Ruhe finden

23.05.2023
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Aufgrund der aktuellen Weltsituation oder auch wegen privater Probleme fällt es uns immer schwerer zu entspannen. Vielleicht leiden Sie unter Schlafproblemen, Reizbarkeit oder Ängsten? Bei vielen Beschwerden kann die Natur helfen – und zwar mit Kräutern und Heilpflanzen. Bei der Einnahme gilt es aber einiges zu beachten, weiß Heilpraktikerin Claudia Gesang.

Zur Zeit bin ich häufig nervös, unruhig und habe ab und zu auch Schlafstörungen. Kein Wunder bei all dem, was lokal und global seit einiger Zeit so auf uns einprasselt. Dieser seit Beginn der Pandemie und des Ukraine-Krieges anhaltende „Stress“ kann langfristig unserer Gesundheit schaden. Denn das Risiko für Bluthochdruck erhöht sich und dadurch auch die Gefahr für Herzinfarkt oder Schlaganfall. Außerdem kann auch die Seele leiden – Müdigkeit, Reizbarkeit, Ängste, Konzentrationsschwierigkeiten, Depressionen –, die Liste ist lang. Und wer nicht gleich zu starken Arzneimitteln greifen will, der wird bei Mutter Natur schnell fündig:

Baldrian

Baldrian (Valeriana officinalis) gilt seit je her als schlaffördernd, beruhigend und kann Ängste mildern. Wirksam sind dabei die Wurzeln der Baldrianpflanze. Ihr ätherisches Öl mit seinem charakteristischen Geruch setzt sich aus einer Vielzahl von Einzelkomponenten zusammen und interagiert mit speziellen Neurotransmittern und schlaffördernden Substanzen im Gehirn. Extraktionen aus Baldrian bewirken deshalb zweierlei: Zum einen erleichtern sie das Einschlafen, zum anderen verbessern sie aber auch das Durchschlafvermögen. Wenn also nur leichte Schlafstörungen bestehen, ist Baldrian nach wie vor das erste Mittel der Wahl.

Auch gegen nervöse Unruhe hilft Baldrian. Studien zufolge kann Baldrian angstlösende Wirkungen zeigen. Bei Prüfungsangst oder in Stresssituationen kann man – natürlich nach Konsultation eines Arztes – gut zu einem Baldrianpräparat greifen.

Bei der Einnahme sollten wir beachten, dass die gewünschte Wirkung meist nicht sofort eintritt. Wie fast alle Heilmittel aus der Natur kann es etwa 14 Tage dauern, bis wir einen Effekt beobachten. Dafür hat Baldrian aber den großen Vorteil, dass es am Tag meist nicht müde macht. Wenn man ein Baldrianpräparat etwa 60 Minuten vor dem Schlafengehen einnimmt, entfaltet sich (nach zwei Wochen „Einführungsphase“) seine Wirkung zur gewünschten Schlafenszeit.

Natürlich gibt es auch bei Baldrian Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen (chemischen und homöopathischen) Mitteln. Unseren Baldrianextrakt sollten wir besser nicht selbst herstellen. Die enthaltenen Valepotriate sind potenziell krebserregend, wobei sie in wässrigen Auszügen praktisch nicht mehr nachweisbar sind. Deshalb ist es am sichersten, Baldriantee oder ein Baldrianfertigprodukt aus der Apotheke zu verwenden.

Baldrian sollte möglichst nicht in Verbindung mit anderen Schlaf- oder Beruhigungsmitteln eingenommen werden (es sei denn, es ist ärztlicherseits indiziert). Besondere Vorsicht ist bei der Einnahme von Benzodiazepinen (Psychopharmaka) geboten, deren Wirkung durch Baldrian verstärkt werden kann! Auf Alkohol sollten wir während einer Einnahme ebenfalls verzichten. Kindern unter 12 Jahren, Schwangeren und Stillenden wird von der Einnahme abgeraten, da es keine belastbaren Studien zur Unbedenklichkeit gibt. Baldrian kann Übelkeit, Bauchkrämpfe und Magen-Darm-Probleme hervorrufen. Und wenn wir Baldrian als Beruhigungsmittel verwenden, sollten wir nicht direkt nach der Einnahme Auto fahren oder an Maschinen arbeiten.

Melisse

Auch die Melisse (Melissa officinalis) wird gerne als Hilfe zum Einschlafen und zur Beruhigung eingesetzt. Hier sind es die Blätter der Melissenpflanze, in denen das ätherische Öl enthalten ist, das die entspannende Wirkung hervorruft. Hauptbestandteile des Öls sind Citral und Citronellal, was auch den zitronenähnlichen Duft der Pflanze erklärt. Melisse wird häufig als Tee eingesetzt – wobei neben reinen Melissentees auch Melissenkombinationen wie Beruhigungstee, Schlaf- und Nerventee angeboten werden. Auch als Fertigarzneimittel wird Melisse eingesetzt, meist in Kombinationspräparaten mit Baldrian, Hopfen, Johanniskraut oder Passionsblume. Diese Präparate sind besonders bei nervös bedingten Einschlafproblemen und bei nervöser Unruhe indiziert.

Wir alle wissen, dass Stress und Unruhe uns gelegentlich auf den Magen schlagen können. Und hier liegt das zweite große Einsatzgebiet der Melisse: Ihre karminativen (entblähenden) und spasmolytischen (krampflösenden) Eigenschaften helfen bei Blähungen, Völlegefühl & Co. sehr gut. Und wer kennt das Phänomen des Stress-Herpes nicht? Hier liegt das dritte Einsatzgebiet der vielseitigen Melisse: Ihre antivirale Wirkung (wohl aufgrund der in den Melissenblättern enthaltenen Rosmarinsäure) wird gerne in Cremes zur Therapie von Lippenherpes genutzt.

Tees und entspannende Melissenbäder können sogar bei Kindern eingesetzt werden. Selbst während der Schwangerschafts- und Stillzeit kann Melissentee (in Maßen) getrunken werden. Bei der Melisse sind derzeit keine Nebenwirkungen und auch keine Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln bekannt. Ein Abhängigkeitspotenzial konnte bisher nicht belastbar nachgewiesen werden. Bei Verdacht auf oder bereits diagnostizierter Schilddrüsenunterfunktion sollte vor der Einnahme von Melissenpräparaten sicherheitshalber ein Arzt konsultiert werden.

Lavendel

Der intensive Duft der Lavendelblüten vertreibt nicht nur Motten aus dem Kleiderschrank, sondern versetzt auch beim Schließen der Augen in die Landschaft der Provence. Unruhe, Stress und Ängste können durch Lavendel wesentlich gemildert werden. Die intensiv blauen Blüten enthalten Gerbstoffe, Flavonoide und ein kostbares ätherisches Öl mit entspannenden und heilenden Wirkstoffen.

Das Öl wird durch Destillation gewonnen. Beachten sollten wir aber, dass nur der „echte“ Lavendel für das Heilmittel verwendet wird – der Schopflavendel dagegen ist giftig!

Bei Stress, Angst und Unruhe produziert unser Körper vermehrt das Hormon Cortisol. Wenn wir in solchen Fällen fünf Minuten Lavendelduft einatmen, sinkt die Cortisolkonzentration deutlich ab. Lavendel wird unter anderem eingesetzt bei:

  • Einschlafstörungen (Lavendelölbäder – allerdings nicht bei Krampfadern oder Fieber!)
  • Spannungskopfschmerzen (Lavendelöl auf Schläfen reiben)
  • Angststörungen (Lavendelweichkapseln)
  • Generalisierte nervöse Erschöpfung und innerer Unruhe
  • Hautunreinheiten oder Wundheilungsstörungen (als Teesud – äußerlich)

Vorsicht ist geboten, wenn wir Barbiturate (bei Epilepsien) oder Benzodiazepine (bei Angststörungen) einnehmen. Hier könnte die zusätzliche Einnahme von Lavendel deren Wirkung beeinträchtigen! Hoch dosierte Lavendeltabletten können Blähungen und Bauchschmerzen hervorrufen. Nicht abschließend geklärt sind eventuelle östrogene Effekte bei längerer Einnahme von Lavendel.

Hinweis

Wichtig ist bei all den im Artikel erwähnten Präparaten, dass wir uns gut über die richtige Einnahme und vor allem über die richtige Dosierung informieren (am besten in der Apotheke oder in der Heilpraxis). Denn auch bei Heilpflanzen gilt: Die Dosis macht das Gift! Gerne auch beim Hausarzt nachfragen!

Foto: Autorin
Claudia Gesang

Die gelernte Industriekauffrau, Kosmetikerin und Heilpraktikerin für Psychotherapie arbeitet freiberuflich als Autorin im Kosmetik- und Wellnessbereich.

www.claudia-gesang-balance.de

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