Was hinter dem Juckreiz steckt

23.01.2024
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Was tun, wenn die Haut juckt? Pruritus – so nennen Fachleute das Symptom Juckreiz, das erhebliche Beschwerden verursacht und nicht zu unterschätzen ist. Über die Auslöser und Therapiemöglichkeiten der Krankheit sowie zwei Beispiele aus der Praxis lesen Sie hier. 

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Meist entsteht Pruritus durch eine Hautreizung, eine Hauterkrankung oder auch bei einer allergischen Reaktion. Die Betroffenen haben das (starke) Bedürfnis, sich zu kratzen. Das bringt zunächst Erleichterung, diese hält allerdings nur kurz an. Wenn nun zu viel und/oder zu stark gekratzt wird, kommen in der Regel weitere Hauterscheinungen hinzu: Rötungen, Abschürfungen und mitunter sogar Blutungen. Dies kann in der Folge zu Krusten, Verdickungen, teilweise mit Verfärbungen der Haut und sogar zu Narben führen. In extremen Fällen kann es zur sogenannten Lichenifikation kommen, also einer Vergröberung der Hautstruktur. Außerdem kann durch das Kratzen mit schmutzigen Fingern eine Besiedlung mit Bakterien hinzukommen, und die Haut entzündet sich. Eine weitere Komplikation ist die Exkoriation (Abschürfung). 
Als Exkoriation (Excoriatio) bezeichnet man einen Substanzdefekt der Haut, der bis in das Stratum papillare der Dermis reicht (wörtlich: das „nach außen Kehren“, „ans Licht bringen“ der Lederhaut = Corium). Dies wird zum Beispiel durch Kratzen bei stark juckenden Dermatosen verursacht. 
Übrigens wird der Begriff Exkoriation auch oft im Zusammenhang mit der psychischen Störung „Skin Picking Disorder“ genannt. Hierbei handelt es sich um das krankhafte Kratzen und Zupfen an der eigentlich gesunden Haut. Der medizinische Fachbegriff lautet: Dermatillomanie. Aber was löst in der Regel den Juckreiz aus? 


Auslöser von Pruritus 


Es gibt klassische Hauterkrankungen, die mit Juckreiz einhergehen. Dazu zählen:
|    Neurodermitis
|    Psoriasis
|    Urtikaria
|    Allergien
|    generell Ekzeme
|    Bei älteren Menschen findet man häufig einen Juckreiz in Verbindung mit sehr trockener Haut (Pruritus senilis).
Aber auch einige Infektionskrankheiten gehen mit Juckreiz einher:
|    Gürtelrose (Zoster)
|    Krätze (Scabies)
|    Windpocken (Varizellen)
Ein weiteres Thema sind psychische Erkrankungen wie die erwähnte Skin Picking Disorder. 
Insektenstiche wie beispielsweise Mückenstiche lösen natürlich auch Juckreiz aus, ebenso wie einige Stoffwechselerkrankungen wie etwa Diabetes mellitus. Lange Zeit dachte man, dass Juckreiz über unsere Schmerzrezeptoren vermittelt wird. Heute geht man jedoch davon aus, dass es spezialisierte Nervenfasern sind. Die Aktivierung erfolgt wahrscheinlich über Gewebshormone wie etwa das Histamin, das auch eine zentrale Rolle bei Entzündungsreaktionen und Allergien spielt. Oft entsteht durch Juckreiz ein regelrechter Teufelskreis: Kratzen lindert zunächst das Gefühl des Juckens durch Aktivierung hemmender neuraler Schaltkreise, allerdings führt es auch zur Verstärkung des Juckreizes auf der Ebene des Gehirns, was den Juck-Kratz-Kreis verschlimmert. 
Außerdem lösen die durch das Kratzen entstandenen Hautschäden oftmals auch einen zusätzlichen Juckreiz aus. Dies führt in schlimmen Fällen zum sogenannten chronischen Pruritus, also einem Juckreiz, der länger als sechs Wochen anhält. Der Leidensdruck der Betroffenen ist sehr groß, es kann unter anderem zu Schlafstörungen, Leistungsabfall und sogar Depressionen kommen.


Therapieansätze bei Pruritus


Zunächst einmal ist es in der Regel hilfreich, den Auslöser zu finden. Da dies nicht immer möglich ist, wird oftmals  symptomatisch behandelt. Bei einer klaren Ursache, beispielsweise Psoriasis, wird die Grunderkrankung behandelt, um so auch den Juckreiz in den Griff zu bekommen. Begleitend kann jedoch immer auch der Juckreiz behandelt werden. 
Zur lokalen Anwendung werden Lotionen und Cremes mit juckreizlindernden Inhaltsstoffen wie Harnstoff (Urea), Menthol, Kampfer, Betäubungsmittel, Entzündungshemmer und Capsaicin eingesetzt. Mitunter wird auch Cortison verordnet. Zum Einnehmen wird, insbesondere bei allergischer Komponente, auf Antihistaminika zurückgegriffen. 
Ich sehe bei allen Maßnahmen die große Problematik, dass sich die Betroffenen durch die verschiedenen Therapieansätze und teilweise sehr aufwendigen Pflegemaßnahmen jedoch mehr mit ihrer Haut und dem Juckreiz beschäftigen, daher wird der Fokus immer wieder da-rauf gerichtet. Das fördert nicht unbedingt das Abklingen des Juckreizes.

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Praxisbeispiel 1


Eine 18-jährige Frau hatte ein unklares Ekzem an den ­Füßen. Hier wurde zunächst auf Fußpilz behandelt, obwohl nicht die typischen Stellen wie Zehenzwischenräume betroffen waren. Danach folgten diverse Allergietests, allesamt ohne Ergebnis. Der stark juckende Ausschlag befand sich auf den Zehen – eine sehr ungewöhnliche Stelle – und auch an der Fußinnenseite. Nach einigen Wochen waren auch die Hände betroffen, und die gesamte Haut an Händen und Füßen wurde sehr trocken und schuppte sich ab. Danach blieb nur das Ekzem unbekannter Ursache an den Füßen zurück. Es wurden verschiedene Therpieansätze versucht – allesamt erfolglos. Insgesamt wurden sechs Dermatologen konsultiert, alle hatten unterschiedliche Meinungen und versuchten unterschiedliche Therapieansätze. Durch heftiges Kratzen kam es zu einer Infektion mit Bakterien und es bildeten sich gelbe Krusten, die Haut nässte stark. Nun kam der Vorschlag, die Hautklinik aufzusuchen und sich dort in intensive Behandlung zu begeben. 
Naturheilkundlich wurden verschiedene homöopatische Mittel versucht – alles erfolglos. Es wurde eine mikrobiologische Untersuchung des Darms durchgeführt – auch ohne auffällige Ergebnisse. Der Leidensweg zog sich über insgesamt 2,5 Jahre, mal bessere und mal schlechtere Phasen. Am Ende wurde von einem neuen Hautarzt ein sehr starkes Corticoid in Kombination mit einem Antibiotikum als Creme verordnet – eine sehr heftige Creme. Es zeigte sich endlich Besserung, denn der Juckreiz war weg, und so wurde auch nicht mehr an der Haut manipuliert. Ich vermute, dass es sich anfangs um das dyshidrotische Ekzem handelte, das sich durch das intensive Kratzen und die damit verbundenen Infektionen zu einem sehr hartnäckigen Begleiter entwickelte.
An diesem Beispiel sehen wir sehr gut, dass die Ursache nicht immer gefunden werden kann – der symptomatischen Behandlung des Pruritus jedoch eine Schlüsselrolle zukommt. Denn oft ist die Grunderkrankung schon gar nicht mehr entscheidend, sondern der Kreislauf des Kratzens und der damit immer stärker werdene Juckreiz, der auch durch die geschädigte Haut weiter verstärkt wird.


Praxisbeispiel 2


Ein Mann, Ende 50, bekam ein juckendes Ekzem an den Händen. Zunächst tippte man auf trockene Haut, jedoch entwickelten sich schnell Bläschen, und der Ausschlag weitete sich auf die Unterarme aus. Nun standen Allergietests an, die alle negativ ausfielen. Danach wurde eine Nebenwirkung eines Medikaments vermutet, das der Patient regelmäßig einnahm, aber auch nach Absetzen des Medikaments verbesserte sich die Haut nicht. Es kam ein unerträglicher Juckreiz hinzu, und die Haut an den Händen schuppte sich ständig ab. Sie war von tiefen, teilweise blutigen Rhagaden gekennzeichnet. 
Der Patient war versessen darauf, den Auslöser zu finden,  und begab sich zur Behandlung in die Hautklinik. Dort fuhr er über sechs Wochen täglich mit dem Zug hin, aber keiner der Therapieansätze brachte den gewünschten Erfolg. Manchmal gab es eine Verbesserung, aber bevor alles komplett abgeheilt war, kam es zu einem Rückfall. Seine Idee war: Wenn der Auslöser gefunden wird, dann kann ich behandelt werden und dann geht es mir besser.
In langen Gesprächen habe ich ihm versucht, zu erklären, dass dies nicht unbedingt der Fall ist und ich bei ihm eine psychologische Komponente vermute.
Durch die Fahrten zur Hautklinik und die sehr aufwendigen Pflegeanweisungen für zu Hause beschäftigte sich der Patient täglich stundenlang mit seinem Ekzem – das führte natürlich zu keiner Verbesserung. Er musste täglich mehrere Tinkturen und Salben auftragen, Bäder durchführen und Baumwollhandschuhe tragen – alles ohne Erfolg.
Erst als er sich von dem Gedanken, die genaue Ursache zu finden, verabschiedet hatte, kam langsam Ruhe herein.
An diesem Beispiel sehen wir sehr schön, dass die Ursachenforschung nicht immer einfach beziehungsweise zielführend sein muss. Insbesondere eine so starke Beschäftigung mit dem Juckreiz führt eher zum Gegenteil.

Tipps gegen Juckreiz

Empfehlen Sie Ihren Patienten oder Kunden diese Maßnahmen. Sie können helfen, den Juckreiz zu reduzieren.

  • Duschen oder baden Sie wenig und nicht zu heiß.
  • Verwenden Sie milde Seifen und feuchtigkeitsspendende Pflegemittel.
  • Achten Sie auf ausreichend Feuchtigkeit in der Raumluft und eine eher kühle Umgebung, denn auch zu viel Hitze kann Juckreiz verschlimmern
  • Bauen Sie Stress ab! Entspannungstechniken können helfen, dass weniger Juckreiz entsteht und er milder ausgeprägt ist (diese psychologische Komponente sollte nicht unterschätzt werden). 
  • Auf die Auswahl der Kleidung achten, insbesondere das Material.
  • Reiben oder rubbeln Sie nicht unnötig beim Abtrocknen.
  • Vermeiden Sie den direkten Kontakt mit Dingen, die die Haut reizen können, wie etwa Putzmittel.
  • Verwenden Sie regelmäßig entsprechende Pflegecremes.
Foto: Susanne Pfau

Susanne Pfau

Heilpraktikerin, staatlich geprüfte Kosmetikerin, Inhaberin der Kosmetikpraxis Pfau, Bad Harzburg,
www.susannepfau.de

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