Wachstumsfaktoren in der Hautpflege

31.05.2023
IlluStration: Uprate/Shutterstock.com

Wachstumsfaktoren (WF) sind wichtige morphogenetische Proteine, die das Verhalten von Zellen steuern. Sie regulieren in der Haut die Proliferation, Funktion und Differenzierung der Zellen und haben viele Anwendungen in der regenerativen Medizin und Dermokosmetik.

Das Potenzial der Wachstumsfaktoren lässt sich für Anti-Aging-, Narben- und Akne-Behandlungen nutzen. In der Vergangenheit wurde die Einarbeitung von WF in Hautpflegeformulierungen durch ihre geringe Penetrationskinetik, komplizierte Materialwechselwirkung und Proteininstabilität behindert – insbesondere in gängigen kosmetischen Emulsionen. Diese Performance-Fallstricke müssen bei der Konzeption von Kosmetikprodukten mit WF überwunden werden.

Hinweis 1!

Die Morphogenese bezeichnet die Entwicklung von Organismen, Organen und Organellen sowie anderen Strukturen und Merkmalen.

Funktion von natürlichen Wachstumsfaktoren

Epidermaler Wachstumsfaktor (EGF)
  • Beschleunigt die Erneuerung der Haut
  • Verlangsamt die physiologische, altersbedingte Abnahme der Hautdicke
  • Sorgt für sichtbar straffe und pralle Haut
  • Wirkt Faltenformation entgegen
Fibroblasten Wachstumsfaktoren (zum Beispiel FGF-1 und FGF-2)
  • Regen die Neubildung dermaler Zellen an
  • Stimulieren die Produktion von Kollagen
  • Fördern die Neosynthese von Hyaluron
Insulinähnlicher Wachstumsfaktor (IGF)
  • Unterstützt die Reparatur geschädigter Zellen
  • Wirkt UV-R Schäden entgegen
  • Begegnet Gewebeabbau und Degeneration

Arten und Wirkung von Wachstumsfaktoren

WF sind Proteine, die als Signal von einer Zelle auf eine zweite übertragen werden und damit Informationen weiterleiten (Rezeptor-Signalgebung).

Die Signalübertragung erfolgt in der Regel über eine Bindung des WF an einen spezifischen Rezeptor in der Zellmembran. Auf diese Weise regeln sie verschiedene Prozesse auch innerhalb einer Zelle. Klinische Studien erbrachten den Nachweis, dass Kollagene und andere Integrine direkt mit WF in der extrazellulären Matrix über Bindungsstellen mit geringer Affinität interagieren. Einer der ältesten bekannten Polypeptid-Wachstumsfaktoren ist der epidermale Wachstumsfaktor (EGF). Er wirkt, zusammen mit vielen anderen Wachstumsfaktoren und Zytokinen direkt auf die Biosynthese von Kollagen, Elastin und die extrazelluläre Matrix (ECM).

Mit zunehmendem Alter nehmen die Produktion und die Geschwindigkeit der WF ab, was sich an der Haut in Form von Atrophierung, Faltenformation, Feuchtigkeitsarmut und Hauterschlaffung bemerkbar macht. Auch werden WF durch die erhöhten Level an Matrixmetalloproteinasen (MMPs) und Sauerstoffradikalen (ROS) in der gealterten Dermis abgebaut.

Behandlung der Haut mit Wachstumsfaktoren

Für medizinische Anwendungen entstammen die verwendeten WF entweder dem Menschen (human growth factor) oder sie werden synthetisch hergestellt. Menschliche WF werden aus einer Vielzahl von Stammzellquellen gewonnen und über eine Zelllinie vermehrt; sie werden in eine Lösung eingebracht, die weitere Zytokine, Proteine, Vitamine und Nährstoffe enthalten. Die WF-Produkte, die man in der Wundheilung und für die Angiogenese einsetzt, sind entweder injizierbar oder topische Formate. Plättchenreiches Plasma (PRP) ist eine Art von Wachstumsfaktor-Treatment, das WF, Zytokine und andere Proteine in ihren biologisch bestimmten Verhältnissen freisetzen kann. Die PRP-Behandlungen werden in vielen Bereichen der ästhetischen und regenerativen Medizin eingesetzt.

Für die topische Anwendung in der Kosmetik nutzt man WF aus Pflanzen oder synthetische WF, die der DNA-Technik entstammen, beispielsweise einen synthetischen WF, der mit einer gentechnisch veränderten Gerstenpflanze repliziert und produziert wird (Bioeffekt).

Formulierung von Wachstumsfaktoren

Die Formulierung von WF ist eine Herausforderung. Neben den größenbedingten Hindernissen bei der Verabreichung (zum Beispiel hat Retinol ein Molekulargewicht, das etwa 22-mal kleiner als EGF ist), spielt auch die kürzere Halbwertszeit eine Rolle, da es die Stabilität in kosmetischen Produkten verringert. Peptid-Denaturierung zusammen mit komplexen elektrostatischen und hydrophoben Wechselwirkungen führt nicht selten zur Aggregation in der Formulierung.

WF besitzen eine Vielzahl funktioneller Gruppen und eine dreidimensionale Konformation, die einen Abbau über chemische und physikalische Wege wie Denaturierung des Proteins, Aggregation, Hydrolyse von Peptidbindungen oder Oxidation von Aminosäureseitenketten ermöglicht.

Hinweis 2!

Fallstricke bei der Verwendung von WF in Pflegeemulsion sind:

  • geringe Penetration
  • Wechselwirkungen mit Produktbestandteilen
  • Instabilität

WF-Generation 2.0 in der Hautpflege

Durch das ungebrochene Interesse an leistungsstarken Anti-Aging-Formulierungen mit bestmöglicher Performance, geht der Trend weg vom Gebrauch einzelner WF-Komponenten, hin zu Mehrkomponenten-WF-Systemen. Der Gebrauch mehrerer WF als Wirkstoff-Komplex hat den Vorteil, dass das Wirkspektrum des Präparates vergrößert und die biologische Wirksamkeit der topischen Formulierung optimiert werden kann, um Hautqualität, feine Linien, Falten und Prokollagen Produktion zu verbessern.

Weiterhin ist eine Verkapselung von WF zielführend und hat den Vorteil, dass die Proteine besser geschützt sind und das Risiko einer Instabilität minimiert wird. Zusätzlich lassen sich über ein Abgabesystem die dermale Deposition erhöhen und die Freisetzungsbedingungen verlängern. Liposome sind aufgrund ihrer zweischichtigen Hülle und ihres wässrigen Kerns ein besonders geeigneter Mechanismus für die transdermale Verabreichung von hydrophilen WF im Vergleich zu anderen partikulären Systemen.

Sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Bindung des Wirkstoffes an definierte Rezeptoren.

Um das Eindringen der WF in die Haut zusätzlich zu erleichtern und ihre Diffusionswahrscheinlichkeit zu erhöhen, können mechanische Verfahren wie Mikroneedling und Microdermabrasion oder chemische Methoden wie ein oberflächliches Fruchtsäure-Peeling vorangestellt werden.

Anforderungsprofil „WF-Formulierungen Generation 2.0“

  • Mehrkomponenten-WF-System: Einsatz mehrerer WF (zum Beispiel EGF, FGF, IGF) in einer kosmetischen Formulierung zwecks Ausnutzung von Synergien zur Stimulation verschiedener Zielzellen (Keratinozyten, Fibroblasten) für optimale epidermale und dermale Anti-Aging-Effekte. Ziel ist die globale Zellstimulation (Ankurbelung von Wanderung, Proliferation und Syntheseleistung).
  • Wirkstoff-Transportsystem: Verkapselung zur Sicherstellung der Tiefenpenetration und Depotbildung von WF (zum Beispiel via Liposome oder andere Carrier). Daneben kann die Emulsionsform als eigenständiges Wirkstoffabgabesystem genutzt werden.
  • Kompatible Add-on-Wirkstoffe: Zugabe weiterer ausgesuchter Komponenten in die Formulierung mit WF (zum Beispiel Antioxidantien, Hyaluron).
  • Evidenz: Vorliegen hinreichend klinischer Daten zu WF (in vitro und in vivo) mit Nachweis der Anti-Aging-Wirksamkeit.
  • Produkt-Adjustierung an unterschiedliche Hautbedürfnisse: Angebot verschiedener Grundlagentypen mit differenten Lipidstufen, damit alle Hautzustände – von trocken bis fettig – individuell mit WF behandelt werden können.
  • Geeignete Verpackungssysteme: Die Möglichkeit destruktiver Wechselwirkungen mit äußeren Einflüssen ist möglichst gering zu halten (zum Beispiel Verwendung von Airless-Spendern).

Fazit

Das derzeitige Verständnis von Techniken zur Formulierung von WF in kosmetischen Produkten ist fortgeschritten. Es ist wichtig, die Wechselbeziehung und Verträglichkeit aller Einzelkomponenten in einer kosmetischen Formulierung gleichzeitig zu berücksichtigen (Wirkstoffe, Produktformat und Vehikel), um das Potenzial von WF für die regenerative Hautpflege vollumfänglich zu nutzen und leistungsfähige Produkte anzubieten.

Foto: Autorin

Dr. Sabine Gütt

Die promovierte Kosmetologin zählt zu Deutschlands führenden und renommiertesten Expertinnen im Fachbereich Haut und Kosmetik. Sie hat ihr Wissen bereits in zahlreichen Büchern, Publikationen und Artikeln publiziert und ist seit vielen Jahren Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Reviderm AG.

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