Das Minimal­prinzip

27.02.2023
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Geht eine gepflegte und gesunde Haut automatisch mit einer umfassenden Pflegeroutine einher, oder profitiert speziell die Problemhaut sogar von einer reduzierten Produkt- und Wirkstoffauswahl? Worauf kann bei der Behandlung von Akne, Rosacea, Neurodermitis und Co. nicht verzichtet werden? Und benötigt die Haut im Winter eine andere minimalistische Routine als in den Sommermonaten? Lesen Sie mehr über die Vorteile einer reduzierten Pflegeroutine.

Vor allem die Gesundheit der Haut steht im Fokus einer minimalistischen Pflegeroutine. Bei einer „Überpflegung“ steigt das Risiko für Barriereschäden und langfristig für die Entstehung einer perioralen Dermatitis (dazu später mehr). Werden weniger und vor allem gezielt die richtigen Präparate verwendet, sinken das Risiko für unerwünschte Wechselwirkungen zwischen Inhaltsstoffen unterschiedlicher Produkte und auch das Risiko für eine allergische Reaktion. Dies kommt vor allem sehr empfindlicher und atopischer Haut zugute, die grundsätzlich eine erhöhte Neigung zu Allergien vorweist.

Auch der Nachhaltigkeitsgedanke spielt hier eine Rolle: Weniger Produkte und Produktwechsel bedeuten automatisch weniger Verpackungsmüll, und dies wirkt sich direkt positiv auf unseren „ökologischen Fußabdruck“ aus. Auch der Zeit- und Kostenfaktor ist für einige Verbraucher sicher ein relevantes Argument.

(Un-)verzichtbar für problematische Haut?

Mit dem Blick auf eine minimalistische Pflege- und Treatment-Routine steht die Frage im Raum, auf welche Präparate und Wirkkomponenten verzichtet werden kann und welche Bestandteile für die Erhaltung der Physiologie der Haut unverzichtbar sind. Um die Haut gesund zu erhalten, ist tatsächlich nicht vieles von Relevanz. Als „Must-haves“ der Hautpflegeroutine, die unabdingbar für eine langfristig gesunde Haut sind, gelten:

  • die Reinigung (morgens und abends)
  • die Tagespflege mit UV-Schutz
  • die regenerierende Nachtpflege

Die Produktauswahl erfolgt in Abstimmung des Hauttyps und unter Beachtung vorliegender Hauterkrankungen und umfasst in der Regel drei bis vier Produkte.

Dennoch ist anzumerken: Sind die Pflege- und Behandlungsziele ambitionierter und richten sich nicht „nur“ auf die Gesunderhaltung der Haut, sondern zielen vielmehr auf die Optimierung von Hautveränderungen ab, dann gilt das Minimalprinzip meist als unzureichend. Denn es fest steht: Um gezielte Veränderungen anzutreiben, benötigt es mehr als die Basis. Dies konnte auch in Studien belegt werden.

Trotzdem können auch Problemhautbilder wie Akne, Rosacea und Neurodermitis von einer reduzierten Routine profitieren. Dies ist vor allem immer dann der Fall, wenn eine dermatologische Therapie verordnet wurde und die Pflegeroutine dann die Funktion der Therapiebegleitung einnimmt.

Die reduzierte Pflegeroutine soll in diesem Fall therapiebedingten Nebenwirkungen wie Hauttrockenheit, Irritationen oder auch Juckreiz vorbeugen oder diese behandeln. Die Produkt- und Wirkstoffauswahl richtet sich dann nach dem verordneten systemisch oder topisch anzuwendenden Arzneimittel.

Verzichtet werden kann auf alle Inhaltsstoffe, die der Haut „nicht guttun“:

  • irritierende Duftstoffe
  • Farbstoffe
  • alkalische Seifen
  • aggressive Tenside

Die Liste der verzichtbaren Bestandteile ist abhängig von möglichen Allergien und Unverträglichkeiten der jeweiligen Haut.

„Der Jahreszeitenwechsel erfordert keine vollständige Umstellung der Pflege und kann auch für Minimalisten gut gemeistert werden."

Minimalistisch durch das Jahr

Die Anpassung der Pflegeroutine an die vorliegende Jahreszeit ist immer wieder ein Thema. Schnell wird suggeriert, dass mindestens zwei komplett verschiedene Routinen (für Sommer und Winter) notwendig sind. Tatsächlich lässt sich festhalten, dass ausgehend vom Hautbedürfnis und der Physiologie der Haut, die Unterschiede der Pflegeroutinen gar nicht so groß sind.

Der Jahreszeitenwechsel erfordert keine vollständige Umstellung der Pflege und kann auch für Minimalisten gut gemeistert werden. Mit Blick auf die kalte Jahreszeit ist der Bedarf an lipidreicheren Pflegeprodukten durch eine angepasste Routine abzudecken. Dies gilt vor allem für ohnehin trockene und lipidarme Haut oder für Menschen, die privat oder beruflich viel Zeit in der Kälte verbringen und so ein Kälteschutz notwendig ist. Speziell unreine Haut benötigt nicht unbedingt eine jahreszeitliche Anpassung der Routine.

Ablauf Treatment:

Zeitlicher Umfang ca. 45 Minuten, Kosten je nach Wareneinsatz 50 bis 60 Euro.
  • Reinigung: Reinigungsmittel mit milden Syndets
  • Intensivreinigung: Enzym-Peelings oder milde Fruchtsäure-Peelings können auch bei sensitiver Haut eingesetzt werden.
  • Toner: pH-hautneutral, um den pH-Wert der Haut auszubalancieren
  • Serum (je nach Hautbedarf, jedoch nicht zwangsweise notwendig, um die Hautgesundheit aufrechtzuerhalten)
  • Gesichtscreme: Lipidgehalt je nach Hautbedarf
  • UV-Schutz, alternativ: Tagescreme mit LSF
  • Optional: Alpha-Hydroxysäuren können den Ceramidgehalt in der Haut fördern, die Barrierefunktion erhöhen und den TEWL senken und sollten in die Hautpflegeroutine integriert werden.

Wenn zu viel Hautpflege schadet

Die klinischen Ausprägungen der perioralen Dermatitis (POD) bestehen aus kleinen Entzündungen in Form von Pusteln, Papeln oder schuppigen, trockenen Flecken, die perioral (um den Mund herum) auftreten. Die Hautentzündung ist die Folge einer Intoleranz-Reaktion und Barriereschädigung der Haut, die vor allem auf den übermäßigen und ständig wechselnden Gebrauch von Feuchtigkeitscremes und die falsche Anwendung topischer Steroide zurückzuführen sind.

Kunden, die das Kosmetikinstitut mit Unreinheiten, Entzündlichkeiten oder Hauttrockenheit um den Mund herum aufsuchen, bringen diese Symptome meist nicht mit einer „Überpflegung“ der Haut in Verbindung. In einem Beratungsgespräch können Sie sie auf die periorale Dermatitis hinweisen. Weitere Schritte zur genauen Diagnostik sind allerdings notwendig. Die POD kann auch die perinasale (um die Nase) und periokulare (um die Augen) Haut betreffen.

Der Ausschlag ähnelt für das ungeschulte Auge der Akne und der Rosacea. Das typische Krankheitsbild einer POD ist der Befall der Mundregion, wobei die Lippen nicht betroffen sind. Häufig lassen sich Papeln und Pusteln auch in der Nasolabialfalte und auf den Wangen sowie auf beiden Unterlidern erkennen. In besonders schlimmen Fällen breitet sich die POD auch auf dem Kinn, an den seitlichen Unterlidern und auf der Stirn aus.

Wieder in Balance – überpflegte Haut behandeln

Der Weg in die dermatologische Praxis gilt als empfehlenswert, um Differenzialdiagnosen auszuschließen. Ist die Diagnose „POD“ gesichert, sollten alle Hautpflegeprodukte und topischen Kortikosteroide (verschlechtern den Barrierezustand) abgesetzt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von der sogenannten „Nulltherapie“.

Durch die „Entwöhnung“ der Haut kann es zu einer Erstverschlechterung kommen. Die Haut wird zu Beginn der Nulltherapie meist trockener und empfindlicher. Diese Zeit kann für die Betroffenen psychisch sehr belastend sein.

Eine „richtige“ Therapie in Form von Medikamenten ist laut der Leitlinie zur POD bislang nicht erforscht. Im Fokus der systemischen Therapie stehen weniger antiinflammatorische Komponenten, sondern eher antibakterielle Therapeutika. Auch die Wirkungen von topischen Anwendungen in Form von Antibiotika bei einer perioralen Dermatitis konnten nur in einzelnen Studien nachgewiesen werden.

Basis-Treatment für die Kabine

Auch im kosmetischen Institut sind minimalistische Behandlungsansätze gefragt und können für eine bestimmte Zielgruppe sogar sinnhaft sein. Vor allem bei Personen, die in der Vergangenheit unter einer POD gelitten haben und/oder eine verstärkte Neigung zu der entzündlichen Dermatose vorweisen, sollte die kosmetische Behandlung auf das Notwendigste reduziert sein. Auch kann so eine Behandlung als therapiebegleitendes Treatment zum Beispiel bei unreiner Haut und anderen entzündlichen Dermatosen angewendet werden, um die Barriere wieder in Balance zu bringen. Es sollten Produkte verwendet werden, die darauf zielen, den Säureschutzmantel (und somit die Hautbarriere) zu erhalten.

Quellen

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Lutter, A. (2021): Mundrose: Wenn Kosmetika die Haut reizen.

Schuster, N. (2015): Periorale Dermatitis. Überpflegte Haut. In: Pharmazeutische Zeitung, 16/2015.

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Voegeli, David. „Care or harm: exploring essential components in skin care regimens.“ British Journal of Nursing 19.13 (2010): 810-819.

Foto: Autorin

Anna Tersteeg

Die Autorin ist studierte Kosmetologin und staatlich geprüfte Kosmetikerin. Sie ist seit 2014 bei Aesthetico (Medicos Kosmetik) tätig – zunächst als Produktmanagerin. Seit 2016 leitet sie den Bereich Seminare und Schulungen der Institutsmarke.

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