Überblick Thermalwasser

22.04.2021
Foto: coka/shutterstpck.com

Thermalquellen üben eine große Anziehungskraft aus. Wärme, gelöste Mineralien und Gase bestimmen die physiologischen Eigenschaften und damit die Wirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden.

Wasser ist nicht gleich Wasser, Quelle ist nicht gleich Quelle, und eine Thermalquelle ist etwas ganz Besonderes. Aber zunächst einmal zur Definition: Eine Thermalquelle fördert Wasser mit einer Temperatur von mindestens 20 Grad Celsius. Angewärmt wird das Thermalwasser tief unter der Erdoberfläche – entweder durch die in der Tiefe herrschende Erdwärme oder durch lokalen Vulkanismus. Beim Passieren verschiedener Gesteinsschichten nimmt das Wasser durch den hohen Druck bedingt Gase und aufgrund der hohen Temperatur verstärkt Mineralien auf. Zum Heilwasser wird es, wenn es mindestens ein Gramm pro Liter an Feststoffen enthält und eine Heilwirkung nachgewiesen wurde. Als zulassungspflichtiges Heilmittel gilt es gemäß Arzneimittelgesetz (AMG) allerdings erst in abgefülltem Zustand. Äußerliche Anwendungen und die Inhalation als Aerosol sind davon nicht betroffen.

Bestandteile und Gewinnung

Die häufigsten mineralischen Bestandteile sind Natrium- und Kaliumsalze (Alkalimetalle), Calcium- und Magnesiumsalze (Erdalkalimetalle) sowie in geringen Konzentrationen Aluminium-, Eisen-, Mangan-, Kupfer- und Zinksalze der Salzsäure (Chloride), Bromwasserstoffsäure (Bromide), Iodwasserstoffsäure (Iodide), Schwefelsäure (Sulfate), Flusssäure (Fluoride), Kohlensäure (Hydrogencarbonate, Carbonate) und Kieselsäure (Silikate). Eisengehalte machen sich am Austritt des Thermalwassers durch Rostbildung (braune Färbung) infolge des Kontaktes mit dem atmosphärischen Sauerstoff bemerkbar. Vulkanischer Schwefel kann sich gelb absetzen oder lange spitze Kristalle bilden. In reduzierter Form (Schwefelwasserstoff; Sulfide) verströmt er eine faulige Note und in oxidierter Form (Schwefeldioxid, Sulfite) riecht er stechend oder er bildet die bereits genannten, geruchsneutralen Sulfate.

Thermalwasser wird in unterschiedlicher Form gewonnen, entweder durch Einfassung vorhandener Quellen an der Erdoberfläche oder durch Bohrungen, zum Beispiel bei den Mittelweserheilquellen in Nienburg (Niedersachsen), wo das Wasser aus 200 Meter Tiefe gefördert wird und aus Bereichen von bis zu 3.500 Meter Tiefe stammt (siehe Grafik).

Bohrungen dieser Art sind nicht ganz ohne Risiko, wie es die zahlreichen Gebäudeschäden in Staufen (Oberrheintal, Baden-Württemberg) belegen. In diesem Fall wurde eine Anhydrid-Schicht angebohrt, deren wasserfreier Gips durch Hydratisierung eine unerwartete, großflächige Volumenvergrößerung im Untergrund erzeugte.

Thermalwasser und Haut

Die Wirkungen von Thermalwasser auf die Haut sind vielfältig, insbesondere individuell recht unterschiedlich. Die hohe Temperatur regt die Mikrozirkulation an und damit auch den Stoffwechsel. Die Effekte sind ähnlich wie in der Sauna, wobei der eigene Schweiß in der Sauna das äußere Medium darstellt und dementsprechend der auslaugende Effekt des Wassers theoretisch geringer ausfällt. Durch die Quellung der Haut wird die Hautbarriere durchlässiger sowohl für Stoffe, die aus der Haut herausgelöst werden, als auch für externe Substanzen, die sich im Thermalwasser befinden.

Nach dem Baden im Thermalwasser ist der transepidermale Wasserverlust (TEWL) noch für eine gewisse Zeit erhöht, bis sich die Hautbarriere wieder regeneriert hat. Die Regeneration lässt sich beschleunigen, indem geeignete Barriere-aktive Lotionen oder Cremes verwendet werden. Dabei sind Zusammensetzungen geeignet, die Barriere-identische oder Barriere-ähnliche Stoffe wie Phytosterine (Cholesterin-ähnlich), Ceramide, Fettsäuren – gegebenenfalls auch in gebundener Form – sowie Squalen beziehungsweise Squalan in Form einer lamellaren Struktur enthalten. Allergene Komponenten wie Konservierungsstoffe und Duftstoffe sowie Emulgatoren sind wegen der erhöhten Aufnahmefähigkeit der Haut kontraproduktiv. Auch die Hautflora, die sich ebenfalls regenerieren muss, wird dadurch in Mitleidenschaft gezogen. Ein wichtiger Punkt rund um das Baden ist die Prophylaxe von Infektionen, insbesondere von Mykosen, die bei der erhöhten Durchlässigkeit der Hautbarriere ein leichtes Spiel haben. Daher ist es wichtig, umgehend nach Verlassen des Bades auf kurzem Weg die Haut, vor allem die Zehenzwischenräume, sehr sorgfältig abzutrocknen. Die Reste eines salzhaltigen Bades müssen dabei nicht abgespült werden. Im Gegenteil, sie helfen, den hauteigenen NMF (Natural Moisturizing Factor) zu unterstützen.

Im Thermalwasser enthaltene Salze haben vielfach Einfluss auf Verhornungs- und Barrierestörungen, zum Beispiel Schuppenflechte und Neurodermitis. Lokal können reine Luft und Strahlung eine synergistische Rolle spielen. Derartige Einflüsse kennt man vom Toten Meer, obwohl es sich hierbei um kein Thermalwasser im ursprünglichen Sinne handelt.

Sehr speziell sind schwefelhaltige Thermalquellen vulkanischen Ursprungs, wie man sie zum Beispiel auf den Äolischen Inseln vorfindet und die zum Teil unterirdisch in das küstennahe Meerwasser münden. Ihnen werden verschiedene Wirkungen zugeschrieben. In diesem Zusammenhang wird häufig mit antioxidativen Effekten argumentiert.

Fakt ist, dass Sulfide und Schwefelwasserstoff vom Keratin leicht absorbiert werden und dabei zum Teil Schwefelbrücken in den Proteinen lösen, ähnlich wie man dies von Thioglykolsäure zu Beginn einer Dauerwellenprozedur kennt. Schwefelwasserstoff wird aber auch wieder abgegeben, aber erst nach einer gewissen Zeit, sodass der gewöhnungsbedürftige Geruch noch lange anhält. Andere Thermalwässer enthalten Iod, Radon (radioaktiv) oder Kohlendioxid (CO2). Sie werden eher für körperliche Indikationen genutzt und □sind für die Haut weniger relevant.

Thermalwasser-Kosmetika

Aufgrund der bekannten Effekte von Mineralien auf der Haut gibt es mittlerweile viele kosmetische Präparate, in denen die Wasserphase durch Thermalwasser ersetzt ist – sei es als Lotion, Spray oder Creme. Darunter haben sich auch Medizinprodukte etabliert, die im Unterschied zu Kosmetika auch mit Heilversprechen argumentieren können, obgleich sich die Zusammensetzungen praktisch nicht unterscheiden. Dazu ist zu erwähnen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Medizinprodukte nach wie vor weniger streng sind als für Kosmetika.

Thermalwasser in Kosmetika macht dann Sinn, wenn es Stoffe enthält, von denen bei topischer Verwendung wie oben erwähnt eine Wirkung ausgeht. Praktisch gesehen, ist die Verwendung von Thermalwasser jedoch komplizierter, da es mitunter nicht im Rohzustand verwendet werden kann. Sind zum Beispiel Eisensalze enthalten, müssen sie vor der Verarbeitung entfernt werden, da sie sich im Endprodukt gegenüber anderen Inhaltsstoffen leicht pro-oxidativ verhalten können. Weil mit der Aufbereitung des Thermalwassers auch Konzentrationsveränderungen verbunden sein können, werden nach der Eliminierung von Eisen-Ionen und Schwebstoffen (Filtrationsstufe) die Mineralstoffe alternativ in Reinform isoliert. Das erleichtert den Transport zum Kosmetikhersteller und macht Konservierungsmaßnahmen überflüssig. Die Mineralstoffe werden dann bei der Herstellung von Creme oder Lotion in den Originalkonzentrationen in entmineralisiertem Wasser gelöst.

Ein gewisser Placebo-Effekt ist bei diesen Präparaten nicht auszuschließen, zumal beim Verkauf die Historie des Thermalwassers beschrieben wird. Das Wohlbefinden wird gesteigert, die Wirkungen häufig als vitalisierend und energetisierend beschrieben – mit entsprechenden Bezeichnungen in den Produktnamen.

Die Nachstellung von Thermalwässern und ähnlichen Zusammensetzungen wie dem Wasser des Toten Meeres findet in Form von Zusätzen für Wannenbäder statt. Sie dienen ebenfalls zu rein balneologischen Zwecken oder zur Therapie.

Vielseitige Nutzung von Thermalwässern:

  • Trinkkuren, soweit den enthaltenen Mineralien eine orale Heilwirkung zukommt.
  • Physiotherapie: Bewegung im Wasser ist wegen der geringen Belastung insbesondere für Reha-Behandlungen oder chronische Beschwerden des Bewegungsapparates geeignet. Durch die Wärme werden Muskeln und Bindegewebe gelockert. Schwimmen, Wassertreten und Gymnastik – gegebenenfalls in Kombination mit Massagen – sind die üblichen Varianten, die auch im Wellness-Bereich anzutreffen sind.
  • Thermalbäder mit hohen Temperaturen können körperliche Heilungsprozesse fördern, auch wenn sie meist nicht an die zu diesem Zweck künstlich herbeigeführte Überhitzung des Körpers (Hyperthermie) heranreichen. Ganzkörper- und lokale Hyperthermien werden ähnlich dem Fieber für Heilungsprozesse, zum Beispiel bei der Tumorbehandlung, genutzt. Kurioserweise gibt es ärztlicherseits umgekehrt auch Bedenken, dass in Thermalbädern Tumore aktiviert werden können.
  • Inhalationen spielen meist nur eine Rolle, wenn zusammen mit dem Thermalwasser auch Pflanzen, zum Beispiel in Form von Tannenreisern, Pflanzenextrakte, oder ätherische Öle zum Einsatz kommen. Dann ist das Thermalwasser allerdings selbst nur ein Hilfsmittel (Träger) und hat selbst so gut wie keine Wirkung.
Foto: Autor

Dr. Hans Lautenschläger
Der promovierte Chemiker ist seit 1998 geschäftsführender Gesellschafter der Koko Kosmetikvertrieb GmbH & Co. KG und spezialisiert auf die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb physiologischer Hautpflegemittel.

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