Was braucht die Haut wirklich?

26.07.2023
Foto: Lyubov Levitskaya/Shutterstock.com

Ob in der Mode oder im alltäglichen Konsum: Immer mehr Menschen machen sich Gedanken, wie sie dem Übermaß eine Absage erteilen können. Angestrebt wird eine Reduktion auf das Wesentliche. Zweifelsfrei geht der Trend in Richtung Minimalismus. Da ist auch die Kosmetikbranche nicht außen vor, also Anlass genug, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Dabei soll es nicht um zwangsläufigen Verzicht gehen. Wertfrei soll beleuchtet werden, was Minimalismus allgemein und speziell im Bereich Beauty bedeuten kann.

Es handelt sich dabei um einen Lebensstil, bei dem man zum Beispiel überflüssige Anschaffungen vermeidet und sich ggf. auch von überflüssigen Besitztümern trennt, um sich auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu konzentrieren. Analog dazu stellt dieser Lebensstil natürlich auch die Notwendigkeit bzw. oftmals Nichtnotwendigkeit unzähliger Kosmetikprodukte infrage.

Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache, dennoch lohnt es sich, darüber nachzudenken. Und keine Angst, es geht nicht primär darum, die Verwendung von guten und hochwertigen Hautpflegeprodukten oder kosmetische Behandlungen im Kosmetikinstitut infrage zu stellen. Es geht eher darum, die Menge der verwendeten Produkte zu reduzieren und dafür mehr auf hochwertige Inhaltsstoffe und eine umweltverträgliche Verpackung zu achten.

Was ist Minimalistische Kosmetik?

Bei der Beurteilung der Fragestellung „Minimalistische Kosmetik“ gibt es bei der Betrachtung dieses sicher sehr sinnvollen Trends also doch so einiges zu bedenken, zum Beispiel die Fragen, ob weniger auch wirklich mehr ist, was wichtig und was ggf. überflüssig ist.

Völlig pauschal kann die Antwort also hier nicht sein. Denn die Hautbedürfnisse sind in Abhängigkeit vom speziellen Hautsekretionstyp und natürlich auch in Abhängigkeit vom betreffenden Menschen und von seinem Lebensalter sehr unterschiedlich. Somit handelt es sich hier um eine schon fast philosophische Frage, die sich viele Menschen in Anbetracht des immer weiter ausufernden Lebensstils sozusagen als Gegenentwurf stellen.

Und gleich zu Beginn: Individuelle und effektive Hautpflege lässt sich immer auf wichtige essenzielle Bestandteile reduzieren! Wenige, dafür sehr gute und wirksame Produkte, das ist es, was viele Kunden heutzutage möchten.

Dabei gibt es zwei Aspekte: einerseits generell weniger Produkte und nachhaltige Alternativen zu verwenden und andererseits auch den Aspekt der eigenen Gesundheit. Denn die Wirkung von beispielsweise Parabenen, Aluminium und Mikroplastik ist in Bezug auf die Gesundheit nicht zu unterschätzen. Es ist also Zeit, unnötigen und ungünstigen Stoffen Ade zu sagen.

Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und auf unnütze Dinge zu verzichten, so könnte man den Begriff Minimalismus allgemein interpretieren. Wichtig dabei ist, dass dieses Bestreben nicht zwangsläufig mit Einschränkung der Lebensqualität – in unserem Fall mit unzulänglicher Hautpflege – einhergehen muss. Das kann nicht die Zielstellung sein.

Ziele minimalistischer Kosmetik

Bei allen Überlegungen ist es wichtig, sowohl die Perspektive der Kosmetikerin als auch die der Kunden zu sehen. Der Haut genau das zu geben, was sie wirklich benötigt, ohne sie zu überpflegen, darauf kommt es an. Das Hautbild „Periorale Dermatitis (POD)“ zeigt deutlich auf, was Überpflegung anrichten kann.

Insbesondere sind sogenannte „Universalprodukte“, die meist mit einer großen Anzahl von Wirkstoffen in niedriger Dosierung ausgestattet sind, ungünstig. Die Effizienz einzelner Wirkstoffe wird dadurch meist gesenkt, und das Allergierisiko könnte erhöht werden. Ziel minimalistischer Kosmetik sollte sein, so wenig Beauty-Produkte wie möglich, dafür so hochwertige Inhaltsstoffe wie möglich zu enthalten.

Umweltrelevante Überlegungen

Unabhängig von Überlegungen, die Hautpflege betreffend, ist es zudem eine Frage persönlicher Prioritäten, inwieweit auch umweltrelevante Überlegungen einbezogen werden. Ich führe diesen Aspekt am Bespiel Verpackung aus. Hier ist noch viel Luft nach oben, so manches könnte eingespart werden. Doch auch hier gilt nicht Schwarz-Weiß-Denken. Denn es ist wenig umsatzfördernd, auf schöne Verpackungen gänzlich zu verzichten, besonders wenn sich die vorhandene Klientel im Repräsentieren gefällt.

Ist das Publikum allerdings bereits auf Reduzierung fixiert, so wären das genau die richtigen Schritte. Besonders in Anbetracht der erfolgreichen Geschäftsführung und der Umsatzsicherung sollte hier genau geschaut werden, welche Klientel vorhanden ist, welche Klientel angestrebt wird bzw. – und das ist vielleicht der wichtigste Punkt – welche Klientel zur eigenen Persönlichkeit und zur Firmenphilosophie passt. Wichtig ist hier wieder die eigene Authentizität. Jede Kosmetikerin wird genau die Kunden finden und halten, die zu ihr und ihrem Geschäft passen.

Wie viel Pflege braucht die Haut?

Wie eingangs erwähnt, ist jede Haut individuell und kann mehr oder weniger Pflege benötigen. Manchmal kann sich ein Zuviel an Kosmetik sogar negativ auf das Hautbild auswirken.

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  • Gesichtsreinigung: zweifelsfrei ein besonders wichtiger Punkt in der Hautpflege. Schmutz, Talg und Make-up-Reste können Poren verstopfen und zu Hautunreinheiten führen. Aber, um die Haut nicht zu reizen, sollte man auf Waschgels und Seifen weitestgehend verzichten. Bei einer völlig normalen Haut genügt ggf. auch Waschen mit lauwarmem Wasser. Die Wassertemperatur sollte ohnehin nicht zu hoch sein. Gründliches und zügiges Waschen verhindert das Aufquellen der Hautbarriere. Fast immer ist ein mildes Reinigungsmittel auf der Basis natürlicher Öle angezeigt. Aus Umweltschutzgründen sollte auf Einweg-Reinigungspads verzichtet werden.
  • Pflege mit Creme? In diesem Zusammenhang taucht auch die Frage auf, ob die Haut unbedingt Creme benötigt. Wie immer, ist auch diese Frage nicht mit einem klaren Ja oder Nein zu beantworten. Wie eingangs beschrieben, spielen etwa Hautsekretionstyp und Alter dabei eine Rolle. Bis zu einem gewissen Alter können Menschen mit normaler und mit fettiger Haut ggf. darauf verzichten. Ausgenommen wären hier allerdings Sonnenschutzmittel. „Experten“ empfehlen eine pragmatische Vorgehensweise, indem man sich auf sein „Gefühl“ verlässt. Ich kann mich dem nur bedingt anschließen. Abhängig vom Hautsekretionstyp würde ich in jedem Fall zur Verwendung einer Pflegecreme raten und dabei besonders auf die Emulsionsform des verwendeten Produktes achten. Wenn die Haut nach der Reinigung spannt, so erübrigt sich diese Frage ohnehin, dann ist in jedem Fall eine passende Hautpflege angezeigt.
  • Kann man die Haut überpflegen? Ja, man kann. Oft durch Verwendung von zu vielen und zu verschiedenen Produkten verursacht, könnte hier das bereits erwähnte Hautbild einer perioralen Dermatitis entstehen. Betroffen ist hier in der Regel die Mundpartie mit einem leicht entzündlichen Hautausschlag.
  • Bei Allergieneigung und bei empfindlicher Haut sollte insbesondere auf sehr hochwertige Inhaltsstoffe – frei von Parfüm – geachtet werden.
  • Last but not least: Minimalismus, egal in welchen Lebensbereichen, hilft natürlich auch und insbesondere unserer Umwelt. Durch die Verwendung ausgewählter Produkte und umweltverträglicher Verpackungen entsteht weniger Müll, und auch der Wasser- und Energieverbrauch sinken.

Fazit

Ohne für eine minimalistische Hautpflege eine Lanze zu brechen, kann man sicher sagen, dass weniger eben doch oft mehr ist, wenn die Hautpflege zum Hautsekretionstyp passt. Und wenn ein Mensch herausfindet, dass seine Haut im Moment nichts braucht außer Wasser, so mag das auch in Ordnung sein. Missionieren und Polarisieren können hier nicht angebracht sein. Denn vielleicht ist ja auch manchmal eine Pflegepause genau das Richtige. Allgemeingültig ist in diesem Zusammenhang eigentlich nichts.

Weiter kann man sagen, dass Pflege und Minimalismus sich keinesfalls widersprechen müssen. Denn die tägliche Pflege ist der Moment, in dem man sich um sich selbst und nur um sich selbst kümmert.

Als Fan von Ritualen möchte ich sagen: Betrachten wir unsere tägliche Pflege zu Hause und die besondere Pflege im Kosmetikinstitut als ein durch nichts zu ersetzendes Ritual. Dabei lohnt es sich natürlich, den Umfang der eigenen Pflege zu überdenken. Mit Produkten, die genau passend für die jeweilige Problematik/Situation sind, ist Hautpflege ein wunderbares Ritual, sowohl zu Hause im eigenen Bad als auch im Kosmetikinstitut.

Schönheit ist sicher eine Frage der richtigen Pflege, aber auch und insbesondere ist Schönheit eine Frage gesunder Lebensführung und der richtigen Haltung.

Beispiele für Reduzierungsmöglichkeiten:

  • Möglichst auch auf Stoffe, die dezenten Duft verströmen, aber keinen direkten zusätzlichen Nutzen für die Haut haben, verzichten.
  • Zu häufig durchgeführte Peelings können die Inzidenz von POD erhöhen und zu Rosacea führen.
  • Regelmäßige Anwendungen von mit UV-Filtern ausgestatteten Tagescremes können die Vitamin-D-Bildung hemmen.
  • Die Versuchung bei dem Überangebot an kosmetischen Produkten ist groß. Sicher genauso groß wie der Wunsch nach einem schönen Hautbild. Was also kann helfen?
  • Produkte ohne Schadstoffe durch diverse Verunreinigungen (die oft nicht deklariert werden) verwenden. Beispiele hierfür sind Schwermetalle in Pigmenten, aromatische Kohlenwasserstoffe usw.
  • Ein Übermaß an Antioxidantien kann die Melaninbildung behindern.
  • So wenig Kosmetikprodukte wie möglich – ein hehres Ziel!
  • Kosmetika mit möglichst wenigen „Hilfsstoffen“ verwenden. Hilfsstoffe sind Emulgatoren, synthetische Antioxidantien und Konservierungsstoffe. Häufig kollidiert die Verwendung dieser Stoffe mit dem Hautpflegeziel, optimale Hautpflege ohne Irritations- und Allergierisiko zu sichern. Zudem geht es ganz „ohne“ diese Stoffe meist nicht bzw. führen derartige Rezeptoren zu höheren Produktionskosten und somit zu höheren Abgabepreisen.
  • Verzicht auf „kontraproduktive Stoffe“. Die Kontraproduktivität bezüglich der Haut ist von Hauttyp zu Hauttyp sehr unterschiedlich. Inzwischen gibt es beispielsweise Stoffe, die in der Lage sind, die Hautempfindlichkeit zu reduzieren; augenscheinlich ein Vorteil. Doch auch dieser vermeintliche Vorteil ist nicht ohne Nachteil. Denn die Reaktion der Haut auf potenziell reizende Komponenten könnte dadurch unterdrückt werden.
  • Zu hohe Lipidanteile in Pflegecremes können zu Hautunreinheiten führen. Durch Okklusiveffekte wird die hauteigene Reaktionsfähigkeit minimiert.
Foto: Waltraud Böhme
Waltraud Böhme

Die Autorin ist Mitinhaberin und Geschäftsführerin der Elite Fernakademie für Kosmetik und Wellness GmbH.

www.elite-fernakademie.de
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