Wach essen oder schläfrig futtern

21.06.2022
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Kennen Sie diese Situation? Sie wachen morgens unausgeschlafen auf und spüren urplötzlich eine heftige Heißhunger-attacke auf etwas Süßes. Damit sind Sie nicht allein, denn es ist in der Wissenschaft unumstritten, dass der Schlaf unser Essverhalten beeinflusst. Doch wird auch umgekehrt ein Schuh draus? Vieles deutet darauf hin.

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Dass unzureichender Schlaf unseren Stoffwechsel verändert, gilt mittlerweile als bestätigt. Viele von uns wissen aus eigener Erfahrung, dass zu wenig Schlaf auf Dauer dick machen kann. Außerdem kann chronischer Schlafmangel ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes mellitus Typ 2 sein. Guter Schlaf und eine erholsame Nachtruhe sind deshalb unerlässlich für unsere körperliche (und seelische) Gesundheit.

Eine US-amerikanische Forschergruppe führte diverse Studien zu diesem Thema durch und konnte nachweisen, dass eine Probandengruppe, die weniger lang schlafen durfte als die Kontrollgruppe, tagsüber mehr Kalorien – vor allem in Form von süßen und fettreichen Speisen – verzehrten. Warum aber griffen die Probanden ausgerechnet zu derart ungesunden Nahrungsmitteln?

Laut einer Studie, die im wissenschaftlichen Fachmagazin International Journal of Obesity veröffentlicht wurde, kompensierte offenbar das Belohnungszentrum im Gehirn die kurze Schlafdauer durch Pizza, Sahnetorte und Co.

Diese Erkenntnis führte die Wissenschaftler nun zu der Frage, ob man durch längere Schlafphasen das Abnehmen unterstützen könnte. Erste Studien dazu legen nahe, dass dies wirklich der Fall sein könnte. Denn Probanden, die eine ballaststoffreiche, zuckerarme Ernährung mit wenig gesättigten Fettsäuren pflegten, konnten nachts besser und erholsamer schlafen. Kann man denn nun durch eine geschickte Wahl von Lebensmitteln den nächtlichen Schlaf positiv beeinflussen? Und wenn ja, mit welchen?

Lebensmittel für guten Schlaf

Schon lange steht die mediterrane Küche in dem Ruf, sehr gesund zu sein. Und tatsächlich fand eine Forschergruppe um die Ernährungs- und Schlafforscherin Dr. Marie-Pierre St-Onge an der Columbia University heraus, dass reichlich Gemüse, Obst, Olivenöl, Vollkornprodukte, Nüsse und Hülsenfrüchte einen guten Schlaf fördern. Diese Lebensmittel sind – gepaart mit Fisch und Milchprodukten in Maßen – Teil der mediterranen Ernährungsweise. Die Probanden konnten insgesamt bei dieser Ernährungsweise besser ein- und erholsamer durchschlafen. Besonders bei Gemüse, Nüssen, Obst und Hülsenfrüchten scheint ein enger Zusammenhang mit der Schlafqualität zu bestehen.

Ursachenforschung

Was könnte die Ursache dafür sein? Bekannt ist, dass die Mineralien Magnesium (wirkt entspannend) und Kalzium, aber auch die Vitamine B6 und Folsäure wichtig sind für einen gesunden Schlaf. Die Wissenschaftler vermuten außerdem, dass das Schlafhormon Melatonin, an dessen Produktion die genannten Vitamine beteiligt sind und dessen Konzentration bereits einige Stunden vor dem tatsächlichen Zubettgehen im Körper anzusteigen beginnt, dafür verantwortlich sein könnte.

Daraufhin untersuchten sie die verzehrten Lebensmittel auf deren Gehalt an der Aminosäure Tryptophan, einer Vorstufe des Melatonins, hin. Tryptophan wird im Körper zu Serotonin und Serotonin dann in Melatonin umgewandelt (vereinfacht dargestellt). Und tatsächlich – beispielsweise in Hülsenfrüchten wie Erbsen, Bohnen, Linsen und Co. ist Tryptophan in größeren Mengen enthalten.

Ein weiterer Grund für den Zusammenhang zwischen gutem Schlaf und mediterraner Küche könnte aber auch das Mikrobiom in unserem Darm sein. Die mit dieser Ernährung reichlich aufgenommenen Ballaststoffe sind sozusagen die Lieblingsspeise der guten, nützlichen Darmbakterien. Und eine gesunde, intakte Darmflora wird von der Wissenschaft eng mit erholsamem Schlaf in Verbindung gebracht, wobei die Wissenschaft hier noch ziemlich am Anfang steht.

Was aber als sicher gelten kann, ist, dass bestimmte Lebensmittel uns tatsächlich schlechter ein- und durchschlafen lassen.

Blick auf die Lebensmittel

Welche Lebensmittel sind das nun? Sie ahnen es: Es sind Zucker und stark verarbeitete Kohlenhydrate wie beispielsweise Weißmehl. Diese Lebensmittel bewirken einen schnell und stark ansteigenden Insulinspiegel im Blut, der ebenso schnell wieder absackt. Diese starken Schwankungen führen zu Heißhungerattacken, die – wenn sie wiederum mit Zucker und Weißmehl besänftigt werden – den Teufelskreis weiter vorantreiben.

Komplexe Kohlenhydrate, wie sie in Vollkornprodukten enthalten sind, lassen den Insulinspiegel bei Weitem nicht so stark schwanken und sind so viel besser geeignet, um in den späten Abendstunden keinen (Heiß-)Hunger aufkommen zu lassen.

Leider ist auch der so beliebte Kaffee ein veritabler Schlafräuber. Das darin enthaltene Koffein ist ein wahrer Muntermacher. Deshalb sollten wir ab dem frühen Nachmittag besser auf Getränke, die Koffein enthalten, verzichten. Es findet sich – neben Kaffee – auch in Cola-Getränken, schwarzem oder grünem Tee und in vielen der sogenannten Energy-Drinks.

Das alte Hausmittel „warme Milch“ enthält ebenfalls Melatonin und auch dessen Vorstufe Tryptophan. So falsch kann also die Empfehlung, abends ein Glas davon zu trinken, nicht sein, oder? Auch dieser Frage widmet sich die Forschergruppe um Dr. St-Onge, denn eine wissenschaftliche Bestätigung der schlaffördernden Wirkung von warmer Milch steht noch aus.

Der richtige Zeitpunkt

Es ist aber nicht nur wichtig, was wir essen – auch der Zeitpunkt spielt eine Rolle. Die Wissenschaftlerin Dr. St-Onge rät zu einer Nahrungskarenz von zwei bis drei Stunden vor dem Schlafengehen, denn ein „voller Bauch“ studiert nur nicht gerne, er lässt uns auch nicht gut einschlafen.

Generell sollten wir ein leichtes Abendessen einem eher üppigen Mahl vorziehen. Unser Körper kann seinen vielfältigen Regenerations- und Reparaturaufgaben nicht ausreichend nachkommen, wenn er bis in die Nacht hinein mit der Verdauung beschäftigt ist.

Allerdings kann es sehr unangenehm und dadurch wachhaltend sein, wenn beim Einschlafen der Magen knurrt. Wenn es abends einmal länger geworden ist und sich der kleine Hunger (Hunger – nicht Appetit) meldet, dann können ein kleiner Naturjoghurt und ein paar Walnüsse oder auch eine kleine Banane gut helfen.

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Wie Sie gut schlafen

Kaffeestückchen oder Pommes frites halten uns eher wach, während Gemüse-suppe und Nüsse für einen guten, erholsamen Schlaf sorgen können. Beispiele für schlaffördernde Lebensmittel sind außer der bereits genannten mediterranen Ernährung auch Eier, Sauerkirschen, Lavendel-/Kamille-/Baldriantee, Kichererbsen, grünes Blattgemüse.

Es ist wichtig, den Blutzuckerspiegel (spätestens) abends stabil zu halten, um nachts nicht wegen einer „Unterzuckerung“ aufzuwachen. Das erreichen wir am besten, wenn wir ab dem Nachmittag auf süße und fetthaltige Speisen verzichten und Kohlenhydrate am besten in der komplexen, also der Vollkorn-Variante zu uns nehmen.

Das perfekte Timing trägt ebenfalls zu einem erholsamen Schlaf und damit zu Gesundheit und Wohlbefinden bei. Gönnen wir unserem Körper also rechtzeitig vor dem Schlafengehen eine Essenspause bis zum nächsten Morgen, wenn wir ausgeruht und frisch unser „Breakfast“ einnehmen – also buchstäblich unser Fasten brechen.

Ach übrigens, ein abgedunkeltes, nicht zu warmes Schlafzimmer oder ein kleiner Abendspaziergang an frischer Luft tragen ebenfalls zu einer guten Nachtruhe bei. Und nicht zu vergessen ist die Psychohygiene. Grübeln über Probleme ist kontraproduktiv – lassen wir also beim Einschlafen lieber die schönen Erlebnisse des Tages Revue passieren. In diesem Sinne: Schlafen Sie gut!

Claudia Gesang,
Kosmetikerin und Heilpraktikerin für Psychotherapie, Industriekauffrau, Schlangenbad,
www.claudia-gesang-balance.de

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