Was passiert eigentlich während des Aushärtungsvorgangs?

05.12.2017
Fotos: Moustache Girl, molekuul_be/Shutterstock.com

Produktchemie bei UV-Lichthärtung

Auf den ersten Blick wirkt die Prozedur einfach: Die mit Gel beschichteten Fingernägel werden mit UV-A-Licht bestrahlt und der Kunststoff härtet aus. Doch was passiert eigentlich während des Aushärtungsvorgangs? Wie verbinden sich Monomere zu Polymeren? Welche Rolle spielt das Licht? Antworten auf diese und weitere Fragen lesen Sie hier.

Die lichthärtenden Gelsysteme, die im Nagelstudio eingesetzt werden, sind eine Weiterentwicklung von Kunststoffen, die ursprünglich für den zahnmedizinischen Bereich entwickelt wurden. Da die Dentalkunststoffe einfach zu verarbeiten waren und hohe Ansprüche an Stabilität, Ästhetik und Verträglichkeit erfüllten, setzten sie ihren Siegeszug in der Kosmetik fort und wurden für andere Einsatzbereiche optimiert.

Für die Verschönerung von Fingernägeln stehen Naildesignern heute zahlreiche Kunststoffe zur Verfügung – von Haftgelen über Aufbaugele bis hin zu Glanz- und Farbgelen oder UV-Lacken. Trotz aller Unterschiede in der individuellen Rezeptur der Produkte funktionieren lichthärtende Kunststoffe stets nach demselben Grundprinzip.

Polymerisation

Um Gele für die Nagelmodellage zu härten, ist eine externe Energiequelle notwendig, denn sie verfestigen sich erst durch Bestrahlung mit UV-A-Licht. Der Fachbegriff für die Aushärtung des Gels lautet Polymerisation.

Die im flüssigen Gel enthaltenen Monomere (kleine reaktionsfähige Moleküle mit Doppelbindungen oder funktionellen Gruppen) und Oligomere (aus wenigen, meist identischen Grundeinheiten bestehende Moleküle) verbinden sich in einer chemischen Reaktion zu einem festen Polymer (Ketten- oder verzweigtes Molekül aus sich wiederholenden Einheiten gleicher oder gleichartiger Monomere).

Nach der Kettenbildung ist die Beweglichkeit der Moleküle nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich – der Kunststoff verhärtet. Damit diese Kettenreaktion stattfindet, sind zwei Dinge erforderlich: ein Fotoinitiator und die Zufuhr von Energie in Form von Licht einer bestimmten Wellenlänge.

Fotoinitiatoren

Sie sind die „Zündfunken“, die alles in Gang setzen: die Fotoinitiatoren. Bestrahlt man sie mit UV-A-Licht, zerfallen sie und bilden Radikale, die die Polymerisation in Gang setzen. Je mehr Fotoinitiatoren im Gel enthalten sind bzw. je mehr Startradikale gebildet werden, desto schneller verläuft die Aushärtung.

Das hat aber nicht nur positive Effekte. Die Polymerisation ist eine exotherme Reaktion, sprich, es wird Wärme freigesetzt. Diese ist auf dem Nagel spürbar und kann für die Kundin unangenehm sein; schlimmstenfalls wird es richtig heiß und tut weh. Um das zu vermeiden, müssend die Hersteller auf eine ausgewogene Menge an Fotoinitiatoren im Gel achten, aber auch die Naildesigner stehen in der Pflicht. Je mehr Gel aufgetragen wird, desto mehr Moleküle reagieren gleichzeitig. Ziel sollte daher sein, das Material möglichst dünn aufzutragen, bei Bedarf in mehreren Schichten zu arbeiten und sie nacheinander zu härten.

Kettenreaktion

Das Radikal, das durch den Zerfall des Fotoinitiators entsteht, ist ein sehr reaktionsfreudiges Atom oder Molekül mit einem freien, ungepaarten Elektron. Um wieder „komplett“ zu sein, versucht es nun, ein weiteres Elektron zu finden. Nähert es sich einem Monomer, bricht es dessen C=C-Doppelbindung auf, schnappt sich ein Elektron und geht eine Bindung mit dem Molekül ein. Dieses nun etwas größere Molekül besitzt aber immer noch ein ungepaartes Elektron. Es kann sich also mit einem weiteren Molekül verbinden und bricht die Doppelbindung des nächsten Monomers auf. So entsteht eine Kettenreaktion, die sich kontinuierlich fortsetzt. Aus den einzelnen Monomeren bilden sich lange Ketten von Polymeren. Enthalten die Monomere mehrere Doppelbindungen, können sie sich auch mit den Nachbarketten verbinden und es entsteht eine komplexe Netzstruktur.

Kettenabbruch

Der Sauerstoff in der Umgebungsluft verhindert, dass sich die Moleküle in der obersten Schicht des Kunststoffs miteinander vernetzen, indem er sich an die Kettenenden anlagert. Die Kettenbildung bricht dadurch ab. Auf der Oberfläche verbleibt ein dünner, klebriger Film aus ungehärtetem Gel, der Inhibitionsschicht genannt wird. Die geläufige Bezeichnung „Schwitzschicht“ ist irreführend, denn es wird nichts „ausgeschwitzt“, sondern nicht in die Kette eingebaute Monomere bleiben zurück. Diese eignen sich als Verbindung zur nächsten Schicht Gel. Wird weiterer Kunststoff aufgetragen, kann die Verkettung der Moleküle erneut gestartet werden. Es gibt aber auch Möglichkeiten, die zu einem kontrollierten Abbruch der Kettenreaktion führen, sodass keine reaktionsfähigen Monomere übrig bleiben. Daher bilden einige Farb- oder Versiegelungsgele keine Inhibitionsschicht aus.

UV-Licht

Damit eine optimale Aushärtung der Gele erfolgt, sollten sowohl die Wellenlänge als auch die Intensität der UV-A-Strahlung möglichst genau auf die im Kunststoff enthaltenen Fotoinitiatoren abgestimmt sein. Die herkömmlichen Lichthärtungstunnel mit UV-Röhren decken breitbandig den Wellenlängenbereich von ca. 320 bis ca. 400 Nanometer ab, der dem Spektrum des UV-A-Lichts entspricht. Mit ihnen lassen sich fast alle Gele aushärten, da die meisten Fotoinitiatoren auf Strahlung in diesem Bereich reagieren. Die Aushärtung dauert im Schnitt ca. 2 Minuten, bei stark pigmentierten Gelen ggf. länger. Da die Intensität der Röhren mit der Zeit nachlässt, müssen sie regelmäßig gewechselt werden. Moderne Lichthärtungsgeräte mit LED-Technik versprechen deutlich schnellere Aushärtungszeiten, geringeren Stromverbrauch und lange Nutzungsdauer ohne lästigen Röhrenwechsel – allerdings bei höheren Anschaffungskosten. Ihre Intensität liegt in spezifischen Frequenzbereichen höher. Dadurch härten Gele, deren Fotoinitiatoren darauf abgestimmt sind, viel schneller als in herkömmlichen Geräten. Allerdings kann es zu Aushärtungsproblemen mit Gelen kommen, deren Fotoinitiatoren auf eine Wellenlänge reagieren, die nicht oder nur in geringem Maße vom jeweiligen Lichthärtungsgerät abgegeben werden. Das kann z.B. bei LED-Lichthärtungssystemen der Fall sein, die mit dem blauen Anteil des sichtbaren Lichts arbeiten und keine Strahlung im UV-A-Bereich abgeben – im Gegensatz zu ebenfalls erhältlichen UV-LED-Lampen. Es ist daher kein Marketing-Gag, dass einige Hersteller empfehlen, nicht nur die Gele, sondern auch die Lichthärtungslampe bei ihnen zu erwerben. Um die Bandbreite vorhandener Geräte abzudecken, werden in Gelen oft auch zwei unterschiedliche Fotoinitiatoren gleichzeitig verwendet.

Geschrieben von
Dirk Täuber

Quellen: alessandro International, Catherine Nail Collection und LCN/Wilde Cosmetics

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