Warum Wissen über die Gesichtsanatomie wichtig für die Fillerbehandlung ist

26.05.2021
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Äußerliche Symptome behandeln oder Ursachen beseitigen? Das neue Verständnis des alternden Gesichts und die wichtige Rolle, die jedes Gewebe spielt, insbesondere die des Fettgewebes und der Haltebänder, hat die Art und Weise, wie minimalinvasive ästhetische Eingriffe durchgeführt werden, grundlegend verändert.

Die Ausrichtung auf die Ätiologie und nicht auf die Symptome des Alterungsprozesses hat dazu beigetragen, das Gesicht auf natürlichere Weise wiederherzustellen und seine ursprünglichen Merkmale zu erhalten, anstatt lediglich die Ergebnisse des Alterungsprozesses zu behandeln und damit ein unnatürliches Ergebnis zu riskieren. Das ist der Grund, warum ein gutes Verständnis der Anatomie und der anatomischen Veränderungen, die mit dem Alterungsprozess einhergehen, für eine erfolgreiche Fillerbehandlung von größter Bedeutung ist. Die morphologischen Veränderungen, die unsere Gesichter mit dem Alter erfahren, sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels zwischen dem zugrunde liegenden kraniofazialen Skelett, unserer mimischen Muskulatur, dem kompartimentierten Gesichtsfett, den Haltebändern und unserem Hautmantel. Veränderungen in jeder dieser Komponenten tragen, zumindest teilweise, zu den charakteristischen Merkmalen des alternden beziehungsweise gealterten Gesichts bei.

Die Haut

Mit zunehmendem Alter nehmen sowohl die strukturelle Organisation als auch die Dicke der Haut ab. Dies ist hauptsächlich auf eine Abnahme des Gesamtkollagengehalts unserer Haut zurückzuführen, was dazu führt, dass unsere Haut mit dem Alter dünner wird. Darüber hinaus kommt es ab einem Alter von etwa 26 Jahren zu einem Abbau der normalen elastischen Fasern in der Dermis. Biologische Generationsmechanismen beeinträchtigen den Stoffwechsel, und die Teilungsrate der Zellen nimmt ab. Verstärkt wird dieser Umstand durch eine Reduktion der perfusions- und atrophiebedingten, sich progredienten Versorgungslage. Diese intrinsischen degenerativen Veränderungen werden zusätzlich durch UV-Schäden und gängige äußere Stressfaktoren wie ungesunde Ernährung, Alkohol und Nikotin verstärkt. Die klinischen Konsequenzen äußern sich in einer zunehmenden Trockenheit und Inhomogenität der Hautoberfläche.

Die Knochen

Auch der Schädelknochen unterliegt einem langsamen, altersbedingten Umbau, der sicherlich ebenfalls zu den klinischen Veränderungen der Gesichtsstrukturen beiträgt. Es wird angenommen, dass die altersbedingten Veränderungen, die unser Gesichtsskelett im Laufe der Zeit erfährt, eine Verringerung der Gesichtshöhe, eine Zunahme der Gesichtsbreite und eine Retrusion des Oberkiefers aufgrund von Knochenresorption umfassen. Dies führt zu einer Drehung nach unten und nach innen in Bezug auf die Schädelbasis. Es wird angenommen, dass diese Drehung des Oberkiefers durch ihre Wirkung auf das fasziale Haltebandsystem zur Störung der sanften Übergänge zwischen den Gesichtskonvexitäten beiträgt.

Die Haltebänder

Die Haltebänder spielen die Hauptrolle in der dreidimensionalen Fächerung der Hautoberfläche und sind dementsprechend maßgeblich für den Entstehungsprozess der meisten Alterungsstrukturen verantwortlich. Von diesen gehen Zugkräfte zwischen der Haut und den übrigen Gewebeeinheiten aus, die den Gewebekomplex stabilisieren. Altersbedingt kommt es zu einem Abbau der volumengebenden Basis. Das führt zu einer Beeinträchtigung der gesamten Spannung, und dadurch rutschen die destabilisierten Weichteile ab. Das trägt im Mittelgesicht zu einer Ausprägung der Nasolabialfalte und im unteren Gesichtsdrittel zu den Marionettenlinien sowie einer Veränderung der Jawline bei. Ferner führt die zentrierte Zugwirkung der echten Haltebänder über atrophische Bereiche zu Einkerbungen in der Hautoberfläche, welche die Entstehung der sogenannten Hängebäckchen erklären kann und nicht unbedingt durch Ausbeulung eine Fettprolapse.

Fettkompartiment

Das subkutane Fett ist die volumengebende Komponente des Gesichts. Es kann in zwei voneinander unterschiedliche Fettlagen unterteilt werden. Die oberflächliche Fettlage, die im jugendlichen Alter ausgeprägt ist, insbesondere im Bereich der Wangen, der Nasolabialfalte, der Glabella, in der Kiefer-Kinn-Region, aber wenig vorhanden im Bereich der Schläfen und der Stirn und so gut wie gar nicht in der periorbital- und Perioralregion. Diese Schicht ist für das homogenere Hautrelief und die zarten Gesichtszüge verantwortlich. Die zweite Fettlage bildet die tiefe Fettschicht, die sich aus einzelnen separierten Fettkörpern zusammensetzt und die volumengebende Basis ist. Sie findet sich in der Glabella, temporal, periokulär, bukkal, im Bereich der Mm. zygomatici und im Unterkinn.Mit zunehmendem Alter kommt es zu einem eindeutigen und messbaren Verlust des mittleren Gesichtsfettvolumens sowohl aus dem oberflächlichen als auch aus dem tiefen Gesichtsfettkompartiment, ohne dass es zu einem signifikanten Verlust des bukkalen Fettvolumens kommt. Mit dem Volumenverlust aus dem tiefen Fettkompartiment des Mittelgesichts verlieren wir den Halt für das Mittelgesicht und entwickeln eine „Ptosis“ des darüber liegenden oberflächlichen Fettes, was wiederum die Nasolabialfalte vertieft. Darüber hinaus wird angenommen, dass der signifikante Volumenverlust aus den oberflächlichen Fettkompartimenten mit dem Älterwerden stark zum deflationären Erscheinungsbild der Hauthülle beiträgt.

Mimische Muskulatur

Neben dem Volumenverlust trägt auch die mimische Muskulatur zur Faltenbildung bei. Die Kontraktion dieser Muskeln im Rahmen der natürlichen Emotionsausdrücke verursacht eine dynamische Faltenbildung in den Mimikarealen. Altersbedingt neigen diese Muskeln zu einer Hypertonisierung, wodurch dynamisch hervorbringbare Falten persistieren. Zum Beispiel trägt im perioralen Bereich der erhöhte Tonus des Musculus orbicularis oculi neben dem deutlichen Volumenverlust der Lippen zur Bildung der sogenannten radialen Falten im Ober- und Unterlippenbereich bei. Ähnlich sind die Lachfalten (Krähenfüße) am lateralen Augenwinkel, die auch durch Volumenverlust, atrophiebedingte Abnahme der Hautspannung und Tonussteigerung des M. orbicularis oculi zur Darstellung kommen. Auch die Stirnfalten (Denkerfalten) und die Zornesfalte (Glabella) werden durch eine Kombination aus subkutanem Volumenverlust, Hypertonisierung der Muskulatur, leichtem Knochenschwund, Hautalterung und Schwerkraft prominent.

Mit diesem Verständnis des Alterungs-prozesses verlagerte sich unser Therapiekonzept von der Behandlung der Symptome auf die Behandlung der zugrunde liegenden Ursachen, wobei stets die Anatomie des Gesichts respektiert wird und natürlichere Ergebnisse erzielt werden.

Filler und Injektionstechniken

Neben dem tieferen Verständnis des Alterungsprozesses und der Anatomie wird unsere tägliche Praxis durch die Vielfalt an unterschiedlichen Fillerprodukten sowie unterschiedliche Injektionstechniken unterstützt und macht es so möglich, die Zielbereiche optimal zu behandeln.Eine Nasolabialfalte kann durch den Wiederaufbau des Wangen-Volumenverlustes gemildert werden, indem ein hochgradig vernetztes Hyaluronsäureprodukt mittels vertikaler supraperiostaler Depottechnik injiziert wird. Die Nasiolabialfalte selbst kann auf mehrere Arten angegangen werden. Mit dem Ziel, die Verwachsungen oder Fibrosen, die sich mit der Zeit bilden, zu lösen und den Volumenverlust wieder aufzufüllen, kann man mittels einer stumpfen Kanüle von einem seitlichen Punkt aus senkrecht zur Falte durch das Gewebe arbeiten und es gleichzeitig auffüllen. Dann kann man tief über die Schleimhaut gehen und das Defizit dort auffüllen. Dies würde zu einem glatteren Übergang zwischen Wange und perioralem Bereich führen. Die Vorgehensweise bei der Füllung der Marionettenfalte kann ähnlich wie bei der Nasolabialfalte erfolgen.Bei den radialen perioralen Falten kann eine stumpfe Kanüle verwendet werden, um den Volumenverlust in den tiefen Schichten aufzufüllen. Man sollte vorsichtig sein, wenn man versucht, die einzelnen Linien mit einer Nadel oberflächlich aufzufüllen, um den Bereich nicht überzubehandeln und so mit der Zeit eine unnatürlich aussehende Vorwölbung zu verursachen.Bezüglich der feinen oberflächlichen, knittrigen Falten empfiehlt es sich, einen niedrigviskosen Filler zu verwenden und mittels Tunneltechnik die feinen Linien zu füllen. Des Weiteren bietet es sich an, den Volumenverlust – ob tief oder oberflächlich – und seine Folgen anzugehen, Kalziumhydroxylapatit zu verwenden, da dieser Filler längerfristig ein strukturelles Gerüst aufbaut, indem er die Kollagenproduktion stimuliert.

Botulinumtoxin und Kombis

Wann immer muskuläre Aktivitäten für die Entstehung von Falten verantwortlich sind, ist eine Therapie mit Botulinumtoxin als Mittel erster Wahl indiziert. Nach Beurteilung erster Resultate kann die avisierte Faltenglättung durch Hyaluronsäurepräparate optimiert werden. Um alle Behandlungsformen abzurunden, kann zur weiteren Optimierung eine unvernetzte Hyaluronsäure oberflächlich und flächig injiziert werden, die den Wassergehalt in der Haut wieder auffüllt und ihr so ein frischeres und pralleres Aussehen verleiht. Und schließlich ist es erwähnenswert, dass ein multidisziplinärer Ansatz zur Wiederherstellung eines jugendlichen Aussehens sinnvoll ist.

Kosmetische Behandlungen

Neben der bereits erwähnten medizinischen Therapie unterstützen kosmetische Behandlungen wie chemisches oder mechanisches Peeling, die Verwendung von Sonnenschutzcreme sowie die richtigen Pflegeprodukte, den Hautton zu vereinheitlichen und feine Linien, die durch Trockenheit entstanden sind, zu beseitigen.Dennoch gilt auch bei noch so guter Pflege: Ist eine Falte allerdings erst entstanden, kann diese nur noch medizinisch zufriedenstellend behandelt werden. Dennoch ist eine dauerhafte kosmetische Begleitung vor allem in Sachen Alterungsprävention und ebenmäßiges Hautbild immer von Vorteil.
Miniglossar
  • Perfusion: Versorgung von Organen oder Organteilen mit Blut
  • Atrophie: Gewebeschwund
  • progredient: progressiv, meint den weiteren Krankheitsverlauf oder die Verschlechterung des Gesundheitszustands
  • Retrusion: Zurückverlagerung einer anatomischen Struktur
  • Knochenresorption: Auflösung von Gewebestrukturen
  • Fettprolapse: sichtbare Hervorwölbung von Fettpolstern nach vorne/unten durch erschlafftes Bindegewebe
  • bukkal: zur Backe, Wange gehörend
  • Ptosis: Herabsenkung/Sagging
Foto: Autorin
Dr. Mays Alimdanat, Fachärztin für Dermatologie, spezialisiert auf minimalinvasive Behandlungen, Bellari Rosenpark, Frankfurt/Hamburg, www.bellari.de
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