Fußgicht - zu viele Purine

10.01.2019
Foto: Giuseppe Porzani/fotolia

Eine veraltete Bezeichnung nennt die Gicht "Zipperlein". Für die verschiedenen Verianten gibt es heute eine Vielzahl von Synonymen. Arthritis urica, Uricopathie, Podagra (Fußgicht), Omagra (Gicht im Schultergelenk), Chirargra (Gicht im Handgelenk), Gonagra (Gicht im Kniegelenk). Dieses inzwischen als Wohlstandskrankheit bezeichnete Krankheitsbild betrifft vor allem Männer im mittleren Lebensalter.

Bei einer Gicht handelt es sich um eine in Schüben verlaufende Purinstoffwechselstörung. Purine sind lebenswichtige Bestandteile der Zellkerne. Sie sind dort Träger der Erbanlagen. Purine entstehen beim Nahrungsaufbau - vor allem von Eiweiß - und werden zum großen Teil als Harnsäure etwa zu 50 Prozent über die Niere mit dem Urin und zu einem geringeren Teil mit dem Stuhl (Faeces) ausgeschieden.

Grenzen für die Harnsäure

Das Endprodukt des Purinstoffwechsels ist die Harnsäure, die bei den Betroffenen im Blut erhöht ist. Die Normalwerte der Harnsäure im Blut betrugen bei Frauen 2,5-5,7 Milligramm pro Deziliter (mg/dl). Der Grenzbereich, ab dem eine Gesundheitsgefährdung eintritt, beginnt bei 6,3 mg/dl. Bei den Männern liegt der Normalbereich zwischen 3,6 und 7 mg/dl und der Grenzbereich bei 7,8 mg/dl.

Bei länger bestehenden erhöhten Harnsäurewerten im Blut kommt es zu Einlagerungen von Harnsäurekristallen (Uratkristalle), den sogenannten Gichtknoten oder Tophi, vor allem im Gewebe mit stark verlangsamtem Stoffwechsel wie etwa im Knorpel (Ohrmuscheln, Augenlider, Naselflügel und Gelenkknorpel), in der Haut, Muskeln, Sehnen, Bändern, Schleimbeuteln, Gelenkkapseln, Subkutangewebe und Knochen. Weiterhin kommt es in einigen Fällen zu Nierensteinen und zur Niereninsuffizienz.

Gestörte Ausscheidung

Je nach Ursache lässt sich die Gicht in die primäre und die sekundäre Form einteilen. Bei der primären Gicht liegt eine Störung der Ausscheidung von Harnsäure über die Niere vor. Häufig wird dies durch eine purinreiche Kost gefördert. Seltener besteht eine vererbte vermehrte Harnsäurebildung im Sinne einer Konstitutionsanomalie. Die sekundäre Gicht ist eher selten und tritt als Folge verschiedener Grundkrankheiten auf. Dadurch kann es entweder zur vermehrten Harnsäureproduktion oder zur erworbenen Ausscheidungsstörung über die Nieren kommen - zum Beispiel bei Leukämie (Blutkrebs), hämolytischer Anämie (Blutarmut), Niedenschäden, Tumoren, schlecht eingestelltem Diabetis mellitus, Diuretika (Medikamente mit wasserausscheidender Wirkung) und Chemotherapeutika (Mittel gegen Krebs).

Die Gicht lässt sich standardmäßig in vier Stadien einteilen:

  1. Prägicht oder asymptomatisches Stadium: In diesem Stadium liegen bereits erhöhte Harnsäurewerte vor.
  2. Akuter Gichtanfall: Häufig geht dem akuten Gichtanfall eine Aura (sensible oder vegetative Wahrnehmungen) voraus. Anfallsauslösend sind eine purinreiche und fette Kost, reichlicher Alkoholgenuss (besonders Bier und Rotwein), extreme körperliche Belastungen, schwerwiegende Infekte, extremer Blutverlust, Träumen und Stress, im bevorzugten Großzehenflußgelenk, etwa bei zwei Drittel der Betroffenen, kommt es besonders nachts oder in den frühen Morgenstunden zu heftigen Schmerzen mit periartikulärer (um die Gelenkregion) Rötung, Schwellung, Überwärmung und Bewegungseinschränkung im Sinne einer Gelenkentzündung (Monarthritis).
    Es handelt sich hierbei um typische Symptome der Podagra (Fußgicht). Die klassischen Entzündungszeichen bei der Podagra können sich auf den gesamten Fuß ausbreiten. Die Haut erscheint bläulich, später hochrot, glasig und glänzend. Das Abrollen des Fußes geschieht zur Entlastung des Großzehengrundgelenkes auf dem Fußaußenrand, bei eingeschränkter Gehleistung. Die Anfallsdauer kann Stunden bis Tage anhalten. Fieber, Frösteln und Tachykardie (erhöhte Herzfrequenz) treten meistens als Begleiterscheinungen auf.
  3. Die interkritische Phase geht mit symptomlosten Intervallen zwischen Gichtanfällen bei anhaltender Harnsäureerhöhung im Blut einher. Trotz fehlender Symptomatik schreitet die Erkrankung immer weiter fort.
  4. Chronisches, tophöses Stadium. Eine nicht adäquate oder ausbleibende Therapie, mangelnde Beteiligung des Betroffenen in Bezug auf eine Umstellung der Lebensgewohnheiten (Compliance) - weitere, fettreiche Ernährung, vermehrter Alkoholkonsum, Stress oder Drogen - können zur chronischen Gicht führen. Die Harnsäure im Blut nimmt weiter zu und es bilden sich immer mehr Gichtknoten (Tophil). Bei Befall des Gelenkknorpels nd Knochens kommt es zu Gelenk- und Knochenzerstörungen mit ausgeprägten sichtbaren Deformierungen.

So viel wie möglich wissen

Grundlage für die medizinische Diagnose bildet eine präzise Familien- und Eigenanamnese, vor allem die Abklärung der Ess- und Trinkgewohnheiten. Der Nachweis einer Harnsäureerhöhung erfolgt mithilfe von Antigen-Antikörper-Reaktionen (serologisch). Sonografisch ist bereits anfangs eine asymmetrische periartikuläre Weichteilschwellung zu erkennen. Im Frühstadium liegt bei den konventionellen Röntgenaufnahmen ein unauffälliger Befund vor.

Im Gegensatz dazu werden im Spätstadium aufgrund der zahlreichen Tophi, Loch- und Stanzdefekte im Knochen Einbrüche in der gelenknahen Spongiosa, gegebenenfalls periartikuläre Verkalkungen und knöcherne Ausziehungen röntgenologisch sichtbar.

Daneben sollten entzündliche und nicht entzündliche Erkrankungen ausgeschlossen werden, die ein oder mehrere Gelenke betreffen, wie etwa rheumatische Erkrankungen oder die bakterielle Arthritis.

Bewegen und richtig essen

Im Vordergrund der konservativen Therapie steht die Senkung der Harnsäure im Blut mithilfe einer purinarmen Diät. Dabei ist besonders auf Alkohol, fette geräucherte Speisen (sowieso Fleisch als auch Fisch), Inneren, Spargel, Hülsenfrüchte, Nüsse, da diese Nahrungsmittel einen hohen Puringehalt haben, zu verzichten. Bei Adipositas gehört die begleitende Gewichtsabnahme zwingend zur Therapie.

Die Flüssigkeitszufuhr von zwei bis drei Litern am Tag, beispielsweise durch Tee, Mineralwasser, Buttermilch oder Milch mit geringem Fettgehalt, fördert die Ausscheidung der Harnsäure. Werden Medikamente verordnet, müssen diese lebenslang eingenommen werden.

Zu Beginn meistens im Großzehengrundgelenk bewirken Kryotherapie (gezielter Einsatz von Kälte), die Hochlagerung des Fußes oder die Entlastung mithilfe von Unterarmgehstützen eine Schmerzlinderung sowie den Rückgang der Entzündung. Wenn die entzündliche Reaktion abklingt, können Schmerzen durch den Einsatz der Elektrotherapie gelindert werden.

Druck lindern

Bei Druckstellen lindern auch Druckschutzartikel, beispielsweise aus Polymergel, Schmerzen. Orthopädieschuhtechnisch sind eine Sohlenversteifung, Ballenrolle und orthopädische Maßeinlagen zu empfehlen. Häusliche Fußgymnastik, Fußbäder mit durchblutungsfördernden Zusätzen (bei Diabetikern mit intakter Haut: kontrollierte Temperatur von 35 °C und drei bis maximal fünf Minuten) sowie Fußgymnastik unterstützen die Therapie.

Operative Eingriffe sind bei ausgeprägten Gelenkdeformierungen, wiederkehrenden Gelenkergüssen und Therapieresistenz erforderlich. Dabei werden zum Beispiel störende Tophi oder schmerzauslösende Knochenvorsprünge (Exostosen) entfernt. Der Therapieerfolg hängt bei der Podagra maßgeblich davon ab, wie der Patient die Therapie umsetzt. Die Veränderung und die Einhaltung von Lebensgewohnheiten betrifft dies ebenso wie die regelmäßige Einnahme erforderlicher Medikamente.

Dr. med. Renate Wolansky - Die promovierte Orthopädin, Sportmedizinerin und medizinische Fußpflegerin lehrt im Fach Podologie an mehreren Bildungseinrichtungen. Zudem ver öffentlichte die Expertin zahlreiche Bücher und schreibt für anerkannte Fachorgane.

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