KI in der Dermatologie

09.01.2023
Foto: Rosenpark Klinik

Künstliche Intelligenz, kurz KI, etabliert sich in der Medizin zunehmend als objektive, numerische Evaluierungsmethode. Im sogenannten Digital Health Markt, der sich ­gerade rasant ­entwickelt, sind im dermatologischen Bereich vor allem Apps zur Hautkrebsfrüherkennung oder für Hautkrankheiten und ­individualisierte Kosmetik zu finden.

Das Wachstum dieses Marktes findet seine Erklärung zum einen in der allgemeinen Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO), bei der Gesundheit als ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens beschrieben wird. So wirkt sich das Aussehen des eigenen Gesichts nachweislich auf die wahrgenommene biologische Gesundheit aus. Außerdem führte die Pandemie-bedingte Umstellung auf Videokonferenzen zu einer verstärkten Selbstbeobachtung und einer daraus resultierenden steigenden Nachfrage nach sowohl chirurgischen als auch nicht-chirurgischen ästhetischen Verfahren. Während der zahlreichen Lockdowns stieg zudem die Akzeptanz für digitale Lösungen – auch in sonst eher ungewohnten Bereichen und Themengebieten.

Was ist Künstliche Intelligenz?

  • Künstliche Intelligenz ist die Entwicklung einer Technologie, die menschliche kognitive Funktionen simuliert.
  • KI-Algorithmen lernen anders als Menschen und ermöglichen uns einen anderen Blick auf die Welt.
  • Bei KI-Systemen werden menschliche Intelligenzprozesse durch Maschinen simuliert, insbesondere durch Computersysteme. Das kann zum Beispiel die Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP) sein, Spracherkennung und auch maschinelles Sehen (Machine Vision).
  • Im Allgemeinen funktionieren KI-Systeme, indem sie große Mengen an Daten aufnehmen, die Daten auf Korrelationen und Muster analysieren und diese Muster nutzen, um Vorhersagen über zukünftige Zustände zu treffen.

Ganzheitliche Evaluierung von Gesichtsmerkmalen

Viele medizinische Fachrichtungen verlassen sich auf objektive diagnostische Kriterien und eine Ergebnisbewertung auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und messbarer Behandlungserfolge. In der Ästhetischen Medizin fehlt es bisher an standardisierten, neutralen Bewertungsmaßstäben für die Beurteilung des Behandlungserfolgs. Es gibt zwar validierte Skalen, die das Erscheinungsbild bestimmter Merkmale wie Hängebäckchen, Nasolabialfalten, seitliche Augenfalten oder Augenringe bewerten, aber sie erfordern immer noch eine subjektive Zuordnung und liefern kein vollständiges Bild des alternden Gesichts.

Was bisher in der Ästhetischen Medizin noch fehlt, ist eine Künstliche Intelligenz (KI), die als objektive Messeinheit über die Hautoberfläche hinaus Gesichtsmerkmale bemisst und somit fundierte und objektive Aussagen zur Gesamtattraktivität treffen kann. Zwar gibt es diverse Apps und Desktopanwendungen, die sich mit der Hautoberfläche und deren Beschaffenheit beschäftigen und zum Kauf bestimmter Produkte animieren möchten, aber bisher hat es kein Algorithmus geschafft, Hauttextur, Hauttönung, Proportionen, Symmetrie einzelner Gesichtsmerkmale, Volumen, Lippen und Falten in unterschiedlicher Gewichtung zu messen und zu bewerten.

Chancen für Arzt und Patient

Um das Risiko von Missverständnissen im Arzt-Patient-Verhältnis zu minimieren, Voreingenommenheit zum Beispiel bei hohem Altersunterschied, verschiedenen Ethnien und Kulturen entgegenzuwirken, ist ein objektives Messinstrument bzw. ein objektiver Ratgeber für beide Seiten sehr hilfreich. Neben dem sehr wichtigen persönlichen Beratungsgespräch schaffen objektive Informationen zusätzliches Vertrauen in die Behandlung und gewählte Behandlungsmethoden. Vor, während und nach der Behandlung.

Anders als bei Apps oder Desktop-Lösungen, die versprechen, einen Arztbesuch zu ersetzen, sollte eine KI, die für den Bereich der Ästhetischen Medizin bestimmt ist, keinesfalls die Expertise des Arztes infrage stellen, sondern seine Tätigkeit als objektives, unterstützendes Tool begleiten und im besten Fall Arbeitsabläufe optimieren. Der Arzt muss dabei immer die Möglichkeit haben, nach wie vor individuell beratend auf die Wünsche des Patienten einzugehen und passende Behandlungsoptionen aus dessen Portfolio anzubieten. Die KI von einer in der Beta-Phase befindlichen App sorgt als objektives Evaluierungstool für eine Qualitätssteigerung bei den Behandlungsabläufen und der Behandlung selbst. Eine standardisierte digitale Dokumentation, die bei Ärzten im Praxisalltag meist sehr schwer umzusetzen ist, vervollständigt diese. Die Patientenaufnahme kann intern weiter delegiert werden, ohne dass die Qualität der Patientendokumentation darunter leidet. Das bringt für den Behandler eine Zeitersparnis mit sich, da der Arzt lediglich die Ergebnisse des Scans mit seinem Patienten bespricht, gegebenenfalls einen kompletten Behandlungsplan gemeinsam mit dem Patienten entwirft und im Anschluss sofort behandeln kann.

Herausforderungen

Die Schwierigkeit in der Beurteilung einer erfolgreichen ästhetischen Behandlung liegt in der subjektiven Sichtweise, sowohl auf Arzt- als auch auf Patientenseite. Daher bestimmen nicht nur Faktoren wie Erfahrung und Fertigkeit des Arztes, verwendete Materialien und der Einsatz von Medical Devices den Behandlungserfolg, sondern es ist zum größten Teil der mit dem Ergebnis zufriedene Patient. Genau hier setzt die KI an. Sie bietet beiden Seiten eine objektive Vor- und Nachbewertung der ästhetischen Behandlung. Durch eine zum Patent angemeldete Evaluierungsmethode wird neben einzelnen Merkmalen auch der Gesamteindruck des Gesichts miteinbezogen.

Standardisierte Bewertung

Der Algorithmus basiert auf der detaillierten Analyse und anschließenden Validierung von über 200 ursprünglichen und abgeleiteten Gesichtsvariablen in mehr als 15 Gesichtsregionen, um sie zu identifizieren. Anhand einer Serie von vier Fotos, die vier verschiedene Gesichtsausdrücke (frontal normal, frontal lächelnd, frontal ärgerlich, 45-Grad) darstellen, analysiert und vergleicht der Algorithmus die individuellen Gesichtsmerkmale eines Patienten. Dabei werden Hautstruktur und -ton, Proportionen, Symmetrie, Volumen, Lippengröße und -verhältnis sowie das Vorhandensein und die Schwere von Falten mit dem Durchschnitt aller Aufzeichnungen in großen Datensätzen über Geschlechts-, Alters- und Ethnizitätsgruppen abgeglichen. Geliefert wird ein Rating-Score aus sieben Punkten, der einen ganzheitlichen Eindruck der Gesamtattraktivität anhand mathematisch ausgewählter Prädiktoren widerspiegelt. Darüber hinaus wird eine validierte Messung des Gesichts in Bezug auf die scheinbare Jugendlichkeit des Patienten angezeigt.

Die Algorithmen prognostizieren, welche Gesichtsmerkmale das größte Verbesserungspotenzial aufweisen und welche Bereiche des Gesichts für einen schnellen Behandlungserfolg priorisiert werden sollten.

Die Dokumentation langfristiger Behandlungsergebnisse mit Bildern und Daten kann Patienten dazu motivieren, die ­Behandlungsempfehlungen einzuhalten und gemeinsam mit dem Arzt einen langfristigen Behandlungsplan zu erstellen.

Foto: Autorin
Dr. med. Sonja Sattler,
Gründerin und Geschäftsführung der Rosenpark
Klinik in Darmstadt, der Bellari Rosenpark in
Hamburg und Frankfurt.
www.bellari.de, www.rosenparkklinik.de
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