Anti-Pollution-Kosmetik: Gesunderhaltung der Haut

13.11.2020
Foto: Broggi Production/Shutterstock.com

Anti-Pollution-Beauty entwickelt sich weltweit zu einem Megatrend, der zur Kreation neuer Wirkstoffe und Behandlungsmodalitäten führt. Anfänglich stand der Schutz vor Schadstoffen aus der Umwelt im Fokus (outdoor pollution). Es folgten Konzepte zum Schutz vor ­Innenraum-Noxen (indoor pollution) sowie Schadstoffen intrinsischen Ursprungs (internal pollution). Diese Rundum-Strategie findet jüngst ihren Ausdruck in der Kennzeichnung „360 degree-all-in-one-protection“.

Alle in dieses Segment integrierten Reinigungs- und Pflegeprodukte zielen auf die Gesunderhaltung der Haut ab, wenngleich die Abwehr- und „Anti-Pollution-Aktivitäten“ unterschiedlich sind. Neben ultravioletter Strahlung beeinträchtigen die folgenden Umweltschadstoffe maßgeblich die Physiologie und Struktur der Haut:1

  • Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs)
  • Flüchtige organische Komponenten
  • Oxide
  • Ozon
  • Zigarettenrauch
  • Feinstaub

Polyaromatische Kohlenwasserstoffe sind assoziiert mit extrinsischer Hautalterung, Hyperpigmentierung, Krebs und akneiformen Eruptionen. Flüchtige organische Verbindungen mit atopischer Dermatitis und utraviolette Strahlung ist verknüpft mit extrinsischer Hautalterung und Hautkrebs. Zigarettenrauch triggert vorzeitiges Hautaltern, trägt zu einer erhöhten Inzidenz von Psoriasis, Akne und Hautkrebs bei und ist auch an allergischen Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Ekzemen beteiligt.1

Feinstaub

Arbeits- und Umweltmediziner gehen seit über zehn Jahren der Frage nach, welche negativen Auswirkungen verschmutzte Luft, insbesondere Feinstaub, auf die Haut hat. Betrachtet man die Größenordnung der Partikel, so wird schnell deutlich, dass die feinen Partikel leicht in die Haut, aber auch in die Haare eindringen können (siehe Kasten und Grafik auf Seite 16).

2019 wurde zudem ein Zusammenhang zwischen der Konzentration von Diesel- sowie anderen Feinstaubpartikeln und dem Haarwachstum detektiert:2 Eine hohe Feinstaubkonzentration reduziert die Konzentration bestimmter Proteine wie ß-Catenin und vermindert das Wachstum der Haare. Im Umkehrschluss könnte der Schutz vor Feinstaub das Wachstum und die Struktur der Kopfhaare positiv beeinflussen.

Negative Hautveränderungen

Wird die Haut anhaltend ultravioletter Strahlung, Ozon, industriell abgesonderten Kohlenstoffpartikeln oder PAKs ausgesetzt, folgt eine Reihe unerwünschter Veränderungen:

  • Störung der Hornschichtbarriere
  • Schäden an Mitochondrien und DNA
  • Induktion reaktiver Sauerstoffradikale (ROS), die zu oxidativem Stress führen
  • Bildung proinflammatorischer Zytokine und nachfolgend Entstehung von Entzündungen
  • Störung der extrazellulären Matrix durch Anstieg von Matrixmetalloproteinasen und Abbau von Kollagen
  • Vorzeitige Hautalterung unter Ausbildung von Falten, Hautverfärbung und Bindegewebsverlust. Dabei stehen Dioxin- und erhöhte Feinstaubbelastung in direktem Zusammenhang mit Hyperpigmentation.

Indoor-Pollution

Insbesondere weil viele Menschen und KosmetikanwenderInnen davon ausgehen, sie seien von „Pollution” nicht betroffen, soll auf nachfolgende Messungen zur Luftqualität im Indoorbereich näher eingegangen werden. Die Luftqualität in Wohnräumen, am Arbeitsplatz, in Schulen und Universitäten, in Restaurants, Shops, Friseursalons, Nagelstudios und Kosmetikinstituten ist vielerorts schlechter, da höher belastet, als im Outdoorbereich.3, 6

Schönheitsinstitute machen einen erheblichen Teil des Dienstleistungssektors aus und obwohl die Mitarbeiter während des gesamten Arbeitstages einer Vielzahl von Umgebungschemikalien ausgesetzt sind, ist die Qualität der Luft in Beauty-Instituten kaum bekannt. Insbesondere Berichte über die Beziehungen zwischen Partikeln in Innenräumen und ihren Quellen im Freien oder in Innenräumen sind äußerst selten.

Eine Arbeitsgruppe aus Polen untersuchte 2018 die Luftqualität in vier Beauty-Instituten, in denen Maniküre, Pediküre und klassische Behandlungen durchgeführt werden.5 Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Umgebungskonzentration an Feinstaub und organischem Kohlenstoff im Institut höher als außerhalb ist infolge des Gebrauch kosmetischer Produkte und der beruflichen Aktivitäten.5

Eine Erhebung in 20 Schönheits­institu­ten in Teheran bestätigt, dass durch den Gebrauch kosmetischer Produkte zahlreiche toxische Luftschadstoffe mit gesundheitsbeeinträchtigender Wirkung frei­gesetzt werden6, die um ein Vielfaches höher sind als außerhalb der Institute. Darunter:

  • Benzol und Toluol – konzentrationsabhängig von der Anzahl der Haarfärbungen
  • Xylole – konzentrationsabhängig von der Anzahl an Hair Stylings
  • Formaldehyd – konzentrationsabhängig von der Anzahl an Nagel Treatments und Hair Stylings sowie Acetaldehyd und Ethylbenzol.

Unabhängig davon, ob man sich viel im Freien oder im Innenraum aufhält oder durch inneren Stress besonders belastet ist, erweist sich die Anwendung eines Anti-Pollution-Produkts zur Gesunderhaltung der Haut als zielführend.

Anti-Pollution-Beauty

Anti-Pollution-Beauty verfolgt fünf Strategien, die konzeptionell einzeln oder kombiniert umgesetzt werden.

Strategie 1: Abwehr und Schutz (Defense & Protection)
Hier kommen Wirkstoffe und Methoden zum Einsatz, die die natürliche Schutzbarriere stärken und die Widerstandskraft der Haut erhöhen, damit Schadstoffe nicht in lebende Zellschichten eindringen. Dazu zählen Filmbildner oder Barriere-Reparaturstoffe wie Pullulan, Seidenproteine, vegane Seide, hochmolekulares Hyaluron, Coating Polymere, Ceramide, Lipid-Lamellen-Technologien mit hydriertem Lecithin bis hin zu Pigmenten in Make-up- und Lichtschutzprodukten.

Strategie 2: Neutralisation von Radikalen (Radical Protection)
Radikalfänger in Form von Antioxidantien oder Metallchelatoren sollen Folgeschäden verhüten helfen und/oder mindern, wenn Schadstoffe bereits die Hautbarriere passiert haben. Diese Wirkstoffe sind sekundäre Pflanzenwirkstoffe wie oligomere Proanthocyanidine (OPC), entstammen der Gruppe pflanzlicher oder synthetischer Vitamine, biotechnologischer Enzyme oder es sind Hydroxyzimtsäuren wie Ferulasäure. Neben guter Stabilität in der kosmetischen Grundlage und ausgezeichnetem anti-oxidativem Potenzial sollen sie möglichst langanhaltend wirksam sein.

Strategie 3: „Entgiftung“ und Entfernung (Detox & Disposal)
Zum Binden von Partikeln bedient man sich Wirkstoffen mit Adsorptions- und/oder Absorptionsvermögen, darunter klassische Bindemittel wie Heilkreide oder Tonerde, einem Oliven-Dattel-Le-van-Komplex, Extrakten aus Holunderbeeren oder Moringasamen – letztgenannte inspiriert durch ein alternatives Wasseraufbereitungsverfahren. Ergänzende Möglichkeiten sind die Aktivierung der Mikrozirkulation via hyperämisierender Inhaltsstoffe wie Nikotinsäuremethylester, manuelle Lymphdrainage oder apparative Anregung der Lymphzirkulation via Ultraschallwellen.

Strategie 4: Recycling und Abbau von Zellmüll
Unter der strategischen Ausrichtung, den Abbau von „Zellmüll“ zu unterstützen, werden unterschiedliche Wirkstoffe mit Aktivität auf das Proteasom eingesetzt – darunter beispielsweise Heteropolysaccharide aus einem asiatischen Speisepilz. Proteasomen sind zelluläre Proteinkomplexe, die als multikatalytische Protease fungieren, d. h. sie spalten Proteine, indem sie die Peptidbindungen zwischen einzelnen Aminosäuren lösen. Damit sind sie für den Abbau von zum Beispiel verbrauchten oder angegriffenen Proteinen verantwortlich.

Strategie 5: Rezeptor-Blockierung zur Hemmung zellulärer Signalwege (Pollution Neutralizer, Anti-Particle Matter Effect)
Ein neuerer Ansatz ist der Einsatz von Rezeptorblockern, beispielhaft Glucomannane aus Hefe-Extrakt, Polyfructosan aus Löwenzahn oder Benzylidene Dimethoxy-dimethylindanone. Letztgenannter Wirkstoff ist ein synthetisches Molekül (2-Benzylidene-5,6-dimethoxy-3,3-dimethylindan-1-one) aus flachen Molekülen aus Benzolringen, die hauptsächlich aus Wasserstoff- und Kohlenstoffatomen bestehen (Arylkohlenwasserstoff). Der Wirkstoff bindet durch seine molekulare Architektur temporär an den sogenannten Arylhydrogen-Rezeptor (AhR) der Keratinozyten, blockiert diesen, sodass sich dort polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) nicht anlagern können. Auf diese Weise soll er die Zelle vor Schäden schützen, die zum Beispiel durch Dieselabgas-Partikeln verursacht werden, nachdem sich PAKs an die Oberfläche von Feinstäuben binden und die Haut penetrieren.

Auf zellulärer Ebene reduziert der Wirkstoff die Expression von Cyp1A1, einem Gen, das direkt verknüpft ist mit der Aktivierung des Ah-Rezeptors auf den Hautzellen. Er reduziert Kollagen-abbauende Matrixmetalloproteinase 1 (MMP-1) und verhütet die Formation von Falten und Freisetzung von Proopiomelanocortin (POMC) aus Keratinozyten – einem Trigger der Melanin-Biosynthese, wodurch dunkle Flecken aufgehellt werden sollen. Indem Entzündungsmarker wie IL-6 weniger ausgeschüttet werden, ist dies auch ein Beitrag zum Schutz vor entzündlich bedingter Hautalterung.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass multiple Behandlungsstrategien gegen Outdoor-, Indoor- und Internal Pollution verfügbar sind, mit denen sich exzellente 360°- Konzepte realisieren lassen – vorausgesetzt sie werden gut orchestriert.

Literatur:
1 Poonam Purie et al, Indian J of Dermatology, Venereology and Leprology, Review, 2017
2 Kwon HC, EADV 2019, Abstr. P1027
3 Tsaloglidou A. et al., Int J of Engineering and Applied Sciences, Vol 2 , Issue 8, Aug 2015
4 Bin Xu et al, Indoor and Built Environment, Vol 27 (4), 452–65, 2018
5 Rogula-Kopiec P. et al, Environmental Chemistry letters, 2017
6 Hadei M et al, J of Occ Medicine and toxicology, 13: 30, 2018

Dr. Sabine Gütt, Kosmetologin, Cosmetic Consultant (u. a. für die Marke Reviderm) in den Bereichen Produktentwicklung, Behandlungskonzepte und Trainingsmanagement

Mehr zu den Themen:

Das könnte Sie auch interessieren

Mehr aus der Rubrik Dermokosmetik