Wasser marsch

27.07.2022
Foto: Kzenon/Shutterstick.com
Mit dem Namen Sebastian Kneipp verbindet man sofort die Assoziation Wasseranwendungen. Aber sind es wirklich nur Bäder und Güsse, die das Erfolgsrezept von Kneipp ausmachen? Spa-Mangerin Angelika Baur-Schermbach verrät, was alles zur Kneipp‘schen Philosophie dazugehört.

Die Wurzeln der Hydrothera­pie (Wasserheilkunde) reichen bis in die Antike zurück, sie wurde aber im Mittelalter vergessen und erlebte dann eine Renaissance zu Lebzeiten Kneipps. Aber es waren nicht nur die Wasseranwendungen, die den Erfolg ausmachten. Die Ganzheitstherapie nach Pfarrer Sebastian Kneipp basiert auf fünf Säulen: Wasser, Bewegung, Heilpflanzen, Ernährung und Ordnung.

Wasseranwendungen

Die Kneipp-Wassertherapie ist eine unspezifische, ganzheitliche Reiztherapie. Sie lässt sich individuell dosieren: Fasten, Schwitzen, Wasser und Kräuter sollen die Reinigung des Körpers fördern.

Die starken Reize, die Wasser auf die Haut ausübt, wirken auf den ganzen Organismus, wechselnde Behandlungen trainieren den Körper und stärken ihn. Abhärtung, Entspannung und Leistungssteigerung beeinflussen den Körper günstig.

Sebastian Kneipp wendete die verschiedensten Wasserbehandlungen an. Es gibt eine Vielzahl von Wasseranwendungen, von denen ich hier nur einige aufzeigen kann, die Sie Ihren Gästen im Institut auch gut empfehlen können.

  • Waschungen: Mit einem groben, feuchten Leintuch wird mit leichtem Druck der Körper abgerieben – das eignet sich morgens, um den Kreislauf in Schwung zu bringen.
  • Güsse wie der Schenkelguss: Zur Anwendung verwendet man eine Gießkanne oder einen Schlauch mit einem Durchmesser von maximal zwei Zentimetern und kaltes Wasser. Er sollte nur in warmen Räumen, nicht mit vollem Magen und immer mit warmen Füßen durchgeführt werden. Die Wirkung ist vielseitig: Er entkrampft, lockert die Beinmuskulatur, kühlt an warmen Tagen, wirkt gegen Krampfadern, Besenreiser und geschwollene Beine. Der Kältereiz trainiert die Gefäße und stärkt das Immunsystem. Er ist besonders zu empfehlen, wenn die Gäste abnehmen oder etwas gegen ihre Cellulite machen möchten.
  • Teil- und Vollbäder: Sie sind kalt, warm mit an- oder absteigender Temperatur möglich. Ein Bad wirkt entspannend auf die Muskulatur, aber auch auf die Psyche. Vorsicht bei zu hohen Temperaturen bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen.
  • Tautreten: Die Füße müssen warm sein, bevor man mit dem Laufen beginnt. Nach dem Aufstehen für zwei bis drei Minuten über taufrisches Gras laufen. Danach mit noch feuchten Füßen sofort in die Socken und Schuhe steigen. Zügiges Gehen erwärmt die Füße schnell. Bei Nierenproblemen sollte man auf dieses Erlebnis verzichten. Tautreten hat eine Vielzahl von Wirkungen: Es stärkt das Immunsystem, hilft gegen Kopfschmerzen, kräftigt die Fußmuskulatur, hilft gegen Fußschweiß und beugt Fußpilz vor. Tautreten kann man eigentlich jedem Gast empfehlen, vor allem den Gästen, die zur Pediküre in Ihr Institut kommen.

Hydrotherapie nach Kneipp

Die Wirkung von warmem Wasser auf den Körper:

  • Weitet die Blutgefäße
  • Fördert die Durchblutung
  • Entspannt die Muskulatur
  • Regt den Stoffwechsel an
  • „Erwärmt die Seele“

Die Wirkung von kaltem Wasser auf den Körper:

  • Die Blutgefäße ziehen sich zusammen
  • Die Muskeln spannen sich kurz an, um sich dann wieder zu entspannen
  • Schmerzen verschwinden
  • Die Drüsentätigkeit wird gehemmt
  • Der Darm wird angeregt
  • Wirkt blutstillend und lässt Ödeme zurückgehen

Bewegung

Wenn eine Maschine nicht bewegt wird, rostet sie ein, wenn Wasser nicht bewegt wird, dann wird es faul. So verhält es sich auch mit dem menschlichen Körper: Er braucht Bewegung, damit sich der Geist entfalten und der Organismus seine Leistung erbringen kann. Bewegung war in der damaligen Zeit eher ungewohnt, denn man bevorzugte es, sich im Zug oder in der Kutsche fortzubewegen und möglichst wenig zu gehen. Sebastian Kneipp stellte ganz klar fest, dass die Regelmäßigkeit der Bewegung für die Gesundheit von Nutzen ist. Bewegung wirkt sich somit auf unseren Körper günstig aus, wie etwa auf das Herz-Kreislauf-System, den Stoffwechsel, die Muskulatur oder das Immunsystem. Ideal sind sanfte Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren, Schwimmen.

Heilpflanzen

Die Wirkung von Heilpflanzen ist eine der ältesten Therapieformen der Medizin, um die Gesundheit des Menschen zu erhalten oder wiederherzustellen. Kneipp studierte über Jahrzehnte die Wirkung der Pflanzen und Heilkräuter. Er verwendete die Pflanzen, Wurzeln, Blätter oder Blüten, frisch, getrocknet oder als Extrakt für seine Anwendungen.

Äußerliche Anwendung finden Kräuter vor allem in Heilbädern, zur Inhalation oder zur Zubereitung von Kompressen, Wickeln oder Waschungen. Je nach Anwendung gelangen die Wirkstoffe über die Haut oder die Atmung in das Gewebe und in die Blutbahn. Für die innere Anwendungen werden Kräuter in Form von Tees verabreicht.

Ernährung

Sebastian Kneipp war bereits vor 200 Jahren ein Verfechter von maßvoller abwechslungsreicher Mischkost. Er hatte nichts gegen Fleisch einzuwenden, aber nur ab und zu, wobei man hier auch beachten sollte, dass es zu der damaligen Zeit keine Massentierhaltung gab, was sicherlich einen großen Einfluss auf die Qualität des Fleisches hatte. Er befürwortete einen hohen Anteil an naturbelassenen, pflanzlichen Lebensmitteln sowie viel Eiweiß, hochwertige Fette, Obst und Gemüse, das er eher roh als gekocht bevorzugte.

Für Kneipp war die optimale Ernährung, mehrmals täglich kleine Portionen und nie über den Sättigungsgrad hinaus zu essen. Das für ihn beste Getränk war zweifelslos das Wasser, wobei er auch hier ab und zu einem Glas Wein, Bier oder Kräuterlikör nicht abgeneigt war.

Ordnung

Körper, Geist und Seele sollen gemäß der Kneipp‘schen Philosophie im Einklang stehen und so zu einer balancierten Lebensordnung beitragen. Geraten diese natürlichen Rhythmen aus der Balance, führt dies häufig zu Funktionsstörungen, die Körper und Geist gleichermaßen betreffen. Nervosität, Angstgefühle, Kopfschmerzen, depressive Verstimmung, Verdauungsbeschwerden oder Energielosigkeit sind mögliche Folgen einer gestörten „inneren Ordnung“.

Nicht durch eine Behandlungsform, sondern durch die individuell dosierte Zusammenstellung der verschiedenen Methoden kommt es zu der erwünschten heilenden Wirkung oder Gesunderhaltung nach Sebastian Kneipp, einem Mann, der seiner Zeit weit voraus war. Seine Philosophie war zu Beginn des 19. Jahrhunderts besonders bemerkenswert und ist heute aktueller denn je.

Angelika Baur-Schermbach
Angelika Baur-Schermbach

Die Autorin ist seit 35 Jahren Fachkosmetikerin, Spa-Managerin und Mitglied im Vorstand der HWK München und Oberbayern. Zudem ist sie Gründerin der Kosmetik- und Make-up-Schule „Face & Body Academy“ in ­München.

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