Lexikon der Botanicals

16.06.2023
Foto: Nina Buday/Shutterstock.com

Nutrazeutika für die Haut | Lebensmittel auf der Haut wirken zu lassen ist ein schöner Gedanke! Vor allem wenn es ­Zutaten aus unserem Alltag sind. Gewürze, Kräuter, Beeren und Co. von A wie Apfel bis Z wie Zwiebel stellt Ihnen Ernährungswissenschaftlerin Dr. Karin Buchart hier vor.

Nutrazeutika sind in unseren Breiten noch kaum im Gespräch. Vielleicht deshalb, weil sie nicht vorrangig in verkaufbaren Produkten auf den Markt kommen, sondern als Kompetenz, die von Fachleuten an interessierte Menschen herangetragen werden. Kosmetikerinnen spielen hierbei eine Schlüsselrolle: Sie können das Wissen und die Praxis rund um Nutrazeutika im Rahmen ihrer Anwendungen verbreiten. Das bringt einen nachhaltigen Mehrwert für die Kundinnen!

Nutrazeutika setzen auf die Kraft der Pflanzenwirkstoffe, auch Sekundäre Pflanzenstoffe oder Botanicals genannt, die Körper und Geist beeinflussen. Es braucht naturbelassene Lebensmittel, die geeignete Zubereitung und die richtige Anwendung, damit aus dem Lebensmittel ein Nutrazeutikum wird, das eine nachweisbare Wirkung zeigt.

Nutrazeutika unterscheiden sich ganz klar von anderen Produkten, die wir am Markt finden: Sie haben keine Zusätze wie Nahrungsergänzungen, sie sind nicht neuartig und angereichert wie Functional Food und sie brauchen keine Arzneimittelzulassung wie Phytopharmaka.

Doch der wichtigste Aspekt ist wohl die eigenständige, alltagstaugliche und selbstbestimmte Zubereitung, die das Gefühl der Selbstwirksamkeit erzeugt!

Apfel

Der Apfel birgt Werte in seiner Schale, die wir für unsere Haut nutzen können: viel Quercetin, ein Pflanzenwirkstoff, der vor Oxidationsreaktionen schützt, und viel Pektin, ein löslicher Ballaststoffe der den Mikroben auf der Haut und im Darm neue Energie schenkt. Masken und Auflagen mit gequollenem Pektin aus Apfelpulver stärken das Mikrobiom der Haut.

Naturbelassener, unerhitzter Apfelessig, mit fünf Teilen Wasser verdünnt, eignet sich bestens als Hautessig: Er senkt den pH-Wert der Haut leicht ab und bietet damit den erwünschten Milchsäurebakterien ein richtiges Wohlfühlklima. Statt Hautdesinfektion erfolgt eine mikrobielle Belebung der Haut!

Brennnessel

Auf den ersten Blick ist die Brennnessel unattraktiv dunkelgrün und schmerzend bei Berührung. Genauer betrachtet strotzt sie vor gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen. Brennnessel ist eine der grünsten Pflanzen, die bei uns wachsen. Ihr Chlorophyll schützt unsere Zellen und hilft sogar, Schäden an der DNA wieder zu reparieren. Hinter der grünen Farbe versteckt sich sogar noch eine Menge an orangen Carotinoiden und roten Flavonoiden. Alle diese Pflanzenfarben sind starke Antioxidantien.

In einer Tinktur können wir sowohl die fettlöslichen grünen und orangen als auch die roten Farben lösen.

Bekannt wurde die Brennnessel hauptsächlich durch ihre entwässernde Wirkung. Dazu braucht es nur einige Spitzen der grünen Pflanze und Wasser. Schon kaltes Brennnesselwasser hilft uns, überflüssiges Wasser loszuwerden. Der heiße Aufguss ebenso.

Kamille

Kamillenblüten verbinden ihre entzündungshemmende Wirkung mit einer entspannenden und beruhigenden, eine wohltuende Kombination. Bereits der Duft der Kamillenblüten, der einem kleinen Leinenbeutel entströmt, hebt die Stimmung. Die getrockneten Kamillenblüten, mit einer Mischung aus Olivenöl und Jojobaöl ausgezogen, ergeben eine Einreibung, die bei trockener und schuppiger Haut hilft. Übrigens: Europäische Kamille soll ein geringeres allergisches Potenzial haben als weit gereiste.

"Der Apfel birgt Werte in seiner Schale, die wir für unsere Haut nutzen können."

Lavendel

Lavendel hilft uns, die Gedanken fliegen zu lassen und den Tag zu beenden: Lavendel wirkt einschlaffördernd. Zudem hebt er die Stimmung, löst Ängste und Verspannungen und beruhigt ganz allgemein. Lavendel kann gut mit Hitze und Sonne umgehen, und seine ätherischen Öle lindern den Sonnenbrand.

Auch der Lavendel wirkt bereits, wenn seine getrockneten Blüten aus einem kleinen Beutel duften. Noch kräftiger ist er als Ölmazerat, wobei die Lavendelblüten zwei Wochen Pflanzenwirkstoffe in die Olivenöl-Jojobamischung abgegeben haben. Für ein Lavendelbad wird ein starker, heißer Aufguss zubereitet und dem Badewasser zugefügt.

Leinsamen

Der Leinsamen ist eine kraftvolle Arzneipflanze. Das Leinöl hat den höchsten Gehalt an Omega-3-Fettsäuren aller unserer europäischen pflanzlichen Öle. Diese alpha-Linolensäure ALA hält unsere Zellmembranen und damit auch unsere Haut von innen her elastisch. Sie wirkt stark antioxidativ und entzündungshemmend, wenn sie unsere Speisen ergänzt. Für äußerliche Anwendungen ist das Leinöl weniger geeignet, es oxidiert schnell.

Die dunkelbraunen Schalen der Leinsamen quellen in Wasser und bilden eine schleimige Masse, die Haut und Schleimhaut schützt. Diese Schleimstoffe werden im Dickdarm vom Mikrobiom verwertet und dienen dort als Präbiotikum.

Pfefferminze

Menthol aus Pfefferminze reizt unsere Thermorezeptoren und gaukelt dem Körper kühle Frische vor. Dieser Mechanismus funktioniert sowohl mit kaltem als auch mit heißem Pfefferminztee. Das durchblutet, entspannt und hemmt Entzündungen. Mit starkem Pfefferminztee, verdünnter Pfefferminztinktur oder verdünntem Pfefferminzessig können kühlende Effekte auf der Haut erzeugt werden. Der Auszug der ganzen natürlichen Pflanze wirkt breiter als isolierte ätherische Öle.

Rosmarin

Rosmarin aktiviert die Haut, weil er die Durchblutung der feinen Kapillaren erhöht. Auch innerlich wird diese Wirkung geschätzt und Rosmarin gerne zur Stabilisierung des Kreislaufs und zur Aktivierung der Verdauung eingesetzt. Rosmarin ist deshalb als Duft, Tee oder Tinktur auch gut für das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit und vor allem für die Durchblutung der Herzkranzgefäße.

Salbei

Salbei bringt Gerbstoffe, Bitterstoffe und ätherische Öle mit. Damit macht er unsere Haut robust, aktiviert den Hautstoffwechsel und hilft ihr, sich gegen Angreifer zu wehren. Eine Salbeiwaschung muss erlebt werden: Die wohltuende Wirkung der Heilpflanze in Kombination mit dem rhythmischen Abreiben der Haut ist einzigartig!

Bei ungünstigen Einflüssen auf das Haut-mikrobiom, bei Juckreiz oder übermäßigem Schwitzen ist die Salbeiwaschung mit lang gezogenem Salbeitee oder einem Salbei-Essigauszug (1:5 mit Wasser verdünnt) hilfreich.

Thymian

Thymian ist das Heilkraut der Lunge. Doch nicht nur in den Atemwegen ist er ein Experte, auf der Haut sorgt er für Ordnung. Thymol, das ätherische Öl des Thymians, wirkt stark keimhemmend. Noch in einer Verdünnung von 1:3000 ist es wirksam, wenn die Haut brennt, spannt oder juckt. Dazu wird mit 25 Gramm Thymian und drei Liter heißem Wasser ein starker Tee aufgegossen und in das Vollbad gegossen.

Wacholderbeeren

Das Wesen der Wacholderbeeren ist robust und stark. Auf diese Art und Weise gehen sie auch in unserem Körper vor. Kuren mit Wacholder sind kraftvoll und wirksam, die Verträglichkeit muss individuell beobachtet werden. Mit ihren Gerbstoffen, Bitterstoffen und ätherischen Ölen hemmen die Wacholderbeeren effizient Entzündungen, reizen das Nierengewebe und entwässern stark. Äußerlich angewendet wärmen und entspannen sie die Muskeln. Eine gute Kombination und eine Variante für einen selbsthergestellten Muskel-Balsam ist der Auszug von Wacholderbeeren und Weihrauch in Olivenöl, mit Bienenwachs verfestigt.

Bittere alkoholische Auszüge mit Wacholderbeeren, Wermut, Löwenzahnwurzel, Schafgarbe und Salbei sind aktivierende Einreibungen für die Fußsohlen. Sie machen munter und heben die Stimmung gleichermaßen.

Zwiebel

Die scharfen Lauchöle sind in der gelben Zwiebel gut verpackt gelagert. Doch wenn sie auseinandergeschnitten wird und Enzyme freigelassen werden, geht es richtig los: Die Scharfstoffe werden von ihren Bindungen getrennt. In den Augen sind sie meistens schnell spürbar. Die freigesetzten Lauchöle sind fettlöslich, deshalb können sie auch gut durch die Haut eindringen.

Zwiebelsocken sind eine der einfachsten und wirksamsten Anwendungen, wenn in Erkältungszeiten Erreger im Anflug sind. Bereits beim ersten Anzeichen empfiehlt es sich, eine Zwiebel zu halbieren und mit der Schnittfläche über die Fußsohlen zu reiben. Die Chancen stehen gut, eine Infektion doch noch abzufangen.

Dr. Karin Buchart,
Ernährungswissenschaftlerin, Buchautorin und
Lehrbeauftragte der Paris Lodron Universität Salzburg,

www.buchart.at

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