Bewegung hat generationsübergreifend eine geringe Popularität. Das hat Auswirkungen auf Körper und Gesundheit. Auch die Haut ist davon betroffen. Denn Bewegungsmangel kann zu einer verminderten Durchblutung und damit einem fahlen Teint führen. Er kann den Stresspegel erhöhen, was oft Hautprobleme mit sich bringt. Die Produktion von Kollagen wird dagegen durch fehlende körperliche Aktivität reduziert, was die Haut vorzeitig altern lässt. Wir schauen uns die Zusammenhänge hier genauer an.
Bewegungsarmut vereint mit reichhaltiger und vielfach suboptimaler Ernährung wirkt sich gleich mehrfach aus. Der Körperumfang nimmt zu, der Stoffwechsel wird träge, der Kreislauf läuft auf Sparflamme, die Bauchfalte prägt sich aus und die Hüften werden runder.
Es gibt viele Branchen, die an dieser Entwicklung gut verdienen. Dabei steht die Nahrungsmittelindustrie am Anfang der Kette, gefolgt von Medizin- und Diätprodukten zum Abnehmen, der Textilindustrie für die angepasste Kleidung, den Pharmaunternehmen mit den Präparaten zur Behandlung der kollateralen Gesundheitsschäden inklusive Depressionen und nicht zuletzt die Kosmetikindustrie mit diversen Pflege- und Anti-Aging-Produkten.
Kostenseitig gibt es gar keinen Zweifel, dass die Aufnahme von Sport- und Bewegungsaktivitäten individuell eine Menge Geld spart und überdies die langfristige Gesundheit und der Sozialstaat davon profitieren. Vermutlich wäre die Motivation wesentlich höher, wenn jeder Einzelne sein Einsparpotenzial auf einfache Weise – gegebenenfalls mit einer KI – berechnen könnte.
Körperliche Vernetzung
Die Funktion von Placebos und Nocebos bei Arzneimitteln ist ein offenes Geheimnis. Das heißt, es besteht eine Verbindung zwischen Hirn und Wirkung. Gleiches gilt für Kosmetika. Bei positiver Einstellung ist die Wirkung wesentlich höher. Auch bei der Bewegung ist das Hirn immer dabei. Beide entwickeln sich synergistisch.
Bewegung hat außerdem einen direkten Einfluss auf die Darmmo-tilität, die zusammen mit dem Darmmikrobiom und dem Ernährungs-
verhalten die Hautkondition beeinflusst.
Darüber hinaus stärken Sport und Bewegung Muskeln, Faszien und Unterhautgewebe, was zusätzlich Hautturgor und Hautelastizität verbessert. Von der erhöhten Hautelastizität profitieren nicht zuletzt auch Tränensäcke und Cellulite.
Neben diesen direkten Beziehungen zwischen Hirn, Bewegung und Haut gibt es weitere indirekte Verbindungen. Sport senkt sowohl Blutdruck als auch Cholesterinspiegel, hat demnach Einfluss auf Kreislauf, Blutgefäße, Lipidstoffwechsel und das individuelle Stressverhalten. Zusammen mit einer geringeren Depressionsanfälligkeit sorgt dies unter anderem für ein ausgeglichenes Schlafverhalten, das bekanntlich ebenfalls die Hautfunktionen beeinflusst. Medikamente können vermieden, reduziert oder abgesetzt werden, was wiederum zu einer geringeren Nebenwirkungsrate führt, die ebenfalls häufig die Haut betrifft.
Rahmenbedingungen
Kontraproduktive Wirkungen von Sport und Bewegung auf die Haut gibt es wenige. Sie resultieren nicht aus der Bewegung selbst, sondern aus den Rahmenbedingungen:
Schwimmsport etwa hat einen Einfluss auf das Hautmikrobiom, wenn er ausdauernd in gechlortem Wasser ausgeführt wird. Das gilt noch mehr für erhöhte Wassertemperaturen. Konservierungsstoffhaltige (nach KVO) Körperpräparate nach dem Schwimmen können die Situation verschärfen und auf Dauer zu Reaktionen wie zum Beispiel Rötungen und Juckreiz führen.
Bei Neigung zur Infektion mit Fußpilzen empfiehlt sich eine einmalige prophylaktische Behandlung mit Terbinafin (INN) im Abstand von ein bis zwei Wochen. Bei Empfindlichkeiten rund um das Auge und die Nase ist eine größere Schwimmbrille mit Erker von Nutzen, unter der man frei ausatmen kann.
Bei Laufsportarten ist naturgemäß an die Beanspruchung der Füße und entsprechende präventive und nachsorgende Pflegemaßnahmen zu denken. Die Hornschicht wird dicker, ebenso wie die der Hände beim Handball.
Gleiches gilt für alpines Klettern, wo sich gegebenenfalls nach ein bis zwei Wochen Teile der Hornschicht ablösen und erneuern. Klettern, auch in der Halle, ist nebenbei bemerkt eine der universellsten Sportarten, weil es im wahrsten Sinne den gesamten Körper beansprucht und durch die absolute Konzentration das Hirn von jeglichen Alltagsgedanken freimacht.
Passive Bewegung
Selbstverständlich kann man sich auch bewegen lassen, zum Beispiel mittels Massagen, Lymphdrainage, Schockwellen oder vibrierenden Platten. Selbst sportliche „Nicht“-Bewegungen wie ein ausdauernder Stand auf einem Bein während des Zähneputzens oder die alternative „Standwaage“ stärken Muskulatur, Gewebe und aktivieren die grauen Zellen.
Die unbewusste Hirnarbeit bei Sport und Bewegung ist ein wesentlicher Faktor des präventiven ganzheitlichen Anti-Aging. Eine unterstützende Maßnahme besteht darin, der mit den Jahren sich einschleichenden Verlangsamung beim Gehen und Treppensteigen entgegenzuwirken, auch wenn sich die meisten „Zeitgenossen“ gewohnheitsmäßig anders verhalten. Selbst bloße Berührungen führen zu Reaktionen von Muskeln, Gewebe, Epidermis und der Sinne, denken wir etwa an Brustwarzen und Geschlechtsorgane – und nicht zu vergessen die Gedanken, die unsere Haut zum Frösteln (Gänsehaut) bringen können.
Bewegung hat einen direkten Einfluss auf die Darmmotilität, die mit dem Darmmikrobiom und Ernährungsverhalten die Haut beeinflusst.
Effektiver Minisport
In der Tat muss man nicht immer nur an die großen Bewegungen denken, auch im Kleinen können sehr effektive Resultate erreicht werden. Dazu einige Beispiele:
- Das trockene und müde Auge ist durch das ununterbrochene, angespannte Schauen auf den Bildschirm zu einem weitverbreiteten Problem geworden. Es gibt mittlerweile gut wirkende Lidlotionen, die den natürlichen Schmierfilm des Augapfels unterstützen. Bewegungstechnisch kann man zusätzlich während des langen Arbeitstags Augengymnastik betreiben, indem man von Zeit zu Zeit die das Auge umgebenden Muskeln an- und entspannt. Zahlreiche Anleitungen dazu befinden sich im Internet. Die Hautelastizität rund um das Auge wird dadurch mittrainiert.
- Eine ähnlich interessante Beobachtung kann man bei Verstopfungen und Austrocknen der Nase machen – ein Problem, dass insbesondere in der Nacht unangenehm werden und den Schlaf empfindlich stören kann. In der Regel greift man zu Nasentropfen. Es geht aber auch anders. Mit etwas Übung spannt man die Nasenflügel nach innen an, entspannt wieder und macht diese Übung etwa eine Minute hintereinander. Innerhalb von etwa fünf Minuten bewirkt die erhöhte Durchblutung eine Wieder-Befeuchtung und meist auch die Linderung der Verstopfung.
- Apropos Schlafen und Einschlafen: Die progressive Muskelentspannung (Anspannung, Entspannung im Wechsel) kann dabei helfen, zur Ruhe zu kommen. Ein Bereich, der dabei unmerklich bis zum Ende nicht entspannt und am Schlaf hindert, ist die Kiefermuskulatur. Es lohnt also, sich mal auf sie zu konzentrieren und ihre Entspannung zu trainieren.
- Bei Operationen, mit oder ohne Hautbeteiligung, empfiehlt man im Gegenteil zu früher, möglichst wenig zu liegen und früh mit Bewegung zu beginnen. Es hat sich he-rausgestellt, dass sich dadurch die Rekonvaleszenz entscheidend verkürzen lässt. Das gilt auch für Operationen und Situationen, die mit einer möglichen Inkontinenz verbunden sind. Ein frühes Trainieren der Blase auf einen hohen „Füllstand“ stärkt die Muskulatur von Anfang an besser als die vorzeitige, übervorsichtige Entleerung. In diesem Zusammenhang sind auch frühzeitige Beckenboden-Übungen sinnvoll – mal abgesehen davon, dass diese auch der Figur zugutekommen.
- Ein positiver Kollateraleffekt ist die Dusche nach dem Sport, wenn sie am Schluss auf kalt gestellt wird. Haut und Bindegewebe werden gestrafft und Nebennierenhormone, die sich ebenfalls auf die Haut auswirken, werden freigesetzt. Mit Wechselduschen erreicht man ein Optimum. Diese Abhärtung führt außerdem zu einer verbesserten Konditionierung gegen Infektionen, sowohl der Haut als auch des ganzen Körpers.
- Wenn es die Alternative zwischen Medikamenten und Physiotherapie gibt, bei Schmerzen in den Gelenken und den unbeweglichen Faszien etwa, ist die Bewegungstherapie durchweg die langfristig bessere Option. Man vermeidet Neben- und Langzeitwirkungen, zum Beispiel durch verordnete Corticoide, auf Organismus und die Haut.
Die Grafik zeigt die Bedeutung einzelner Faktoren beim Anti-Aging.
Sport in Gesellschaft
Für den Einzelnen ist es mitunter schwierig, allein eine Entscheidung zu treffen und sich zu Sport und Bewegung aufzuraffen. Tanzen zum Beispiel verbindet intensive Bewegung des ganzen Körpers mit anregender Unterhaltung.
Bergwandern, Kanufahren und gemeinsames Radeln sind weitere Aktivitäten, die man selbst im fortgeschrittenen Alter noch ausführen kann. Sie tragen zu guter Sauerstoffversorgung, Kräftigung der Muskulatur und letztendlich der Straffung und Glättung der Haut bei. Die Durchblutung der peripheren Körperteile und der Haut macht sich oberflächlich durch die erhöhte Temperatur bemerkbar.
Darüber hinaus trägt der erhöhte Muskeltonus während des ganzen Tages dazu bei, zusätzlich Kalorien zu vernichten. Das Wohlbefinden hinsichtlich des eigenen Körpers nimmt zu und Komplimente aus dem Umfeld werden nicht ausbleiben.
Eine Dusche nach dem Sport, wenn sie am Schluss auf kalt gestellt wird, kann Haut und Bindegewebe straffen und Nebennierenhormone freisetzen.
3 Ernährungsmythen
Die Werbung suggeriert, dass sportliche Betätigungen Umstellungen und zusätzliche Maßnahmen in der Ernährung erfordern. Eine ausgeglichene Ernährung ist vollkommen ausreichend, wenn es nicht gerade um Leistungssport geht. Hier muss man sich wenig Gedanken machen.1 Dennoch ist Folgendes wissenswert:
1. Mythos Trinken: In unserer Kultur ist es zum Allgemeingut geworden, dass man zwei Liter Wasser mindestens am Tage trinkt und bei Sport und Bewegung isotonische Getränke zu sich nehmen muss. Wissenschaftlich entbehren diese Vorgaben jeglicher Basis. Fakt ist, dass man als Marathonläufer mit diesen Regeln zu Tode kommen kann.2 Wie wechselnde Belastungen die Muskeln trainieren, so werden die Blutgefäße durch unterschiedliche Trinkmengen trainiert. Wichtig: Das Verhältnis zwischen Wasseraufnahme und regelmäßiger Urin-Abgabe muss stimmen.
2. Mythos Mineralien: Es ist nicht notwendig, bei jeder sportlichen Betätigung zusätzliche Mineralien zu konsumieren. Natürliches Mineralwasser reicht völlig aus, alles andere wird mit der Nahrung zugeführt. Eine Ausnahme gilt bei Neigung zu Wadenkrämpfen. Hier hilft magnesiumreiches Mineralwasser oder auch ein Magnesiumcitrat-Dragee.
3. Mythos Antioxidantien: Bei Sport und Bewegung werden vermehrt Radikale erzeugt und der Vitamin-C-Spiegel nimmt deutlich ab. Das ist völlig normal und wird durch Aktivierung anderer reduzierender (antioxidativer) Mechanismen voll ausgeglichen.3
Literatur:
1 . D. Hahne, Dtsch Arztebl 2015; 112 (31–32); www.aerzteblatt.de/archiv/171478/Ernaehrung-fuer-Sportler-Fit-auch-ohne-Pillen-und-Pulver
2 . K. Roth, Chemie in unserer Zeit 48, 332–340 (2014)
3 . Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.; www.dge.de/gesunde-ernaehrung/gezielte-ernaehrung/ernaehrung-und-sport/
Dr. Hans Lautenschläger
Der promovierte Chemiker ist seit 1998 geschäftsführender Gesellschafter der Koko Kosmetikvertrieb GmbH & Co. KG in Leichlingen und spezialisiert auf die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb physiologischer Hautpflegemittel. www.dermaviduals.de