Meditation mit den Fingern

28.02.2023
Foto: Roman Samborskyi/Shutterstock.com

Meditationen kennen wir alle: transzendentale Meditation, Yoga, Achtsamkeitsmeditation und Co. – aber haben Sie schon einmal etwas von der Fingermeditation gehört? Nicht lachen, denn die Fingermeditation kann Kosmetikerinnen helfen, ihr Arbeitswerkzeug, nämlich ihre Finger, im stressigen Arbeitsalltag zu entlasten. Kosmetikerin und Heilpraktikerin Claudia Gesang erklärt, wie es funktioniert.

Unsere Hände sind unsere Verbindung zu uns selbst. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Unsere Hände sind auch unsere Verbindung zur Außenwelt. Deshalb sollten wir ihnen Aufmerksamkeit schenken, beispielsweise, wenn wir unsere Hände auf unsere Herzregion legen. Hände arbeiten tagtäglich für uns: Sie halten, sie lassen los, sie erkunden, sie fühlen, sie schreiben, sie waschen, sie trocknen ab, sie stützen … wir sind quasi in jeder Lebenslage auf unsere Hände und damit auch auf unsere Finger angewiesen.

In der Fingermeditation gönnen wir unseren Händen und Fingern (ebenso wie unserer Seele) eine kleine Auszeit vom oft hektischen Alltagswerk. Wir nehmen sie ganz bewusst wahr und lenken unsere ungeteilte Aufmerksamkeit auf jeden einzelnen Finger. Im Grunde ist die Fingermeditation sowohl eine neurobiologische als auch eine spirituelle Angelegenheit. Sie fördert Achtsamkeit und Empathie – für uns selbst und für andere.

Je nach Ziel kann die Fingermeditation zu innerer Freiheit, zu einem sinnerfüllten Leben oder auch zu äußerer Tatkraft führen.

Ein bisschen Theorie

Viktor Frankl (Begründer der Logotherapie) wird folgender Ausspruch zugeschrieben: „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“ Damit will er sagen, dass es allein in unserer Macht (nämlich in unserer Bewertung der jeweiligen Situation) liegt, wie wir auf äußere Reize reagieren – ob nützlich oder schädlich für unseren Körper und unsere Seele.

Die Fingermeditation kann dabei eine große Hilfe sein. Denn je fokussierter unsere Aufmerksamkeit auf das Wesentliche ist, desto weniger können Herausforderungen des Lebens uns aus der inneren Balance bringen.

Welcher Bereich für welchen Finger?

  • Der kleine Finger repräsentiert unsere fünf Sinne: Was können wir gerade sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen/ertasten? Wie erleben wir unseren Kontakt zur Umgebung? Der kleine Finger symbolisiert auch unser inneres Kind, dessen Wünsche oft von unserem Verstand überlagert werden.
  • Der Ringfinger führt uns unsere Körperempfindungen vor Augen: den Herzschlag, die Bewegungen, die Atmung. Wie erleben wir unser Körperinneres? Was fühlen wir und wo spüren wir das? Der Ringfinger steht für Treue … auch für die Treue zu uns selbst.
  • Der Mittelfinger steht im Zusammenhang mit mentalen Prozessen: Welche Gedanken haben wir? Welche Gefühle beherrschen uns gerade? Welche Impulse zu Aktivitäten spüren wir? Der Mittelfinger setzt auch Grenzen und zeigt uns, wo wir über unser Limit gehen.
  • Der Zeigefinger stellt die Verbindung zur Außenwelt her: Was passiert um uns herum? Welche Menschen (Familie, Freunde …) sind uns wichtig? Was geschieht gerade in unserem Leben und was in der Welt? Der Zeigefinger weist uns die Richtung in die Zukunft.
  • Der Daumen hat eine zentrale Funktion – er richtet unsere Aufmerksamkeit auf unser Inneres: Was passiert, wenn ich mich einmal nur mit mir selbst beschäftige? Wie fühlt es sich an, mein Innerstes zu berühren? Der Daumen ermutigt uns, den Blick auf das Positive zu richten.

Die Fingermeditation besteht aus einzelnen Mudras, die jeweils ein ganz eigenes Thema haben. Der Begriff „Mudra“ kommt aus der indischen Kultur und bedeutet in Sanskrit etwa „Zeichen“ oder „Siegel“. Im indischen Alltag sind mit Mudras symbolische Gesten (der Hände, der Augen, des Atems …) gemeint, die nicht nur auf Meditationsübungen oder Yoga begrenzt sind, sondern auch im Tanz oder ganz allgemein im Alltag angewendet werden.

Ganzheitlich ­positive Effekte:

Fingermeditationen sind auch eine gute Hilfe, um

  • gelassener zu werden,
  • uns besser zu konzentrieren,
  • die Körperhaltung zu verbessern,
  • die Finger lange beweglich und geschmeidig zu halten,
  • uns selbst besser wahrzunehmen,
  • unsere Selbstfürsorge zu stärken.
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Was bewirkt die Fingermeditation?

Die unterschiedlichen Gesten der Hände bei den sogenannten Hasta-Mudras sollen Körper und Geist beeinflussen, beispielsweise den Fluss der Energie durch unseren Körper, den Atem oder die Konzentration. Die Fingerbewegungen und der zielgerichtete Druck auf bestimmte Nervenenden in den Fingern sollen die Lebensenergie (Prana) in die richtigen Hirnareale leiten, um zum Beispiel den Selbstheilungsprozess zu fördern oder Blockaden aufzulösen.Es gibt – so die gängige Meinung – etwa 108 Mudras (diese Zahl ist im Hinduismus heilig). Aber wahrscheinlich sind es eher mehr. Sie alle hier zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Deshalb hier, die, wie ich finde, wichtigsten Mudras:
  • Hakini-Mudra (tiefer Atem): Diese Mudra unterstützt wirkungsvoll in Phasen intensiven Lernens oder Arbeitens. Sie fördert die geistige Aufnahmefähigkeit. Darüber hinaus stärkt sie die mentale Kraft, die hilft, die eigenen Gedanken unter Kontrolle zu bringen, um bei plötzlichen Ereignissen nicht in Hysterie zu verfallen. Durchführung: alle Fingerspitzen aneinanderlegen (Daumen an Daumen, Zeigefinger an Zeigefinger …, tief durch die Nase aus- und einatmen, jedem Atemzug bewusst nachspüren, fühlen, wie der Atem ruhiger und das Zwerchfell entspannter wird, circa 15 Minuten halten (Hände bequem auf den Knien ablegen).
  • Shakti-Mudra (innere Ruhe): Harmonie, innere Ruhe und Ausgeglichenheit gefällig? Dann sind wir mit dieser Mudra gut bedient. Shakti (eine indische Göttin) symbolisiert Kraft und Lebensenergie, um innere Unruhe zu vertreiben und tiefe Entspannung zu bringen.Durchführung: eine Faust machen (alle Finger umschließen den Daumen), jeweils den Ring- und den kleinen Finger abspreizen und an Ring- und kleinen Finger der anderen Hand legen, Hände auf Herzhöhe halten. Tipp: Diese Mudra nicht häufiger als drei Mal pro Tag (je maximal zehn Minuten) anwenden, da sie sonst träge machen kann.
  • Kalesvara-Mudra (klarer Kopf): Ein klarer Kopf ist viel wert – deshalb hilft diese Mudra, unser Zeitempfinden vorwiegend positiv zu beeinflussen, und schafft Raum und Zeit für Ruhe.Durchführung: alle Fingerspitzen aneinanderlegen (siehe Hakini-Mudra), Zeige-, Ring- und kleinen Finger so nach innen beugen, dass sich die zweiten Fingerglieder mit wenig Druck berühren, Daumen nach unten zeigen lassen, damit eine Herzform entsteht (wie die seit einiger Zeit oft gezeigte Herzform, nur dass die Mittelfinger nach oben zeigen), Ellbogen leicht anheben und diese Mudra auf Stirnhöhe halten, ruhig durch die Nase aus- und einatmen, den (inneren) Blick auf das sogenannte, „dritte Auge“ lenken, circa 5 bis 10 Minuten halten.
  • Prana-Mudra (Ausgeglichenheit): Die Prana-Mudra schafft einen Ausgleich der beiden Gehirnhälften (Tipp: auch bei Lese- und Rechtschreibschwäche gut geeignet). Wenn wir wegen Stress und Hektik unter Kopfschmerzen leiden, kann diese Mudra gut helfen. Sie soll sogar Hungergefühle während einer Fastenperiode mindern und die Qualität des Schlafes verbessern können. Durchführung: Zeige- und Mittelfinger ausstrecken, Ring- und kleinen Finger beugen und mit Daumen vorsichtig auf deren Fingernägel drücken, circa 15 Minuten halten (bequem auf den Knien).
  • Dhyana-Mudra (tiefe Versenkung): Um wirkungsvoll zu meditieren, ist eine tiefe Versenkung in uns selbst sehr hilfreich. Diese Mudra unterstützt uns dabei, unsere innere Stille zu finden und das „Kino“ im Kopf abzuschalten. Durchführung: linke Hand in die rechte legen, die Daumenspitzen zueinanderführen, sodass sie sich sanft berühren, Hände locker auf den Knien ablegen, den (inneren) Blick auf das sogenannte „dritte Auge“ lenken und die Wahrnehmung ausschließlich auf diesen Punkt richten, Mudra circa 15 Minuten halten.

Das Zurückkommen aus den Mudras sollte langsam und im ganz eigenen Tempo erfolgen. Dehnen, Strecken und Gähnen helfen, den Geist (und den Körper) gemächlich wieder auf das Hier und Jetzt vorzubereiten. Und wie meistens, macht auch hier die Übung erst die Meisterin.

Hier zu sehen ist die Fingermeditation Dhyana-Mudra für eine tiefe Versenkung in uns selbst.
Foto: Autorin
Claudia Gesang

Die gelernte Industriekauffrau, Kosmetikerin und Heilpraktikerin für Psycho­therapie arbeitet freiberuflich als Autorin im Kosmetik- und Wellnessbereich.

www.claudia-gesang-balance.de

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