Spiel mit den Geschlechtern

09.06.2020
Foto: Markus Hoppe Photography

Interview mit Veit Alex – Er ist Hair- und Make-up Artist und ein gefragtes männliches Model – für Frauenkleider! In Fachkreisen bezeichnet man ihn als androgynes Model. Was man genau darunter versteht und was ihn auszeichnet, haben wir Veit Alex gefragt.

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Veit Alex

In den letzten sechs Jahren wurde Veit Alex zu Deutschlands erfolgreichstem androgynen Model, lief unter anderem auf der Fashion Week, zierte die italienische Vogue und war Gast zahlreicher TV Formate. Seit vier Jahren arbeitet der 25-Jährige auch als Stylist für Werbe- und Fernsehproduktionen.

1. BEAUTY FORUM: Du bist ein sogenanntes androgynes Model. Was kann man sich darunter vorstellen?


Veit Alex: Unter dem Begriff androgyn versteht man alles, was zwischen den Geschlechtern von Mann und Frau liegt.
Wenn ich im Job bin, trage ich meist ein Make-up, das kann von sehr feminin bis hin zu sehr kreativen Looks gehen. Es gibt keine Grenzen, man sollte bestenfalls unsicher sein, ob man nun einen Mann oder eine Frau sieht, damit man einfach die Illusion des Menschen sieht.


2. Was fasziniert dich daran, mit Geschlechterrollen zu spielen?

Grenzenlos zu leben, ist fantastisch! Ich räume gerne mit dem Klischeedenken auf, versuche den Menschen den Horizont zu erweitern und anderen dann einen Weg zu ebnen. Sich von Mann und Frau die Privilegien zunutze zu machen, ist wirklich praktisch.

3. Siehst du eine Verbindung deiner Arbeit, mit den Geschlechterrollen zu spielen, mit jemanden, der sich im falschen Körper fühlt?
Ich denke, es gibt viele Gemeinsamkeiten mit Transgendern, was die äußerlichen Einflüsse angeht. In unserer Gesellschaft wird man noch immer beäugt, da es etwas Seltenes ist, was die Menschen interessiert. Ob man die Blicke als positiv oder negativ ansieht, hat jeder selbst in der Hand.
Als Mann passende Beauty-Produkte zu finden, ist zudem auch nicht einfach. Männerhaut ist natürlich von der Beschaffenheit anders, der Talgfluss ist stärker. Wir Männer haben mehr Kollagen und die Haut selbst ist rund 20 Pozent dicker als die der Frau.

4. Wann und warum hast du dich zum Modeln entschieden?
Ich bin 2013 von einem Designer in einem Shoppingcenter entdeckt worden.
2014 kam ich dann ins Studio und sollte für das Shooting seines Lookbooks geschminkt werden. Ich wurde mit diesem Vorhaben überrascht und durfte mich herantrauen. Als ich noch am selben Tag das erste Bild erhielt, war mir klar, dass ich daraus mehr machen könnte. So baute ich mein Portfolio und meine Kontakte zu Agenturen auf, arbeitete während des Abiturs schon auf der Fashion Week und machte mich direkt nach der Schule mutig selbstständig.
Seit 2017 arbeite ich zudem als Stylist und bin auch hinter der Kamera in Sachen Haare, Make-up und Fashion tätig.

5. Wie reagierst du auf „Hater-Kommentare“? Wie stärkst du dein Selbstbewusstsein?
In meiner Jugend habe ich eine sehr lange Mobbing-Phase durchlaufen, die mich in die Psychiatrie brachte und zum Schulwechsel zwang.
Dadurch habe ich gelernt, mit unkonstruktiver Kritik umzugehen. Ich lasse nichts an mich heran, was beleidigend gemeint ist, und trete der Person mit der Bitte entgegen, über seine Äußerung nachzudenken, da ich meinem Gegenüber nicht schaden will. Meist führt mein unerwartetes Verhalten zu einem Umdenken.
Wenn man durch sein Verhalten jedoch provokant agiert, darf man sich nicht über Gegenwind wundern.

6.Wie schätzt du die Zukunft von Unisex-Models ein? Ist die Beauty-Branche bereit?

Ich habe für viele große international bekannte Beauty-Unternehmen arbeiten dürfen, über deren Offenheit ich mich sehr freue! Natürlich hat jede Marke seine Zielgruppe, und sollte gerade diesen positiven Wandel unserer Gesellschaft beachten, der zum größten Teil „Diversity“ lebt. Auch wenn Marken zum Beispiel Transgender Models nur für ihre PR buchen und auf den Zug aufspringen, finde ich es ein tolles Statement, das zur Normalität werden sollte.

Je offener wir werden, umso mehr Menschen trauen sich auch, sie selbst zu sein.


Das Interview führte Silia Ott
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