In einer Welt zunehmender Umweltstressfaktoren und bei einer stetig wachsenden Zahl von Menschen, die allergische Reaktionen entwickeln, braucht es neue Wege, den natürlichen Schutz der Haut zu boosten. Frei nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ rücken daher Probiotics und vor allem probiotische Kosmetik in den Fokus der Schönheitspflege!
Wir sind nicht allein! Wir teilen unser größtes Organ – die Haut – mit etwa 70 bis 100 Billionen Mikro-Organismen, die als faszinierendes und artenreiches Ökosystem in erster Linie für eine intakte, gesunde Hautflora zuständig sind, ohne die unsere schützende Barriere ihre wichtigen Aufgaben nicht erfüllen könnte. Dem Mikrobiom der Haut – so wird der „Teppich“ aus Mikroorganismen genannt – ist die Wissenschaft zwar erst seit Kurzem auf der Spur, dafür aber umso rasanter.
Kleine Helfer ganz groß
Forscher gehen davon aus, dass die Haut grundsätzlich drei Bewohnern Unterschlupf gewährt: Da sind die flüchtigen Mikroben, die temporären Organismen und die permanenten Residenten. Sie schaffen ein saures Milieu auf der Haut, weswegen auch oft von „Säureschutzmantel“ die Rede ist. Die meisten von ihnen sind neutrale Gesellen, harmlos für eine gesunde Haut. Einige entfalten aber auch geniale Eigenschaften: Sie sondern antibakterielle Substanzen ab und verhindern die Ansiedlung von Krankheitserregern.
Andere wiederum, Wissenschaftler nennen sie „Opportunisten“, verur-sachen erst dann Probleme wie Krankheiten oder Infektionen, wenn die physikalische Barriere schon beeinträchtigt ist, zum Beispiel durch Verletzungen oder bei Operationen. Aber nicht nur Wunden kratzen an der Undurchdringlichkeit des Schutzschildes unserer Haut.
Die Palette an Einflüssen, die das Gleichgewicht des Mikrobioms durcheinanderbringen kann, ist breit gefächert: Dazu zählen häufiges Waschen und seelischer Stress genauso wie falsche Ernährung und reizende Pflegeprodukte sowie schädliche Umwelteinflüsse. Sie alle können den schützenden (Bakterien-)Mantel der Haut stören und ihn durchlässig machen. In der probiotischen Kosmetik geht es nun darum, die „guten“ Bakterien zu unterstützen, sodass sie Prozesse wie den Stoffwechsel und den Schutz vor Eindring-lingen optimal aufrechterhalten können.
Bakterien für bessere Haut
Schon seit Jahren sorgen Bakterien im Joghurt dafür, dass im Magen- und Darmtrakt alles im Lot ist. Warum sollten Mikroorganismen in der Creme dann nicht auch der Haut etwas Gutes tun?
Dass es grundsätzlich Sinn ergibt, die Bakterienpopulation auf der Haut zu verbessern, beweisen bereits zahlreiche Studien. Dr. Whitney Bowe beispielsweise, eine der führenden US-Dermatologinnen aus New York, publizierte dazu wichtige Forschungsergebnisse mit folgendem Kommentar: „Sowohl die innere als auch die äußere Anwendung von Bakterien hat gezeigt, dass sich das Hautbild deutlich verbessert. Sie verlangsamen die Hautalterung und helfen bei der Heilung chronischer Hauterkrankungen wie Akne oder Rosazea.“ Also setzen inzwischen verschiedene Hersteller „gute Bakterien“ in Cremes, Seren und Reinigungsprodukten ein, um die Flora wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Allen voran Wirkstoffe aus Milchsäurebakterien. Sie sind hauteigen – Milchsäurebakterien, produzieren mitunter den Säureschutzmantel – und werden entweder lebend, verkapselt oder gefriergetrocknet in die Pflegeprodukte gemischt. Die probiotischen Helfer, auch Lactobacillales genannt, werden durch die hauteigene Feuchtigkeit aktiviert und gehen direkt in die Hautflora über und stärken sie. Die Haut erhält bei regelmäßiger Anwendung wieder mehr Spannkraft, kann mehr Feuchtigkeit speichern und wirkt dadurch praller. Außerdem kann sie sich dank einer erhöhten Widerstandskraft besser vor negativen Einflüssen schützen.
Superfood fürs Mikrobiom
Es gibt übrigens auch Pflegeprodukte mit gefriergetrockneten Milchsäurebakterien, die pflanzlichen, also veganen Ursprungs sind. Die Herstellung erfolgt durch die Fermentation von pflanzlichen Kohlenhydraten aus stärke- und zuckerreichen Pflanzen wie Sauerkraut, Kimchi und Kombucha.
Ein anderes probiotisches Prinzip bringt zwar keine lebenden Organismen auf die Haut, sorgt aber durch entsprechende Inhaltsstoffe im Produkt für ein Hautmilieu, in dem sich die Bakterien besonders wohlfühlen, sich gern tummeln und deshalb prächtig gedeihen. Wieder andere liefern die optimale Nahrung, das heißt: Superfood fürs Mikrobiom. Zu erkennen an Claims wie „biome friendly“. Apropos Ernährung: Mit der Ernährung kann man viel erreichen, damit sich die guten Bakterien im Darm wohlfühlen und damit auch die Haut. Pauschal gilt, so bunt wie möglich zu essen und so wenig wie möglich Verarbeitetes zu sich zu nehmen, um das Mikrobiom vielseitig anzuregen.
Fazit
Probiotische Kosmetik ist ein unglaublich weites, vielschichtiges Feld – und enorm spannend für die Zukunft der Hautpflege. Doch bis sich dieser innovative Trend fest etablieren kann, haben die Forscher noch einiges an Arbeit vor sich. Denn Cremes und Lotionen mit lebenden Probiotika sind eben schwieriger herzustellen als herkömmliche Pflegeprodukte. Man kann also gespannt sein, was da noch kommen wird!
Der Haken: die Haltbarkeit
- Es ist sehr schwierig, Probiotika in Kosmetik zu formulieren. Schließlich handelt es sich bei den bio-aktiven Stoffen um lebende Mikroorganismen. Und anders als Joghurt stellt man ja die Gesichtscreme nicht in den Kühlschrank und verbraucht diese innerhalb von drei Tagen.
- Daher nutzen einige Hersteller nicht lebende Probiotika (Postbiotika), die mithilfe eines thermischen Prozesses deaktiviert wurden und die die Kommunikation der guten Bakterien nachahmen, um denselben Effekt zu erzielen.
- Häufig wird aber eine Kombination aus dem probiotischen Aktivstoff und einer präbiotischen Substanz wie Inulin und Oligofructose bzw. Lactose verwendet, die in niedrig konzentriertem Alkohol, der zum großen Teil direkt verdunstet, oder in Glycerin und in Glykolen haltbar gemacht wird.
Die gebürtige Berlinerin arbeitete bevor sie sich der Beauty-Branche widmente, für ein Politmagazin des Tagesspiegels. Heute lebt sie mit ihrer Familie im italienischen Turin und berichtet über die neuesten Trends der Beauty-Industrie in zahlreichen Hochglanz- und Fachmagazinen.