Kennen Sie Ihr Gehalt?

08.05.2023
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Das eigene Unternehmergehalt berechnen – Hand aufs Herz: Sie sind selbstständig. Wissen Sie, was Sie sich monatlich, auf den Cent genau, an Gehalt auszahlen müssten, oder ist Ihr Gehalt eher geschätzt? Warum es richtig und wichtig ist, das eigene Chefgehalt zu kennen, Rücklagen zu bilden und sich selbst zuerst zu bezahlen, erfahren Sie in diesem Beitrag von Akademiemit­inhaber Francesco Reich.

Das, was am Ende des Monats nach Abzug aller Kosten übrig bleibt – davon zahlen Sie Ihre persönlichen Fixkosten? In meinen vielen Jahren als Unternehmensberater in der Beauty-Branche habe ich die Erfahrung gemacht, dass genau das häufig der Fall ist.

Nur wenige selbstständige Kosmetikerinnen zahlen sich selbst ein Gehalt vom Geschäftskonto aus. Private und geschäftliche Ausgaben werden nicht immer haarscharf voneinander getrennt und Ersparnisse mit einer festen Sparrate werden selten monatlich zur Altersabsicherung zurückgelegt.

Auch das ist für viele Frauen in der Selbstständigkeit ein Bauchschmerzthema. Dabei ist es nicht nur wichtig, in der Selbstständigkeit seinen eigenen Marktwert zu kennen.

Es ist auch unerlässlich, sich selbst mit einem konkret berechneten „Gehalt“ auszubezahlen. Denn nur so können Sie für schwierige Phasen, das Alter oder andere Ereignisse Rücklagen bilden und Ihr Geschäft motiviert führen.

So berechnet sich Ihr Gehalt

Als Selbstständige und häufig auch als Einzelunternehmerin tätig, verdienen Sie natürlich kein Gehalt im klassischen Sinne. Vielmehr verfügen Sie über die Gewinne Ihrer selbstständigen Arbeit.

Das bedeutet: ohne Gewinn kein Gehalt, oder? Aber was passiert in den Monaten, in denen kein Gewinn erwirtschaftet wird? Dazu gleich mehr. Der Gewinn ist gleich: Umsatz minus Ausgaben. Erst, nachdem Sie alle Fixkosten abgezogen haben, bleibt der reine Gewinn übrig. Nun, folgerichtig kann und sollte Ihr Gehalt, so wie die Gehälter Ihrer Mitarbeitenden, fester Bestandteil der Betriebsausgaben sein. Denn in schlechteren Monaten, in denen kein Gewinn erwirtschaftet wird, auf ein Gehalt zu verzichten und die eigenen privaten Reserven anzapfen zu müssen, das sollte eine absolute Ausnahme sein. Doch gerade in den ersten Monaten, vermutlich gar im ersten Jahr der Selbstständigkeit, ist es eher die Regel, dass eben noch keine Gewinne erwirtschaftet werden. Umso wichtiger ist es, schon während der Startphase das ­eigene ­Gehalt als festen Bestandteil der Betriebsaus­gaben zu planen und auszuzahlen.

Aber wie berechnet sich das? Zunächst ist es notwendig, die privaten Lebenshaltungskosten auf den Cent genau zu kennen. Dafür bietet es sich an, die privaten Kontoauszüge der letzten drei Monate zur Hand zu nehmen und ganz klassisch, wie in einem Haushaltsbuch (das funktioniert inzwischen auch per App oder anderweitig digital) die Fixkosten zu addieren. Um nicht den Durchblick zu verlieren, bilden Sie Cluster, zum Beispiel „Telefonie und Internet“, „Abonnements + Verträge“, „Wohnen“, „Reisen“, „Versicherungen“, „Kleidung“, „Lebensmittel“, „Vergnügen und Hobby“ und so weiter. Sofern Sie sich die privaten Fixkosten mit einer anderen Person teilen, vergessen Sie nicht, nur anteilig zu berechnen. Erst wenn Sie diesen Job gemacht haben, haben Sie das Minimum Ihres Unternehmerlohns, nämlich Ihren Grundbedarf, schwarz auf weiß errechnet.

Orientierungshilfe

Sie können Ihr Gehalt außerdem anhand Ihrer Qualifikation und den entsprechenden Gehältern im Angestelltenverhältnis für Führungspositionen abgleichen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob Sie zu hoch oder zu niedrig ansetzen. Welche Gehälter werden für vergleichbare Positionen in der Beauty-Branche gezahlt? Welche Qualifikationen bringen Sie mit, die sich auf die Behandlungspreise und damit auf Ihren Umsatz niederschlagen können?

Auch längere Krankheitsphasen oder andere Betriebsausfälle wirken sich unmittelbar auf das Unternehmergehalt aus. Vergessen Sie diese Notfallreserve nicht, auch wenn Sie sich diese erst ansparen müssen. Diese schnelle Berechnungsmethode ist nur dafür gedacht, einen groben Anhaltspunkt zu erhalten.

Sofern Ihnen die Berechnung Ihres Gehaltes Schwierigkeiten bereitet, helfen Ihnen Steuerberater oder Existenzgründerberatungen weiter.

Mein Tipp


Sofern Sie aus einem Angestelltenverhältnis kommen und mit dem Gehalt dort weitestgehend zufrieden waren beziehungsweise es privat auskömmlich war, können Sie Ihr bisheriges Jahres-Bruttogehalt mit dem Faktor 1,5 multiplizieren, um einen Anhaltspunkt für Ihr Unternehmergehalt zu bekommen. Der erhöhte Faktor berücksichtigt, dass Sie für Ihre Sozialabgaben ab sofort allein aufkommen beziehungsweise eigene Rücklagen bilden müssen. Schlagen Sie hierauf dann noch eine Rücklage für Notfälle – das ist der schnelle Weg zur Berechnung eines möglichen Chef-Gehalts.

Rücklagen sind Fixkosten

Womit wir beim Thema „Rücklagen“ wären. Rücklagen bilden sich nicht von allein, man muss als Selbstständiger schlicht irgendwann damit anfangen.

Wichtig zu wissen: Die Rücklagen ersparen sich nicht durch das, was am Ende des Monats übrig bleibt. Wer glaubt, das was am Ende des Monats übrigbleibt, in eine solide Notfallrücklage einsparen zu können, wird vermutlich enttäuscht. Zum einen ist es ungewiss, was Monat für Monat wirklich „übrig bleibt“ und zum anderen kommen wir uns selbst, aber auch das Leben bei solchen flexiblen Sparvorhaben in die Quere. Plötzlich muss doch das Kunden-WC gestrichen werden. Die Weihnachtsfeier könnte im nächsten Jahr üppiger ausfallen oder es gibt Ausfälle im Institut, die finanziell kompensiert werden wollen.

Besser: Bilden Sie eine feste Sparrücklage, im besten Falle auf einem anderen Konto, die per Dauerauftrag gleich mit Ihrer Gehaltszahlung abgebucht wird. Rechnen Sie diese Summe in Ihre privaten Fixkosten und damit als Gehaltsbaustein mit ein. Als Faustformel gilt: Eine Rücklage sollte so hoch sein, dass Ihre privaten Kosten drei Monate lang auch ohne jegliches Einkommen gedeckt werden. Wenn Sie Ihren aktuellen Lebensstil im schlimmsten Falle auch ohne einen Job drei Monate lang fortführen könnten, dann haben Sie eine solide Notfallrücklage.

Sich selbst zuerst bezahlen

Vom Minimum leben? Das haben Sie sich anders vorgestellt? Sinn der Selbstständigkeit sollte doch schließlich sein, dass dem Gehalt nach oben keine Grenzen gesetzt werden. Und dass eben nicht Monat für Monat, wie in einem Angestelltenverhältnis, die gleichen Zahlen auf dem Konto landen. Absolut richtig. Der Grundbedarf bildet tatsächlich nur den Grundstein, damit Sie sich nicht verschulden beziehungsweise damit Sie wissen, welche Zahlen Ihr Institut bringen muss.

Sofern Sie bereits selbstständig sind, regelmäßige Gewinne erwirtschaften und Ihr Institut es hergibt, können Sie den Grundbedarf natürlich angemessen nach oben korrigieren.

Psychologischer Trick und mentale Motivation auch in schwierigen Zeiten: Bezahlen Sie sich ein paar Tage vor Ihren Angestellten aus – natürlich ohne deren Gehälter zu gefährden, versteht sich von selbst. Gemeint ist damit vielmehr, sich für die Verantwortung, die man trägt, das Chef-Sein, die Mühen und den Schweiß, die einen die Selbstständigkeit kosten, psychologisch zu belohnen. Nehmen Sie sich damit selbst fest in den Arm und sagen Sie sich bei Ihrer nächsten Gehaltszahlung: „Gut gemacht. Weiter so!“

Denn wenn es Ihnen gut geht und die Chefin motiviert ist, dann wird es auch Ihren Mitarbeitenden an nichts mangeln.

Mein Fazit

Das Thema ist insbesondere für Newcomer in der Branche und Existenzgründerinnen relevant. Kalkulieren Sie Ihr Gehalt am besten schon bei Erstellung des Business-plans ordentlich, dann treffen Sie unplanbare Ereignisse nach der Geschäftseröffnung weniger hart.

Foto: Francesco Reich
Francesco Reich

Der Autor ist Dipl.-Kfm. Kfm. Unternehmensberater und Mitinhaber der Vital Kosmetikakademie. Sein Fokus liegt auf den Bereichen Controlling, Finanzen und Marketing in der Kosmetik- und Wellnessbranche.

www.vital-kosmetikakademie.de

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