sie um ein Vielfaches stabiler sind.11 Zudem ist die Gesamtdicke der glutealen Unterhautfettschicht bei Männern geringer als bei Frauen.12

Auf einen Blick
  • Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es sehr wohl signifikante Unterschiede zwischen der Haut von Männern und Frauen gibt.
  • Pflegeprodukte und Pflegeregimes für den Mann machen also durchaus Sinn.
  • Neben den physiologischen Unterschieden spielt bei der Haut pflege des Mannes auch der genderspezifische Anspruch an Kosmetik eine Rolle.
  • Für viele Männer soll Kosmetik schnell, einfach und unkompliziert sein.
  • Grundsätzlich muss die Pflege für den Mann auf den individuellen Hautzustand abgestimmt sein.
  • Ferner benötigt Mann ebenso einen täglichen Lichtschutz und Schutz vor anderen äußeren Noxen.

Literatur:

  1. Luebberding S, Krueger N, Kerscher M. Skin physiology in men and women: in vivo evaluation of 300 people including TEWL, SC hydration, sebum content and skin surface pH. Int J Cosmet Sci. 2013 Oct;35(5):477–83.

  2. Berardesca E, Farage M, Maibach H. Sensitive skin: an overview. Int J Cosmet Sci. 2013 Feb;35(1):2–8.

  3. Wang X, Su Y, Zheng B, Wen S, Liu D, Ye L, Yan Y, Elias PM, Yang B, Man MQ. Gender-related characterization of sensitive skin in normal young Chinese. J Cosmet Dermatol. 2020 May;19(5):1137–1142. doi: 10.1111/jocd.13123.

  4. Misery L, Bataille A, Talagas M, Le Gall-Ianotto C, Fouchard M, Huet F, Ficheux AS, Roudot AC, Fluhr JW, Brenaut E. Sensitive Skin Syndrome: A Low-Noise Small-Fiber Neuropathy Related to Environmental Factors? Front Pain Res (Lausanne). 2022 Mar 25;3:853491.

  5. Zhao C, Wang X, Mao Y, Xu Z, Sun Y, Mei X, Shi W. Variation of biophysical parameters of the skin with age, gender, and lifestyles. J Cosmet Dermatol. 2021 Jan;20(1):249–255.

  6. Man MQ, Xin SJ, Song SP, Cho SY, Zhang XJ, Tu CX, Feingold KR, Elias PM. Variation of skin surface pH, sebum content and stratum corneum hydration with age and gender in a large Chinese population. Skin Pharmacol Physiol. 2009;22(4):190-9.

  7. Dąbrowska AK, Spano F, Derler S, Adlhart C, Spencer ND, Rossi RM. The relationship between skin function, barrier properties, and body-dependent factors. Skin Res Technol. 2018 May;24(2):165–174.

  8. Shuster S, Black MM, McVitie E. The influence of age and sex on skin thickness, skin collagen and density. Br J Dermatol. 1975 Dec;93(6):639–43.

  9. Meng Y, Feng L, Shan J, Yuan Z, Jin L. Application of high-frequency ultrasound to assess facial skin thickness in association with gender, age, and BMI in healthy adults. BMC Med Imaging. 2022 Jun 16;22(1):113.

  10. Parisi AV, Turnbull DJ, Downs N, Smith D. Dosimetric investigation of the solar erythemal UV radiation protection provided by beards and moustaches. Radiat Prot Dosimetry. 2012 Jul;150(3):278–82.

  11. Rudolph C, Hladik C, Hamade H, Frank K, Kaminer MS, Hexsel D, Gotkin RH, Sadick NS, Green JB, Cotofana S. Structural Gender Dimorphism and the Biomechanics of the Gluteal Subcutaneous Tissue: Implications for the Pathophysiology of Cellulite. Plast Reconstr Surg. 2019 Apr;143(4):10771086.

  12. Frank K, Casabona G, Gotkin RH, Kaye KO, Lorenc PZ, Schenck TL, Lachman N, Green JB, Duran-Vega H, Cotofana S. Influence of Age, Sex, and Body Mass Index on the Thickness of the Gluteal Subcutaneous Fat: Implications for Safe Buttock Augmentation Procedures. Plast Reconstr Surg. 2019 Jul;144(1):83–92.
Foto: Autorin
Dr. phil. Meike Streker,

Kosmetikwissenschaftlerin,

Wissenschaftliche Beratung/ Cosmetic Consulting, Hamburg, www.meikestreker.de

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